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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Welcher gleichfalls bescheiden abgewiesen wird.

§. XXVI. Meine Widerpart siehet, daß ich offenhertzig mit ihnen handele, und in Vorbringung ihrer Replic meiner in geringsten nicht geschonet; aber nun folget auch meine gleichfalls offenhertzige Duplic. 1.) Ist es wahr, ich habe aus Lesung besagtes Autoris differentiarum juris Civilis & Canonici Gelegenheit genommen die Meynung des Lancelotti etwas weitläufftiger und umständlicher zu proponiren, und den dabey stehenden Locum des Hostiensis mit Fleiß ausgelassen, aber nicht sowohl um der Juristen, als derer Evangelischen Herren Theologorum willen. 2.) Denn in der That oder in der Haupt-Assertion selbst ist er mit Lancelotto einig, daß ein Canoniste beydes ein Theologus und Juriste zugleich seyn müsse, und er also so wohl Theologica tractiren könne als ein Theologus, (welches auch über dieses ein reformirter Theologus Samuel Maresius erkennet, indem er Th. 24. dissert. de Jure Canonico gar deutlich bejahet, daß das Studium des Canonischen Rechts mehr Theologisch als Juristisch sey.) Ja Hostiensis ist selber ein Canonist, sowohl als ein Legiste gewesen. Nur das Gleichnüß ist etwas plump, welche Plumpheit aber nicht so wohl dem Hostiensi, als denen damahligen Theologis zuzuschreiben, ob ich wohl den Hostiensem nicht bey der Hand habe, auch die Sache nicht tanti ist, daß ich ihn deshalben bey andern borgen solle. 3.) Jedoch kömmt mir die Sache also nicht unwahrscheinlich für: Es ist aus der Historie bekant, daß in zwölfften Seculo anfänglich nur zwey Facultäten auf Universitäten waren, die Theologische und Philosophische: gegen die Mitte dieses Seculi kamen die Legisten auf und fiengen an aus den Justinianeischen Recht die Kayserlichen Jura wider den Pabst, dem die Theologi anhiengen, zu vertheydigen, und bekamen deswegen von denen Kaysern eine eigene Facultät und grosse Privilegia. Wiewohl nun diese Vertheydigung der Kayserlichen Rechte nach dem Elend der damahligen Zeiten schlecht genung war, (dergestalt, daß auch die denen Legisten bald von dem Pabst entgegen gesetzte Canonisten binnen wenigen Zeiten ein Hertz und eine Seele und in Doctores Juris utriusque verwandelt wurden,) so verdroß doch dieses die damahligen des Pabsts Parthey (wiewohl eben so ungeschickt) haltenden Theologos, und gleichwie sie ohnedem gewohnet waren, alle Leyen, (inclusive Könige, Fürsten und ihre Bedienten) für Idioten und wohl gar für Hunde zu halten; also ist auch nicht zu verwundern, daß sie die Legisten für Esel ausgescholten; sich aber ich weiß nicht unter was für Gründen mit Pferden verglichen. Ob nun wohl die Canonisten anfänglich so wohl als die Theologi des Pabsts Parthey gehalten,

Welcher gleichfalls bescheiden abgewiesen wird.

