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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Gewissen, oder aus Christlicher Liebe die Dinge nicht verschweigen könten. Siehe ein Exempel hiervon in §. 4. des vorhergehenden Handels pag. 4. Gewißlich ich kan mich des Seufftzens nicht enthalten, so offt ich solche denuntiationes in die Hände kriege, nicht daß ich wieder diese arme Leute erbittert wäre, sondern aus Mitleiden, daß Sie solche schöne Sachen auff Universitäten gelernet haben, und wohl noch gewahr werden, wie die so genante denuntiatio Evangelica in vielen Schrifften unserer Theologorum und JCtorum vertheidiget und gelobet zu werden pflege. Daß aber die Einführung der Papistischen denuntiation in peinlichen Sachen dem gemeinen Wesen höchst schädlich sey, weisen nicht alleine die Politischen vernüfftigen Grund-Regeln, sondern auch die tägliche Erfahrung. Vernünfftige Völcker haben zwar jedweden von Volck zugelassen, in peinlichen Sachen die Ubelthäter anzuklagen, damit aber dem Haß und Neid nicht Thür und Thor auffgethan würde, geehrte, unschuldige, und um das gemeine Wesen wohlverdiente Männer durch falsche Anklagen in Gefahr zu bringen, haben Sie die calumnianten mit eben der Straffe beleget, die der Beklagte hätte leiden müssen, wenn er schuldig gewesen wäre. Dieses ist nicht nur aus dem Römischen Recht denen Gelehrten, sondern auch dem gemeinen Mann aus der Historie von denen zwey Susannen-Brüdern bekant, ob wohl diese gleichfalls als Presbyteri des Jüdischen Volcks nach dem heutigen stilo vorwenden kunten, daß Sie diese denuntiation nach Ihren Amt und Gewissen thun müssen. Bey denen Teutschen ist ein gleiches in Gebrauch gewesen, wie man noch aus der P. H. O. sehen kan; Aber so bald Innocentius III. das peinliche Angeben zu einen Werck Christlicher Liebe machte, und also anfangs der Päbstischen Clerisey freye Gelegenheit gabe, auch die fälschesten Dinge wieder die Leyen ohne Gefahr zu denunciren, und hernach auch die Leyen von diesen Wercken der Christl. Liebe (jedoch nur so ferne Sie solche wieder andre Leyen brauchten; denn wieder die Priesterschafft wurden Sie als offenbahre Feinde der Geistlichen, (scilicet) mit solchen Dingen nicht gehöret) nicht ausgeschlossen werden konten, hat sich in peinlichen Dingen der Klag-Proceß nach und nach von sich selbst verlohren, und hat der heiligen inquisition allenthalben Platz gemacht. Denn wer wolte so ein tummer Teuffel seyn, und als Ankläger der poenae talionis sich unterwerffen, oder sich ins Gefängniß setzen lassen, oder in Gefahr stehen, daß er einer mercklichen summe Geldes, die er zur caution gestellt, verlustig werden dürffte, wenn er aus dem heiligen Jure Canonico sich der Angeberey bedienen, und dem Richter die Mühe und Unkosten ohne Fürchtung einiger Gefahr über den Halß lassen kan. Die

Gewissen, oder aus Christlicher Liebe die Dinge nicht verschweigen könten. Siehe ein Exempel hiervon in §. 4. des vorhergehenden Handels pag. 4. Gewißlich ich kan mich des Seufftzens nicht enthalten, so offt ich solche denuntiationes in die Hände kriege, nicht daß ich wieder diese arme Leute erbittert wäre, sondern aus Mitleiden, daß Sie solche schöne Sachen auff Universitäten gelernet haben, und wohl noch gewahr werden, wie die so genante denuntiatio Evangelica in vielen Schrifften unserer Theologorum und JCtorum vertheidiget und gelobet zu werden pflege. Daß aber die Einführung der Papistischen denuntiation in peinlichen Sachen dem gemeinen Wesen höchst schädlich sey, weisen nicht alleine die Politischen vernüfftigen Grund-Regeln, sondern auch die tägliche Erfahrung. Vernünfftige Völcker haben zwar jedweden von Volck zugelassen, in peinlichen Sachen die Ubelthäter anzuklagen, damit aber dem Haß und Neid nicht Thür und Thor auffgethan würde, geehrte, unschuldige, und um das gemeine Wesen wohlverdiente Männer durch falsche Anklagen in Gefahr zu bringen, haben Sie die calumnianten mit eben der Straffe beleget, die der Beklagte