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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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Ahndung, der Magister ein schneeweisses Herz,
worein eine witzige 3 geätzt war. Bedächt-
lich öfnet' er es, und fand diese wenigen Wor-
te: Jch liebe einen um den andern -- Wer
hätt' es diesem falschen Herzen ansehen sollen,
rief er voller Verwunderung, und klebte müh-
sam die beiden Hälften wieder zusammen.
Alle noch übrige Devisen wurden von den
beiden Kammerherren und dem Hofnarren
zerknickt, die ganz still die noch verborgenen
Schätze des Witzes für sich einsammelten, wie
der Geizhals das wohlfeile Korn auf die
theuren Zeiten der Zukunft.

Die verdriesliche Langeweile fieng wieder
an, den angenehmen Lärm der Gesellschaft zu
unterdrücken, als der schlaue Hofmarschal es
zeitig bemerkte, und ein frohmachendes Hoch-
zeitgeschenk aus seiner Tasche hervorzog. Er
wickelt' es aus dem umhüllten Papier, und
ermunterte die übrigen Gäste, seinem Beispie-

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Ahndung, der Magiſter ein ſchneeweiſſes Herz,
worein eine witzige 3 geaͤtzt war. Bedaͤcht-
lich oͤfnet’ er es, und fand dieſe wenigen Wor-
te: Jch liebe einen um den andern — Wer
haͤtt’ es dieſem falſchen Herzen anſehen ſollen,
rief er voller Verwunderung, und klebte muͤh-
ſam die beiden Haͤlften wieder zuſammen.
Alle noch uͤbrige Deviſen wurden von den
beiden Kammerherren und dem Hofnarren
zerknickt, die ganz ſtill die noch verborgenen
Schaͤtze des Witzes fuͤr ſich einſammelten, wie
der Geizhals das wohlfeile Korn auf die
theuren Zeiten der Zukunft.

Die verdriesliche Langeweile fieng wieder
an, den angenehmen Laͤrm der Geſellſchaft zu
unterdruͤcken, als der ſchlaue Hofmarſchal es
zeitig bemerkte, und ein frohmachendes Hoch-
zeitgeſchenk aus ſeiner Taſche hervorzog. Er
wickelt’ es aus dem umhuͤllten Papier, und
ermunterte die uͤbrigen Gaͤſte, ſeinem Beiſpie-

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[83/0087] Ahndung, der Magiſter ein ſchneeweiſſes Herz, worein eine witzige 3 geaͤtzt war. Bedaͤcht- lich oͤfnet’ er es, und fand dieſe wenigen Wor- te: Jch liebe einen um den andern — Wer haͤtt’ es dieſem falſchen Herzen anſehen ſollen, rief er voller Verwunderung, und klebte muͤh- ſam die beiden Haͤlften wieder zuſammen. Alle noch uͤbrige Deviſen wurden von den beiden Kammerherren und dem Hofnarren zerknickt, die ganz ſtill die noch verborgenen Schaͤtze des Witzes fuͤr ſich einſammelten, wie der Geizhals das wohlfeile Korn auf die theuren Zeiten der Zukunft. Die verdriesliche Langeweile fieng wieder an, den angenehmen Laͤrm der Geſellſchaft zu unterdruͤcken, als der ſchlaue Hofmarſchal es zeitig bemerkte, und ein frohmachendes Hoch- zeitgeſchenk aus ſeiner Taſche hervorzog. Er wickelt’ es aus dem umhuͤllten Papier, und ermunterte die uͤbrigen Gaͤſte, ſeinem Beiſpie- le F 2

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/87>, abgerufen am 29.04.2024.