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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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le zu folgen. Ungezwungen stellt' er sich hin-
ter den Stuhl der angenehmen Braut, und
hieng ihr ein demantenes Kreuz um, das an
einem schwarzmoornen Bande zwischen dem
schönen Busen hinunter rollte -- O was für
ein Bewußtseyn durchströmt' itzt die blutvol-
len Wangen der Schöne! Mit ungewisser
Stimme dankte sie dem galanten Herrn.
Lange konte sie nicht ihre widerstrebende Au-
gen in die Höhe schlagen, und die unzeitige
Schaam brachte sie in eine kleine Verwirrung.
Ein solches Gefühl durchdringt oft die treu-
lose Brust eines Hofmannes, wenn sie nun
zum erstenmale unter dem gnädigst ertheilten
Ordenssterne klopfet. Furchtsam glaubt' er,
die Gemahlin des Fürsten möchte das Ver-
dienst errathen, das ihm dies Ehrenzeichen er-
warb. Selbst denen ihm unbekanten laconi-
schen Worten des Sterns trauet er nicht, und
er wird es nicht eher wagen, sich unter seine
Neider zu brüsten, bis ihm sein trostreicher

Schrei-

le zu folgen. Ungezwungen ſtellt’ er ſich hin-
ter den Stuhl der angenehmen Braut, und
hieng ihr ein demantenes Kreuz um, das an
einem ſchwarzmoornen Bande zwiſchen dem
ſchoͤnen Buſen hinunter rollte — O was fuͤr
ein Bewußtſeyn durchſtroͤmt’ itzt die blutvol-
len Wangen der Schoͤne! Mit ungewiſſer
Stimme dankte ſie dem galanten Herrn.
Lange konte ſie nicht ihre widerſtrebende Au-
gen in die Hoͤhe ſchlagen, und die unzeitige
Schaam brachte ſie in eine kleine Verwirrung.
Ein ſolches Gefuͤhl durchdringt oft die treu-
loſe Bruſt eines Hofmannes, wenn ſie nun
zum erſtenmale unter dem gnaͤdigſt ertheilten
Ordensſterne klopfet. Furchtſam glaubt’ er,
die Gemahlin des Fuͤrſten moͤchte das Ver-
dienſt errathen, das ihm dies Ehrenzeichen er-
warb. Selbſt denen ihm unbekanten laconi-
ſchen Worten des Sterns trauet er nicht, und
er wird es nicht eher wagen, ſich unter ſeine
Neider zu bruͤſten, bis ihm ſein troſtreicher

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[84/0088] le zu folgen. Ungezwungen ſtellt’ er ſich hin- ter den Stuhl der angenehmen Braut, und hieng ihr ein demantenes Kreuz um, das an einem ſchwarzmoornen Bande zwiſchen dem ſchoͤnen Buſen hinunter rollte — O was fuͤr ein Bewußtſeyn durchſtroͤmt’ itzt die blutvol- len Wangen der Schoͤne! Mit ungewiſſer Stimme dankte ſie dem galanten Herrn. Lange konte ſie nicht ihre widerſtrebende Au- gen in die Hoͤhe ſchlagen, und die unzeitige Schaam brachte ſie in eine kleine Verwirrung. Ein ſolches Gefuͤhl durchdringt oft die treu- loſe Bruſt eines Hofmannes, wenn ſie nun zum erſtenmale unter dem gnaͤdigſt ertheilten Ordensſterne klopfet. Furchtſam glaubt’ er, die Gemahlin des Fuͤrſten moͤchte das Ver- dienſt errathen, das ihm dies Ehrenzeichen er- warb. Selbſt denen ihm unbekanten laconi- ſchen Worten des Sterns trauet er nicht, und er wird es nicht eher wagen, ſich unter ſeine Neider zu bruͤſten, bis ihm ſein troſtreicher Schrei-

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/88>, abgerufen am 29.04.2024.