Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

unthätige Leben erwählt, genossen einer feist-
machenden Pension, erzählten immer die große
That ihres Soldatenstandes -- und gönnten
gern ihre lärmende Gegenwart einem jeglichen
Schmause. So lebten einst die Erhalter des
Capitols, die dummen Gänse, von den Wohl-
thaten der dankbaren Römer; ohne Furcht,
geschlachtet zu werden, fraßen sie den ausge-
suchtesten Waizen von Latiums Feldern, für
einen wichtigen Dienst, den eine jede andere
schnatternde Gans mit eben der Treue verrich-
tet hätte. Der flüchtige Mercur und vier
schnaubende Rappen brachten die pygmäische
Figur eines affectirten Kammerjunkers gefah-
ren. Stolz auf einen eingebildeten guten Ge-
schmack, ersetzten seine reichen Kleider den Man-
gel seines Verstandes. Zuversichtlich besah
er heut eine glänzende Weste, die, wie die weis-
se Wamme eines drollichten Eichhörnchens,
unter seinem rothplüschnen Rocke hervorleuch-
tete; und tröstlich dacht' er an die Verdienste

der

unthaͤtige Leben erwaͤhlt, genoſſen einer feiſt-
machenden Penſion, erzaͤhlten immer die große
That ihres Soldatenſtandes — und goͤnnten
gern ihre laͤrmende Gegenwart einem jeglichen
Schmauſe. So lebten einſt die Erhalter des
Capitols, die dummen Gaͤnſe, von den Wohl-
thaten der dankbaren Roͤmer; ohne Furcht,
geſchlachtet zu werden, fraßen ſie den ausge-
ſuchteſten Waizen von Latiums Feldern, fuͤr
einen wichtigen Dienſt, den eine jede andere
ſchnatternde Gans mit eben der Treue verrich-
tet haͤtte. Der fluͤchtige Mercur und vier
ſchnaubende Rappen brachten die pygmaͤiſche
Figur eines affectirten Kammerjunkers gefah-
ren. Stolz auf einen eingebildeten guten Ge-
ſchmack, erſetzten ſeine reichen Kleider den Man-
gel ſeines Verſtandes. Zuverſichtlich beſah
er heut eine glaͤnzende Weſte, die, wie die weiſ-
ſe Wamme eines drollichten Eichhoͤrnchens,
unter ſeinem rothpluͤſchnen Rocke hervorleuch-
tete; und troͤſtlich dacht’ er an die Verdienſte

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="68"/>
untha&#x0364;tige Leben erwa&#x0364;hlt, geno&#x017F;&#x017F;en einer fei&#x017F;t-<lb/>
machenden Pen&#x017F;ion, erza&#x0364;hlten immer die große<lb/>
That ihres Soldaten&#x017F;tandes &#x2014; und go&#x0364;nnten<lb/>
gern ihre la&#x0364;rmende Gegenwart einem jeglichen<lb/>
Schmau&#x017F;e. So lebten ein&#x017F;t die Erhalter des<lb/>
Capitols, die dummen Ga&#x0364;n&#x017F;e, von den Wohl-<lb/>
thaten der dankbaren Ro&#x0364;mer; ohne Furcht,<lb/>
ge&#x017F;chlachtet zu werden, fraßen &#x017F;ie den ausge-<lb/>
&#x017F;uchte&#x017F;ten Waizen von Latiums Feldern, fu&#x0364;r<lb/>
einen wichtigen Dien&#x017F;t, den eine jede andere<lb/>
&#x017F;chnatternde Gans mit eben der Treue verrich-<lb/>
tet ha&#x0364;tte. Der flu&#x0364;chtige Mercur und vier<lb/>
&#x017F;chnaubende Rappen brachten die pygma&#x0364;i&#x017F;che<lb/>
Figur eines affectirten Kammerjunkers gefah-<lb/>
ren. Stolz auf einen eingebildeten guten Ge-<lb/>
&#x017F;chmack, er&#x017F;etzten &#x017F;eine reichen Kleider den Man-<lb/>
gel &#x017F;eines Ver&#x017F;tandes. Zuver&#x017F;ichtlich be&#x017F;ah<lb/>
er heut eine gla&#x0364;nzende We&#x017F;te, die, wie die wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e Wamme eines drollichten Eichho&#x0364;rnchens,<lb/>
unter &#x017F;einem rothplu&#x0364;&#x017F;chnen Rocke hervorleuch-<lb/>
tete; und tro&#x0364;&#x017F;tlich dacht&#x2019; er an die Verdien&#x017F;te<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0072] unthaͤtige Leben erwaͤhlt, genoſſen einer feiſt- machenden Penſion, erzaͤhlten immer die große That ihres Soldatenſtandes — und goͤnnten gern ihre laͤrmende Gegenwart einem jeglichen Schmauſe. So lebten einſt die Erhalter des Capitols, die dummen Gaͤnſe, von den Wohl- thaten der dankbaren Roͤmer; ohne Furcht, geſchlachtet zu werden, fraßen ſie den ausge- ſuchteſten Waizen von Latiums Feldern, fuͤr einen wichtigen Dienſt, den eine jede andere ſchnatternde Gans mit eben der Treue verrich- tet haͤtte. Der fluͤchtige Mercur und vier ſchnaubende Rappen brachten die pygmaͤiſche Figur eines affectirten Kammerjunkers gefah- ren. Stolz auf einen eingebildeten guten Ge- ſchmack, erſetzten ſeine reichen Kleider den Man- gel ſeines Verſtandes. Zuverſichtlich beſah er heut eine glaͤnzende Weſte, die, wie die weiſ- ſe Wamme eines drollichten Eichhoͤrnchens, unter ſeinem rothpluͤſchnen Rocke hervorleuch- tete; und troͤſtlich dacht’ er an die Verdienſte der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/72
Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/72>, abgerufen am 29.04.2024.