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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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den prächtigen Hof zu verlassen, um einem
armen Dorfprediger zu folgen, dessen alt-
fränkische Wohnung -- wer weiß wie man-
che Reformation überlebt hat.

Schon tönte der Wächter seinen letzten
Nachtgesang, in einem tiefen verunglückten
Baß -- hüllte sich in seinen Schafpelz und
beurlaubte sich von der Stadt. Jn gehöri-
ger Entfernung schlichen die Spötter seiner
Aufsicht, die glücklichen Diebe, ihm nach,
weckten den Thorschreiber auf, und erreichten
bald das sichere Gehölze: Und am Horizont
fieng schon der Tag an zu grauen, eh' unser
Verliebter einschlafen konnte. Wie war es
auch möglich? Auf allen Seiten verfolgten ihn
Unruh und Schrecken. Gleich höllischen Ge-
spenstern rasselt' unter ihm mit Ketten der böh-
mische Fuhrmann: doch Gedanken der Liebe
machten noch einen größern Tumult in seinem
zerrütteten Herzen. Aus Mattigkeit fiel er
endlich in die Arme des Schlafs. Doch auch

der

den praͤchtigen Hof zu verlaſſen, um einem
armen Dorfprediger zu folgen, deſſen alt-
fraͤnkiſche Wohnung — wer weiß wie man-
che Reformation uͤberlebt hat.

Schon toͤnte der Waͤchter ſeinen letzten
Nachtgeſang, in einem tiefen verungluͤckten
Baß — huͤllte ſich in ſeinen Schafpelz und
beurlaubte ſich von der Stadt. Jn gehoͤri-
ger Entfernung ſchlichen die Spoͤtter ſeiner
Aufſicht, die gluͤcklichen Diebe, ihm nach,
weckten den Thorſchreiber auf, und erreichten
bald das ſichere Gehoͤlze: Und am Horizont
fieng ſchon der Tag an zu grauen, eh’ unſer
Verliebter einſchlafen konnte. Wie war es
auch moͤglich? Auf allen Seiten verfolgten ihn
Unruh und Schrecken. Gleich hoͤlliſchen Ge-
ſpenſtern raſſelt’ unter ihm mit Ketten der boͤh-
miſche Fuhrmann: doch Gedanken der Liebe
machten noch einen groͤßern Tumult in ſeinem
zerruͤtteten Herzen. Aus Mattigkeit fiel er
endlich in die Arme des Schlafs. Doch auch

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[38/0042] den praͤchtigen Hof zu verlaſſen, um einem armen Dorfprediger zu folgen, deſſen alt- fraͤnkiſche Wohnung — wer weiß wie man- che Reformation uͤberlebt hat. Schon toͤnte der Waͤchter ſeinen letzten Nachtgeſang, in einem tiefen verungluͤckten Baß — huͤllte ſich in ſeinen Schafpelz und beurlaubte ſich von der Stadt. Jn gehoͤri- ger Entfernung ſchlichen die Spoͤtter ſeiner Aufſicht, die gluͤcklichen Diebe, ihm nach, weckten den Thorſchreiber auf, und erreichten bald das ſichere Gehoͤlze: Und am Horizont fieng ſchon der Tag an zu grauen, eh’ unſer Verliebter einſchlafen konnte. Wie war es auch moͤglich? Auf allen Seiten verfolgten ihn Unruh und Schrecken. Gleich hoͤlliſchen Ge- ſpenſtern raſſelt’ unter ihm mit Ketten der boͤh- miſche Fuhrmann: doch Gedanken der Liebe machten noch einen groͤßern Tumult in ſeinem zerruͤtteten Herzen. Aus Mattigkeit fiel er endlich in die Arme des Schlafs. Doch auch der

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/42>, abgerufen am 26.04.2024.