§. XXVI. Meine Widerpart siehet, daß ich offenhertzig mit ihnen handele, und in Vorbringung ihrer Replic meiner in geringsten nicht geschonet; aber nun folget auch meine gleichfalls offenhertzige Duplic. 1.) Ist es wahr, ich habe aus Lesung besagtes Autoris differentiarum juris Civilis & Canonici Gelegenheit genommen die Meynung des Lancelotti etwas weitläufftiger und umständlicher zu proponiren, und den dabey stehenden Locum des Hostiensis mit Fleiß ausgelassen, aber nicht sowohl um der Juristen, als derer Evangelischen Herren Theologorum willen. 2.) Denn in der That oder in der Haupt-Assertion selbst ist er mit Lancelotto einig, daß ein Canoniste beydes ein Theologus und Juriste zugleich seyn müsse, und er also so wohl Theologica tractiren könne als ein Theologus, (welches auch über dieses ein reformirter Theologus Samuel Maresius erkennet, indem er Th. 24. dissert. de Jure Canonico gar deutlich bejahet, daß das Studium des Canonischen Rechts mehr Theologisch als Juristisch sey.) Ja Hostiensis ist selber ein Canonist, sowohl als ein Legiste gewesen. Nur das Gleichnüß ist etwas plump, welche Plumpheit aber nicht so wohl dem Hostiensi, als denen damahligen Theologis zuzuschreiben, ob ich wohl den Hostiensem nicht bey der Hand habe, auch die Sache nicht tanti ist, daß ich ihn deshalben bey andern borgen solle. 3.) Jedoch kömmt mir die Sache also nicht unwahrscheinlich für: Es ist aus der Historie bekant, daß in zwölfften Seculo anfänglich nur zwey Facultäten auf Universitäten waren, die Theologische und Philosophische: gegen die Mitte dieses Seculi kamen die Legisten auf und fiengen an aus den Justinianeischen Recht die Kayserlichen Jura wider den Pabst, dem die Theologi anhiengen, zu vertheydigen, und bekamen deswegen von denen Kaysern eine eigene Facultät und grosse Privilegia. Wiewohl nun diese Vertheydigung der Kayserlichen Rechte nach dem Elend der damahligen Zeiten schlecht genung war, (dergestalt, daß auch die denen Legisten bald von dem Pabst entgegen gesetzte Canonisten binnen wenigen Zeiten ein Hertz und eine Seele und in Doctores Juris utriusque verwandelt wurden,) so verdroß doch dieses die damahligen des Pabsts Parthey (wiewohl eben so ungeschickt) haltenden Theologos, und gleichwie sie ohnedem gewohnet waren, alle Leyen, (inclusive Könige, Fürsten und ihre Bedienten) für Idioten und wohl gar für Hunde zu halten; also ist auch nicht zu verwundern, daß sie die Legisten für Esel ausgescholten; sich aber ich weiß nicht unter was für Gründen mit Pferden verglichen. Ob nun wohl die Canonisten anfänglich so wohl als die Theologi des Pabsts Parthey gehalten,

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[100/0108] §. XXVI. Meine Widerpart siehet, daß ich offenhertzig mit ihnen handele, und in Vorbringung ihrer Replic meiner in geringsten nicht geschonet; aber nun folget auch meine gleichfalls offenhertzige Duplic. 1.) Ist es wahr, ich habe aus Lesung besagtes Autoris differentiarum juris Civilis & Canonici Gelegenheit genommen die Meynung des Lancelotti etwas weitläufftiger und umständlicher zu proponiren, und den dabey stehenden Locum des Hostiensis mit Fleiß ausgelassen, aber nicht sowohl um der Juristen, als derer Evangelischen Herren Theologorum willen. 2.) Denn in der That oder in der Haupt-Assertion selbst ist er mit Lancelotto einig, daß ein Canoniste beydes ein Theologus und Juriste zugleich seyn müsse, und er also so wohl Theologica tractiren könne als ein Theologus, (welches auch über dieses ein reformirter Theologus Samuel Maresius erkennet, indem er Th. 24. dissert. de Jure Canonico gar deutlich bejahet, daß das Studium des Canonischen Rechts mehr Theologisch als Juristisch sey.) Ja Hostiensis ist selber ein Canonist, sowohl als ein Legiste gewesen. Nur das Gleichnüß ist etwas plump, welche Plumpheit aber nicht so wohl dem Hostiensi, als denen damahligen Theologis zuzuschreiben, ob ich wohl den Hostiensem nicht bey der Hand habe, auch die Sache nicht tanti ist, daß ich ihn deshalben bey andern borgen solle. 3.) Jedoch kömmt mir die Sache also nicht unwahrscheinlich für: Es ist aus der Historie bekant, daß in zwölfften Seculo anfänglich nur zwey Facultäten auf Universitäten waren, die Theologische und Philosophische: gegen die Mitte dieses Seculi kamen die Legisten auf und fiengen an aus den Justinianeischen Recht die Kayserlichen Jura wider den Pabst, dem die Theologi anhiengen, zu vertheydigen, und bekamen deswegen von denen Kaysern eine eigene Facultät und grosse Privilegia. Wiewohl nun diese Vertheydigung der Kayserlichen Rechte nach dem Elend der damahligen Zeiten schlecht genung war, (dergestalt, daß auch die denen Legisten bald von dem Pabst entgegen gesetzte Canonisten binnen wenigen Zeiten ein Hertz und eine Seele und in Doctores Juris utriusque verwandelt wurden,) so verdroß doch dieses die damahligen des Pabsts Parthey (wiewohl eben so ungeschickt) haltenden Theologos, und gleichwie sie ohnedem gewohnet waren, alle Leyen, (inclusive Könige, Fürsten und ihre Bedienten) für Idioten und wohl gar für Hunde zu halten; also ist auch nicht zu verwundern, daß sie die Legisten für Esel ausgescholten; sich aber ich weiß nicht unter was für Gründen mit Pferden verglichen. Ob nun wohl die Canonisten anfänglich so wohl als die Theologi des Pabsts Parthey gehalten,

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/108>, abgerufen am 29.04.2024.