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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Dinge mehr denen Collegiis als Regula, darnach sie sprechen sollen vorgeschrieben sind, Mollerus d. l. n. 1. & 2. durch die Gewohnheit aber allhier nichts anders verstanden werden kan, als ob in streitigen Fällen die Unterthanen die Baufuhren bisher zu thun gewohnt gewesen; ferner bey diesen offenbaren Sinn der Sächsischen Gesetze wenig oder nichts zur Sache thut, wenn gleich der sonst berühmte Carpzovius oder ein anderer Juriste dieselben anders expliciret hätte; Sondern vielmehr solchergestalt von Beklagten keine Baufuhren mit Recht gefordert werden könnten, wenn sie gleich in ihren Exceptionibus nichts erwiesen hätten; indem vielmehr Kläger den bißherigen Gebrauch der Baufrohnen hätte erweisen müssen; Zumahln da ohnedem bekannt, daß secundum principia juris publici ausser Sachfen die Bauren keine Baufrohnen ihren Edelleuten ordentlich zu leisten schuldig sind, sondern die Baufrohnen nebst denen Jagd- und Reise-Frohnen zu denen Herrschaffts-Frohnen gerechnet werden Titius jur. priv. lib. 8. cap. 3. §. 23. Fritsch. de pagis cap. 8. §. 2. ab init. & in fine. conf. Seckendorffs Fürsten-Staat Part. 3. c. 2. p. 339. und dannenhero um so viel weniger zu praesumiren, daß die Sächfischen Churfürsten sich dieses ihres zustehenden juris so generaliter und gleichsam indistincte hätten begeben, oder ihre arme Unterthanen mit doppelten Baudiensten beschweren wollen; noch weniger aber zu praesumiren, daß sie dergleichen Baudienste zu Adelichen Gebäuden denen Bauern, die ihren Junckern nur gemessene Dienste thun, (wie in gegenwärtigen Fall unstreitig ist) hätten zumuthen wollen, sondern wenn ja die Landes-Ordnung eine Regel hätte constituiren wollen, dennoch auch dieselbe de objecto regulari operarum rusticarum, nemlich von Bauern, die ihren Junckern ungemessene Dienste zu thun schuldig, (haec enim regulariter & in dubio debentur. Stryk. Us. mod. lib. 38. tit. 1. §. 6.) würden zu verstehen seyn; Endlich Kläger sich destoweniger zu beklagen Ursach hat, da Beklagte die unter andern ihnen opponirte exceptionem non competentis actionis zum Uberfluß erwiesen, eo ipso da sie gezeiget, daß die vorigen Besitzer die Fuhren von ihnen nicht gefordert, und also sie selbe zu fordern nicht gewohnt gewesen; daß aber solches, Klägers Vorgeben nach, aus Christlicher Liebe unterlassen worden, einem vernünfftigen Menschen so wenig glaublich ist, als wenn man vorgeben wolte, Herr Kläger hätte seine itzige Klage aus Christlicher Liebe gegen seine Bauren angestellet; zumahlen da Beklagte durch Zeugen fol. 86. b. erwiesen, daß

Dinge mehr denen Collegiis als Regula, darnach sie sprechen sollen vorgeschrieben sind, Mollerus d. l. n. 1. & 2. durch die Gewohnheit aber allhier nichts anders verstanden werden kan, als ob in streitigen Fällen die Unterthanen die Baufuhren bisher zu thun gewohnt gewesen; ferner bey diesen offenbaren Sinn der Sächsischen Gesetze wenig oder nichts zur Sache thut, wenn gleich der sonst berühmte Carpzovius oder ein anderer Juriste dieselben anders expliciret hätte; Sondern vielmehr solchergestalt von Beklagten keine Baufuhren mit Recht gefordert werden könnten, wenn sie gleich in ihren Exceptionibus nichts erwiesen hätten; indem vielmehr Kläger den bißherigen Gebrauch der Baufrohnen hätte erweisen müssen; Zumahln da ohnedem bekannt, daß secundum principia juris publici ausser Sachfen die Bauren keine Baufrohnen ihren Edelleuten ordentlich zu leisten schuldig sind, sondern die Baufrohnen nebst denen Jagd- und Reise-Frohnen zu denen Herrschaffts-Frohnen gerechnet werden Titius jur. priv. lib. 8. cap. 3. §. 23. Fritsch. de pagis cap. 8. §. 2. ab init. & in fine. conf. Seckendorffs Fürsten-Staat Part. 3. c. 2. p. 339. und dannenhero um so viel weniger zu praesumiren, daß die Sächfischen Churfürsten sich dieses ihres zustehenden juris so generaliter und gleichsam indistincte hätten begeben, oder ihre arme Unterthanen mit doppelten Baudiensten beschweren wollen; noch weniger aber zu praesumiren, daß sie dergleichen Baudienste zu Adelichen Gebäuden denen Bauern, die ihren Junckern nur gemessene Dienste thun, (wie in gegenwärtigen Fall unstreitig ist) hätten zumuthen wollen, sondern wenn ja die Landes-Ordnung eine Regel hätte constituiren wollen, dennoch auch dieselbe de objecto regulari operarum rusticarum, nemlich von Bauern, die ihren Junckern ungemessene Dienste zu thun schuldig, (haec enim regulariter & in dubio debentur. Stryk. Us. mod. lib. 38. tit. 1. §. 6.) würden zu verstehen seyn; Endlich Kläger sich destoweniger zu beklagen Ursach hat, da Beklagte die unter andern ihnen opponirte exceptionem non competentis actionis zum Uberfluß erwiesen, eo ipso da sie gezeiget, daß die vorigen Besitzer die Fuhren von ihnen nicht gefordert, und also sie selbe zu fordern nicht gewohnt gewesen; daß aber solches, Klägers Vorgeben nach, aus Christlicher Liebe unterlassen worden, einem vernünfftigen Menschen so wenig glaublich ist, als wenn man vorgeben wolte, Herr Kläger hätte seine itzige Klage aus Christlicher Liebe gegen seine Bauren angestellet; zumahlen da Beklagte durch Zeugen fol. 86. b. erwiesen, daß

