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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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Schöne und ihres Vermählten! Wo soll ich
ein Gleichniß hernehmen, ihren Eigensinn und
seine gierige Liebe deutlicher zu machen? Meine
Muse hilft mir -- Hier ist es: So überholt
ein unermüdeter Windhund die abgemattete
Häsinn, wenn er sie von der Seite ihres ver-
liebten Ramlers gestört, und durch Büsche und
Sümpfe verfolgt hat -- und so fällt sie -- die
arme Häsinn, und sieht noch, mit sterbenden
Augen, manchen stattlichen Jäger sich um ihr
Wildpret versammlen -- Einer betrachtet es
noch mit spottenden Minen; ein anderer be-
fühlt es, und da dächte sie, wenn Häsinnen
denken könnten, gewiß: Welch ein trauriges
Verdienst ist es -- schmackhaft zu seyn! Wür-
de wohl mein kurzes Leben, durch hundert Re-
viere gejagt, noch endlich unter dem Biss' eines
dürren Windhundes verfliegen, wenn ich kei-
ne Häsinn wär', und kein besser Fleisch besäß,
als ein Maulwurf.

Ein mathematischer Furier hatt' indeß die

hochzeit-

Schoͤne und ihres Vermaͤhlten! Wo ſoll ich
ein Gleichniß hernehmen, ihren Eigenſinn und
ſeine gierige Liebe deutlicher zu machen? Meine
Muſe hilft mir — Hier iſt es: So uͤberholt
ein unermuͤdeter Windhund die abgemattete
Haͤſinn, wenn er ſie von der Seite ihres ver-
liebten Ramlers geſtoͤrt, und durch Buͤſche und
Suͤmpfe verfolgt hat — und ſo faͤllt ſie — die
arme Haͤſinn, und ſieht noch, mit ſterbenden
Augen, manchen ſtattlichen Jaͤger ſich um ihr
Wildpret verſammlen — Einer betrachtet es
noch mit ſpottenden Minen; ein anderer be-
fuͤhlt es, und da daͤchte ſie, wenn Haͤſinnen
denken koͤnnten, gewiß: Welch ein trauriges
Verdienſt iſt es — ſchmackhaft zu ſeyn! Wuͤr-
de wohl mein kurzes Leben, durch hundert Re-
viere gejagt, noch endlich unter dem Biſſ’ eines
duͤrren Windhundes verfliegen, wenn ich kei-
ne Haͤſinn waͤr’, und kein beſſer Fleiſch beſaͤß,
als ein Maulwurf.

Ein mathematiſcher Furier hatt’ indeß die

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[77/0081] Schoͤne und ihres Vermaͤhlten! Wo ſoll ich ein Gleichniß hernehmen, ihren Eigenſinn und ſeine gierige Liebe deutlicher zu machen? Meine Muſe hilft mir — Hier iſt es: So uͤberholt ein unermuͤdeter Windhund die abgemattete Haͤſinn, wenn er ſie von der Seite ihres ver- liebten Ramlers geſtoͤrt, und durch Buͤſche und Suͤmpfe verfolgt hat — und ſo faͤllt ſie — die arme Haͤſinn, und ſieht noch, mit ſterbenden Augen, manchen ſtattlichen Jaͤger ſich um ihr Wildpret verſammlen — Einer betrachtet es noch mit ſpottenden Minen; ein anderer be- fuͤhlt es, und da daͤchte ſie, wenn Haͤſinnen denken koͤnnten, gewiß: Welch ein trauriges Verdienſt iſt es — ſchmackhaft zu ſeyn! Wuͤr- de wohl mein kurzes Leben, durch hundert Re- viere gejagt, noch endlich unter dem Biſſ’ eines duͤrren Windhundes verfliegen, wenn ich kei- ne Haͤſinn waͤr’, und kein beſſer Fleiſch beſaͤß, als ein Maulwurf. Ein mathematiſcher Furier hatt’ indeß die hochzeit-

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/81>, abgerufen am 29.04.2024.