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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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ausgestandenes Leiden vergessen. So über-
schickt' einst der große Agamemnon seine Chri-
seis dem belorberten Priester des Apoll, die
der königliche Liebhaber der väterlichen Sehn-
sucht lange Zeit vorenthielt. Prächtige Ge-
schenke, und eine Hekatombe mußten den Alten
trösten, und seinen Gott versöhnen, und in ho-
hen Tönen besang der Dichter der Jlias diese
Geschichte, wie ich itzt die Hochzeit eines Ma-
gisters besinge:

Der Schmaus gieng an! Ein köstliches Ge-
richt verdrängte das andere, und Bachus und
Ceres tanzten um den Tisch her. Der frey-
müthige Scherz, die feine Spötterey, und das
fröhliche Lächeln, vertrieben unbemerkt die tau-
melnden Stunden des Nachmittags, und der
Geist der Comtesse und des Champagners
durchbrauste die fühlbaren Herzen der Gäste.
Alles war munter und fröhlichen Muths. Nur
der Magister und der Hofnarr -- immer ihres
Amtes eingedenk, saßen unruhig an der frohen

Tafel

ausgeſtandenes Leiden vergeſſen. So uͤber-
ſchickt’ einſt der große Agamemnon ſeine Chri-
ſeis dem belorberten Prieſter des Apoll, die
der koͤnigliche Liebhaber der vaͤterlichen Sehn-
ſucht lange Zeit vorenthielt. Praͤchtige Ge-
ſchenke, und eine Hekatombe mußten den Alten
troͤſten, und ſeinen Gott verſoͤhnen, und in ho-
hen Toͤnen beſang der Dichter der Jlias dieſe
Geſchichte, wie ich itzt die Hochzeit eines Ma-
giſters beſinge:

Der Schmaus gieng an! Ein koͤſtliches Ge-
richt verdraͤngte das andere, und Bachus und
Ceres tanzten um den Tiſch her. Der frey-
muͤthige Scherz, die feine Spoͤtterey, und das
froͤhliche Laͤcheln, vertrieben unbemerkt die tau-
melnden Stunden des Nachmittags, und der
Geiſt der Comteſſe und des Champagners
durchbrauſte die fuͤhlbaren Herzen der Gaͤſte.
Alles war munter und froͤhlichen Muths. Nur
der Magiſter und der Hofnarr — immer ihres
Amtes eingedenk, ſaßen unruhig an der frohen

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[79/0083] ausgeſtandenes Leiden vergeſſen. So uͤber- ſchickt’ einſt der große Agamemnon ſeine Chri- ſeis dem belorberten Prieſter des Apoll, die der koͤnigliche Liebhaber der vaͤterlichen Sehn- ſucht lange Zeit vorenthielt. Praͤchtige Ge- ſchenke, und eine Hekatombe mußten den Alten troͤſten, und ſeinen Gott verſoͤhnen, und in ho- hen Toͤnen beſang der Dichter der Jlias dieſe Geſchichte, wie ich itzt die Hochzeit eines Ma- giſters beſinge: Der Schmaus gieng an! Ein koͤſtliches Ge- richt verdraͤngte das andere, und Bachus und Ceres tanzten um den Tiſch her. Der frey- muͤthige Scherz, die feine Spoͤtterey, und das froͤhliche Laͤcheln, vertrieben unbemerkt die tau- melnden Stunden des Nachmittags, und der Geiſt der Comteſſe und des Champagners durchbrauſte die fuͤhlbaren Herzen der Gaͤſte. Alles war munter und froͤhlichen Muths. Nur der Magiſter und der Hofnarr — immer ihres Amtes eingedenk, ſaßen unruhig an der frohen Tafel

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/83>, abgerufen am 29.04.2024.