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[335/0343] Dinge mehr denen Collegiis als Regula, darnach sie sprechen sollen vorgeschrieben sind, Mollerus d. l. n. 1. & 2. durch die Gewohnheit aber allhier nichts anders verstanden werden kan, als ob in streitigen Fällen die Unterthanen die Baufuhren bisher zu thun gewohnt gewesen; ferner bey diesen offenbaren Sinn der Sächsischen Gesetze wenig oder nichts zur Sache thut, wenn gleich der sonst berühmte Carpzovius oder ein anderer Juriste dieselben anders expliciret hätte; Sondern vielmehr solchergestalt von Beklagten keine Baufuhren mit Recht gefordert werden könnten, wenn sie gleich in ihren Exceptionibus nichts erwiesen hätten; indem vielmehr Kläger den bißherigen Gebrauch der Baufrohnen hätte erweisen müssen; Zumahln da ohnedem bekannt, daß secundum principia juris publici ausser Sachfen die Bauren keine Baufrohnen ihren Edelleuten ordentlich zu leisten schuldig sind, sondern die Baufrohnen nebst denen Jagd- und Reise-Frohnen zu denen Herrschaffts-Frohnen gerechnet werden Titius jur. priv. lib. 8. cap. 3. §. 23. Fritsch. de pagis cap. 8. §. 2. ab init. & in fine. conf. Seckendorffs Fürsten-Staat Part. 3. c. 2. p. 339. und dannenhero um so viel weniger zu praesumiren, daß die Sächfischen Churfürsten sich dieses ihres zustehenden juris so generaliter und gleichsam indistincte hätten begeben, oder ihre arme Unterthanen mit doppelten Baudiensten beschweren wollen; noch weniger aber zu praesumiren, daß sie dergleichen Baudienste zu Adelichen Gebäuden denen Bauern, die ihren Junckern nur gemessene Dienste thun, (wie in gegenwärtigen Fall unstreitig ist) hätten zumuthen wollen, sondern wenn ja die Landes-Ordnung eine Regel hätte constituiren wollen, dennoch auch dieselbe de objecto regulari operarum rusticarum, nemlich von Bauern, die ihren Junckern ungemessene Dienste zu thun schuldig, (haec enim regulariter & in dubio debentur. Stryk. Us. mod. lib. 38. tit. 1. §. 6.) würden zu verstehen seyn; Endlich Kläger sich destoweniger zu beklagen Ursach hat, da Beklagte die unter andern ihnen opponirte exceptionem non competentis actionis zum Uberfluß erwiesen, eo ipso da sie gezeiget, daß die vorigen Besitzer die Fuhren von ihnen nicht gefordert, und also sie selbe zu fordern nicht gewohnt gewesen; daß aber solches, Klägers Vorgeben nach, aus Christlicher Liebe unterlassen worden, einem vernünfftigen Menschen so wenig glaublich ist, als wenn man vorgeben wolte, Herr Kläger hätte seine itzige Klage aus Christlicher Liebe gegen seine Bauren angestellet; zumahlen da Beklagte durch Zeugen fol. 86. b. erwiesen, daß

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/343>, abgerufen am 27.04.2024.