hätte leiden müssen, wenn er schuldig gewesen wäre. Dieses ist nicht nur aus dem Römischen Recht denen Gelehrten, sondern auch dem gemeinen Mann aus der Historie von denen zwey Susannen-Brüdern bekant, ob wohl diese gleichfalls als Presbyteri des Jüdischen Volcks nach dem heutigen stilo vorwenden kunten, daß Sie diese denuntiation nach Ihren Amt und Gewissen thun müssen. Bey denen Teutschen ist ein gleiches in Gebrauch gewesen, wie man noch aus der P. H. O. sehen kan; Aber so bald Innocentius III. das peinliche Angeben zu einen Werck Christlicher Liebe machte, und also anfangs der Päbstischen Clerisey freye Gelegenheit gabe, auch die fälschesten Dinge wieder die Leyen ohne Gefahr zu denunciren, und hernach auch die Leyen von diesen Wercken der Christl. Liebe (jedoch nur so ferne Sie solche wieder andre Leyen brauchten; denn wieder die Priesterschafft wurden Sie als offenbahre Feinde der Geistlichen, (scilicet) mit solchen Dingen nicht gehöret) nicht ausgeschlossen werden konten, hat sich in peinlichen Dingen der Klag-Proceß nach und nach von sich selbst verlohren, und hat der heiligen inquisition allenthalben Platz gemacht. Denn wer wolte so ein tummer Teuffel seyn, und als Ankläger der poenae talionis sich unterwerffen, oder sich ins Gefängniß setzen lassen, oder in Gefahr stehen, daß er einer mercklichen summe Geldes, die er zur caution gestellt, verlustig werden dürffte, wenn er aus dem heiligen Jure Canonico sich der Angeberey bedienen, und dem Richter die Mühe und Unkosten ohne Fürchtung einiger Gefahr über den Halß lassen kan. Die

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Gewissen, oder aus Christlicher Liebe                      die Dinge nicht verschweigen könten. Siehe ein Exempel hiervon in §. 4. des                      vorhergehenden Handels pag. 4. Gewißlich ich kan mich des Seufftzens nicht                      enthalten, so offt ich solche denuntiationes in die Hände kriege, nicht daß ich                      wieder diese arme Leute erbittert wäre, sondern aus Mitleiden, daß Sie solche                      schöne Sachen auff Universitäten gelernet haben, und wohl noch gewahr werden,                      wie die so genante denuntiatio Evangelica in vielen Schrifften unserer                      Theologorum und JCtorum vertheidiget und gelobet zu werden pflege. Daß aber die                      Einführung der Papistischen denuntiation in peinlichen Sachen dem gemeinen Wesen                      höchst schädlich sey, weisen nicht alleine die Politischen vernüfftigen                      Grund-Regeln, sondern auch die tägliche Erfahrung. Vernünfftige Völcker haben                      zwar jedweden von Volck zugelassen, in peinlichen Sachen die Ubelthäter                      anzuklagen, damit aber dem Haß und Neid nicht Thür und Thor auffgethan würde,                      geehrte, unschuldige, und um das gemeine Wesen wohlverdiente Männer durch                      falsche Anklagen in Gefahr zu bringen, haben Sie die calumnianten mit eben der                      Straffe beleget, die der Beklagte hätte leiden müssen, wenn er schuldig gewesen                      wäre. Dieses ist nicht nur aus dem Römischen Recht denen Gelehrten, sondern auch                      dem gemeinen Mann aus der Historie von denen zwey Susannen-Brüdern bekant, ob                      wohl diese gleichfalls als Presbyteri des Jüdischen Volcks nach dem heutigen                      stilo vorwenden kunten, daß Sie diese denuntiation nach Ihren Amt und Gewissen                      thun müssen. Bey denen Teutschen ist ein gleiches in Gebrauch gewesen, wie man                      noch aus der P. H. O. sehen kan; Aber so bald Innocentius III. das peinliche                      Angeben zu einen Werck Christlicher Liebe machte, und also anfangs der                      Päbstischen Clerisey freye Gelegenheit gabe, auch die fälschesten Dinge wieder                      die Leyen ohne Gefahr zu