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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Schrifften Zeit währenden meinem Amt ich sonderlich hoch zu achten Ursach gefunden) zu beurtheilen in einer so wichtigen Sache, wie jetzo von mir erheischet wird, mich gar nicht unternehmen solte, so habe dennoch eines theils durch dessen sehr gepriesene Demuth, vermöge welcher er gar nicht gewolt, daß man auf seine Worte und Particulier-Meynung schweren solte, andern Theils durch die Liebe, damit ich den jetzo Anfragenden verbunden bin, mich ziemlich bewegen lassen, nach Göttlicher Schrifft und nach der in der Sache selbst gegründeten Wahrheit vorberührten Herrn D. Speners Gründe, damit er zu behaupten meynet, daß eine Verehligung in die Catholische Kirche mit Annehmung derselben Religion ein Abfall von der Christlichen Religion und eine verdammliche Sünde sey, vermittelst Göttlicher Gnade zu beleuchten. Worinn ich denn von der gelahrten Welt desto ehender Dispensation zu erlangen hoffe, jemehr es glaublich scheinet, daß der Herr Spener ohne die Sache zu umschräncken, diese harte Sentenz zu sprechen, durch eine solche Hypothesin bewogen worden, die er zwar bey ihm fest gestellet, dennoch aber unter den Theologen noch sehr disputiret wird, wie es in den folgenden mit mehrern wird angeführet werden.

Nehmlich beym 1. Argument, daß durch den Ubertritt Christus verleugnet werde.

Damit denn nun ordentlich angezeiget werden möge, von was Wichtigkeit dessen Gründe seyn, will ich bey der von ihm gemachten Ordnung bleiben, und einen jeglichen von ihm angeführten Grund etwas eigentlicher untersuchen, da denn dessen erstes Argument, womit er solchen Zutritt zu der Catholischen Religion schlechterdings eine Tod-Sünde zu seyn behaupten will, dieser ist, weiln, wie er schreibet, in dergleichen Umtritt zu der Päbstlichen Religion eine offenbahre Verleugnung Christi und seiner erkannten Wahrheit ist, welches zu beweisen, die Worte Christi Matth. 10. v. 32. 33. angeführet werden: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater, wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen für meinem himmlischen Vater. Wenn man auf eine disputirliche Art die Sache vorzunehmen hätte, wüste man wohl, wie verfahren werden müste, weiln aber nur Discurs-weiß davon geredet werden soll, ist stracks Anfangs zu bemercken, daß dieser Spruch: Wer mich bekennet &c. sich auf solchen Fall nicht appliciren lasse, auch darauf nicht gedeutet werden könne, wie es denn auch ja Herr Spener mit nicht dem geringsten Wort beweiset, daß bey der Ubertretung zu der Catho-

Schrifften Zeit währenden meinem Amt ich sonderlich hoch zu achten Ursach gefunden) zu beurtheilen in einer so wichtigen Sache, wie jetzo von mir erheischet wird, mich gar nicht unternehmen solte, so habe dennoch eines theils durch dessen sehr gepriesene Demuth, vermöge welcher er gar nicht gewolt, daß man auf seine Worte und Particulier-Meynung schweren solte, andern Theils durch die Liebe, damit ich den jetzo Anfragenden verbunden bin, mich ziemlich bewegen lassen, nach Göttlicher Schrifft und nach der in der Sache selbst gegründeten Wahrheit vorberührten Herrn D. Speners Gründe, damit er zu behaupten meynet, daß eine Verehligung in die Catholische Kirche mit Annehmung derselben Religion ein Abfall von der Christlichen Religion und eine verdammliche Sünde sey, vermittelst Göttlicher Gnade zu beleuchten. Worinn ich denn von der gelahrten Welt desto ehender Dispensation zu erlangen hoffe, jemehr es glaublich scheinet, daß der Herr Spener ohne die Sache zu umschräncken, diese harte Sentenz zu sprechen, durch eine solche Hypothesin bewogen worden, die er zwar bey ihm fest gestellet, dennoch aber unter den Theologen noch sehr disputiret wird, wie es in den folgenden mit mehrern wird angeführet werden.

