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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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erfüllt, die das Schicksal des armen Dorf-
pfarrn bestimmte. Die vornehme Versamm-
lung begleitete ihn zur vollen Kirche, wo er
durch ein vielbedeutendes Ja! vor der ganzen
Gemeinde gesprochen, von seiner reizenden
Braut alle die mystischen Rechte der Ehe, und
das beschlossene Glück und Unglück seines ge-
fesselten Lebens, mit Freuden empfieng.
Mit zurückhaltender Bescheidenheit, erhielt
auch Sie von seinen Lippen das Blanket der
Liebe, worauf die eigensinnige Zeit ihre
Befehle schreiben wird, die kein Thränen-
guß auslöscht. Ein geheimer Neid saß in
den glatten Stirnen und in den Runzeln
der weiblichen Gemeinde: aber die Män-
ner blickten ihren beweibten Hirten mit lä-
chelndem Mitleid an; denn die Erinne-
rung ihres ehmaligen glücklichen Traums,
der heut' auch über ihrem Pfarrherrn schweb-
te -- und das wache Bewußtseyn ihres
itzigen Schicksals bracht' ein ernsthaftes

Nach-

erfuͤllt, die das Schickſal des armen Dorf-
pfarrn beſtimmte. Die vornehme Verſamm-
lung begleitete ihn zur vollen Kirche, wo er
durch ein vielbedeutendes Ja! vor der ganzen
Gemeinde geſprochen, von ſeiner reizenden
Braut alle die myſtiſchen Rechte der Ehe, und
das beſchloſſene Gluͤck und Ungluͤck ſeines ge-
feſſelten Lebens, mit Freuden empfieng.
Mit zuruͤckhaltender Beſcheidenheit, erhielt
auch Sie von ſeinen Lippen das Blanket der
Liebe, worauf die eigenſinnige Zeit ihre
Befehle ſchreiben wird, die kein Thraͤnen-
guß ausloͤſcht. Ein geheimer Neid ſaß in
den glatten Stirnen und in den Runzeln
der weiblichen Gemeinde: aber die Maͤn-
ner blickten ihren beweibten Hirten mit laͤ-
chelndem Mitleid an; denn die Erinne-
rung ihres ehmaligen gluͤcklichen Traums,
der heut’ auch uͤber ihrem Pfarrherrn ſchweb-
te — und das wache Bewußtſeyn ihres
itzigen Schickſals bracht’ ein ernſthaftes

Nach-
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[75/0079] erfuͤllt, die das Schickſal des armen Dorf- pfarrn beſtimmte. Die vornehme Verſamm- lung begleitete ihn zur vollen Kirche, wo er durch ein vielbedeutendes Ja! vor der ganzen Gemeinde geſprochen, von ſeiner reizenden Braut alle die myſtiſchen Rechte der Ehe, und das beſchloſſene Gluͤck und Ungluͤck ſeines ge- feſſelten Lebens, mit Freuden empfieng. Mit zuruͤckhaltender Beſcheidenheit, erhielt auch Sie von ſeinen Lippen das Blanket der Liebe, worauf die eigenſinnige Zeit ihre Befehle ſchreiben wird, die kein Thraͤnen- guß ausloͤſcht. Ein geheimer Neid ſaß in den glatten Stirnen und in den Runzeln der weiblichen Gemeinde: aber die Maͤn- ner blickten ihren beweibten Hirten mit laͤ- chelndem Mitleid an; denn die Erinne- rung ihres ehmaligen gluͤcklichen Traums, der heut’ auch uͤber ihrem Pfarrherrn ſchweb- te — und das wache Bewußtſeyn ihres itzigen Schickſals bracht’ ein ernſthaftes Nach-

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/79>, abgerufen am 29.04.2024.