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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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der weit kostbarern zurück, die sich noch in sei-
ner Garderobe befanden. Ein paar blitzen-
de Steinschnallen, und eine Dose von Saint-
Martin erschaffen, waren ihm das, was einem
rechtschaffenen Manne ein gutes Gewissen
ist -- sie machten ihn zufrieden mit sich selbst,
und dreust in jeder Gesellschaft. Jtzt lief er
gebückt in die Pfarre hinein; gebückt, als ob
sein kleiner Körper befürchtete, an die altväte-
rische Hausthüre zu stoßen, die gothisches
Schnitzwerk verbrämte. Nun aber kam un-
ter der Anführung einer gefälligen Minerva
ein einzelner vernünftiger Mann gefahren, der
wenig geachtet von den Weisen des Hofs den
Befehlen seines Herzens mit strengem Eigen-
sinne folgte. Nie erniedrigte er sich zu der
Schmeicheley, und nie folgte er der Mode des
Hofes, die das Hauptlaster des Fürsten zu ei-
ner Tugend erhebt, und durch Nachahmung
billigt; Vergebens -- (Konnt' es wohl anders
seyn?) hofft' er in diesem Getümmel ein nahes

Glück,
E 3

der weit koſtbarern zuruͤck, die ſich noch in ſei-
ner Garderobe befanden. Ein paar blitzen-
de Steinſchnallen, und eine Doſe von Saint-
Martin erſchaffen, waren ihm das, was einem
rechtſchaffenen Manne ein gutes Gewiſſen
iſt — ſie machten ihn zufrieden mit ſich ſelbſt,
und dreuſt in jeder Geſellſchaft. Jtzt lief er
gebuͤckt in die Pfarre hinein; gebuͤckt, als ob
ſein kleiner Koͤrper befuͤrchtete, an die altvaͤte-
riſche Hausthuͤre zu ſtoßen, die gothiſches
Schnitzwerk verbraͤmte. Nun aber kam un-
ter der Anfuͤhrung einer gefaͤlligen Minerva
ein einzelner vernuͤnftiger Mann gefahren, der
wenig geachtet von den Weiſen des Hofs den
Befehlen ſeines Herzens mit ſtrengem Eigen-
ſinne folgte. Nie erniedrigte er ſich zu der
Schmeicheley, und nie folgte er der Mode des
Hofes, die das Hauptlaſter des Fuͤrſten zu ei-
ner Tugend erhebt, und durch Nachahmung
billigt; Vergebens — (Konnt’ es wohl anders
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[69/0073] der weit koſtbarern zuruͤck, die ſich noch in ſei- ner Garderobe befanden. Ein paar blitzen- de Steinſchnallen, und eine Doſe von Saint- Martin erſchaffen, waren ihm das, was einem rechtſchaffenen Manne ein gutes Gewiſſen iſt — ſie machten ihn zufrieden mit ſich ſelbſt, und dreuſt in jeder Geſellſchaft. Jtzt lief er gebuͤckt in die Pfarre hinein; gebuͤckt, als ob ſein kleiner Koͤrper befuͤrchtete, an die altvaͤte- riſche Hausthuͤre zu ſtoßen, die gothiſches Schnitzwerk verbraͤmte. Nun aber kam un- ter der Anfuͤhrung einer gefaͤlligen Minerva ein einzelner vernuͤnftiger Mann gefahren, der wenig geachtet von den Weiſen des Hofs den Befehlen ſeines Herzens mit ſtrengem Eigen- ſinne folgte. Nie erniedrigte er ſich zu der Schmeicheley, und nie folgte er der Mode des Hofes, die das Hauptlaſter des Fuͤrſten zu ei- ner Tugend erhebt, und durch Nachahmung billigt; Vergebens — (Konnt’ es wohl anders ſeyn?) hofft’ er in dieſem Getuͤmmel ein nahes Gluͤck, E 3

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/73>, abgerufen am 29.04.2024.