Nehmlich beym 1. Argument, daß durch den Ubertritt Christus verleugnet werde.

Damit denn nun ordentlich angezeiget werden möge, von was Wichtigkeit dessen Gründe seyn, will ich bey der von ihm gemachten Ordnung bleiben, und einen jeglichen von ihm angeführten Grund etwas eigentlicher untersuchen, da denn dessen erstes Argument, womit er solchen Zutritt zu der Catholischen Religion schlechterdings eine Tod-Sünde zu seyn behaupten will, dieser ist, weiln, wie er schreibet, in dergleichen Umtritt zu der Päbstlichen Religion eine offenbahre Verleugnung Christi und seiner erkannten Wahrheit ist, welches zu beweisen, die Worte Christi Matth. 10. v. 32. 33. angeführet werden: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater, wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen für meinem himmlischen Vater. Wenn man auf eine disputirliche Art die Sache vorzunehmen hätte, wüste man wohl, wie verfahren werden müste, weiln aber nur Discurs-weiß davon geredet werden soll, ist stracks Anfangs zu bemercken, daß dieser Spruch: Wer mich bekennet &c. sich auf solchen Fall nicht appliciren lasse, auch darauf nicht gedeutet werden könne, wie es denn auch ja Herr Spener mit nicht dem geringsten Wort beweiset, daß bey der Ubertretung zu der Catho-

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[88/0096] Schrifften Zeit währenden meinem Amt ich sonderlich hoch zu achten Ursach gefunden) zu beurtheilen in einer so wichtigen Sache, wie jetzo von mir erheischet wird, mich gar nicht unternehmen solte, so habe dennoch eines theils durch dessen sehr gepriesene Demuth, vermöge welcher er gar nicht gewolt, daß man auf seine Worte und Particulier-Meynung schweren solte, andern Theils durch die Liebe, damit ich den jetzo Anfragenden verbunden bin, mich ziemlich bewegen lassen, nach Göttlicher Schrifft und nach der in der Sache selbst gegründeten Wahrheit vorberührten Herrn D. Speners Gründe, damit er zu behaupten meynet, daß eine Verehligung in die Catholische Kirche mit Annehmung derselben Religion ein Abfall von der Christlichen Religion und eine verdammliche Sünde sey, vermittelst Göttlicher Gnade zu beleuchten. Worinn ich denn von der gelahrten Welt desto ehender Dispensation zu erlangen hoffe, jemehr es glaublich scheinet, daß der Herr Spener ohne die Sache zu umschräncken, diese harte Sentenz zu sprechen, durch eine solche Hypothesin bewogen worden, die er zwar bey ihm fest gestellet, dennoch aber unter den Theologen noch sehr disputiret wird, wie es in den folgenden mit mehrern wird angeführet werden. Damit denn nun ordentlich angezeiget werden möge, von was Wichtigkeit dessen Gründe seyn, will ich bey der von ihm gemachten Ordnung bleiben, und einen jeglichen von ihm angeführten Grund etwas eigentlicher untersuchen, da denn dessen erstes Argument, womit er solchen Zutritt zu der Catholischen Religion schlechterdings eine Tod-Sünde zu seyn behaupten will, dieser ist, weiln, wie er schreibet, in dergleichen Umtritt zu der Päbstlichen Religion eine offenbahre Verleugnung Christi und seiner erkannten Wahrheit ist, welches zu beweisen, die Worte Christi Matth. 10. v. 32. 33. angeführet werden: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater, wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen für meinem himmlischen Vater. Wenn man auf eine disputirliche Art die Sache vorzunehmen hätte, wüste man wohl, wie verfahren werden müste, weiln aber nur Discurs-weiß davon geredet werden soll, ist stracks Anfangs zu bemercken, daß dieser Spruch: Wer mich bekennet &c. sich auf solchen Fall nicht appliciren lasse, auch darauf nicht gedeutet werden könne, wie es denn auch ja Herr Spener mit nicht dem geringsten Wort beweiset, daß bey der Ubertretung zu der Catho-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/96>, abgerufen am 02.05.2024.