denunciren, und hernach auch die Leyen von diesen                      Wercken der Christl. Liebe (jedoch nur so ferne Sie solche wieder andre Leyen                      brauchten; denn wieder die Priesterschafft wurden Sie als offenbahre Feinde der                      Geistlichen, (scilicet) mit solchen Dingen nicht gehöret) nicht ausgeschlossen                      werden konten, hat sich in peinlichen Dingen der Klag-Proceß nach und nach von                      sich selbst verlohren, und hat der heiligen inquisition allenthalben Platz                      gemacht. Denn wer wolte so ein tummer Teuffel seyn, und als Ankläger der poenae                      talionis sich unterwerffen, oder sich ins Gefängniß setzen lassen, oder in                      Gefahr stehen, daß er einer mercklichen summe Geldes, die er zur caution                      gestellt, verlustig werden dürffte, wenn er aus dem heiligen Jure Canonico sich                      der Angeberey bedienen, und dem Richter die Mühe und Unkosten ohne Fürchtung                      einiger Gefahr über den Halß lassen kan. Die
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[106/0122] Gewissen, oder aus Christlicher Liebe die Dinge nicht verschweigen könten. Siehe ein Exempel hiervon in §. 4. des vorhergehenden Handels pag. 4. Gewißlich ich kan mich des Seufftzens nicht enthalten, so offt ich solche denuntiationes in die Hände kriege, nicht daß ich wieder diese arme Leute erbittert wäre, sondern aus Mitleiden, daß Sie solche schöne Sachen auff Universitäten gelernet haben, und wohl noch gewahr werden, wie die so genante denuntiatio Evangelica in vielen Schrifften unserer Theologorum und JCtorum vertheidiget und gelobet zu werden pflege. Daß aber die Einführung der Papistischen denuntiation in peinlichen Sachen dem gemeinen Wesen höchst schädlich sey, weisen nicht alleine die Politischen vernüfftigen Grund-Regeln, sondern auch die tägliche Erfahrung. Vernünfftige Völcker haben zwar jedweden von Volck zugelassen, in peinlichen Sachen die Ubelthäter anzuklagen, damit aber dem Haß und Neid nicht Thür und Thor auffgethan würde, geehrte, unschuldige, und um das gemeine Wesen wohlverdiente Männer durch falsche Anklagen in Gefahr zu bringen, haben Sie die calumnianten mit eben der Straffe beleget, die der Beklagte hätte leiden müssen, wenn er schuldig gewesen wäre. Dieses ist nicht nur aus dem Römischen Recht denen Gelehrten, sondern auch dem gemeinen Mann aus der Historie von denen zwey Susannen-Brüdern bekant, ob wohl diese gleichfalls als Presbyteri des Jüdischen Volcks nach dem heutigen stilo vorwenden kunten, daß Sie diese denuntiation nach Ihren Amt und Gewissen thun müssen. Bey denen Teutschen ist ein gleiches in Gebrauch gewesen, wie man noch aus der P. H. O. sehen kan; Aber so bald Innocentius III. das peinliche Angeben zu einen Werck Christlicher Liebe machte, und also anfangs der Päbstischen Clerisey freye Gelegenheit gabe, auch die fälschesten Dinge wieder die Leyen ohne Gefahr zu denunciren, und hernach auch die Leyen von diesen Wercken der Christl. Liebe (jedoch nur so ferne Sie solche wieder andre Leyen brauchten; denn wieder die Priesterschafft wurden Sie als offenbahre Feinde der Geistlichen, (scilicet) mit solchen Dingen nicht gehöret) nicht ausgeschlossen werden konten, hat sich in peinlichen Dingen der Klag-Proceß nach und nach von sich selbst verlohren, und hat der heiligen inquisition allenthalben Platz gemacht. Denn wer wolte so ein tummer Teuffel seyn, und als Ankläger der poenae talionis sich unterwerffen, oder sich ins Gefängniß setzen lassen, oder in Gefahr stehen, daß er einer mercklichen summe Geldes, die er zur caution gestellt, verlustig werden dürffte, wenn er aus dem heiligen Jure Canonico sich der Angeberey bedienen, und dem Richter die Mühe und Unkosten ohne Fürchtung einiger Gefahr über den Halß lassen kan. Die

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/122>, abgerufen am 26.04.2024.