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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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schehen -- Amor schüttelte seine Flügel und
floh, und stelte sich auf die knarrende Fahne
des Kirchthurms. Hier stund er, wie Nero,
als er mit grausamer Wollust seine Residenz
brennen sah, und freute sich seines gelunge-
nen Anschlags, und erwartete den erschreckli-
chen Ausgang -- Und nun -- o Muse! hilf mir
das Getümmel beschreiben, das in dem Hause
des Magisters entstund, als die gräßliche feuer-
schreiende Stimme sich über das aufgeschreckte
Dorf ausbreitete! Das hohle furchtbare Ge-
töne der stürmenden Glocken, die ein angstvoller
Cantor unermüdet läutete -- verkündigten
den verzagten Matronen ihren Untergang,
und das Geschrey der Kinder, und das Po-
chen der Nachbarn und das Bellen der Hun-
de, machten die finstere unglückliche Nacht
noch schrecklicher. Von dem stummen Entse-
tzen geführt, kam die verlorne Nüchternheit
itzt wieder in die Versamlung der Hochzeit-

gäste

ſchehen — Amor ſchuͤttelte ſeine Fluͤgel und
floh, und ſtelte ſich auf die knarrende Fahne
des Kirchthurms. Hier ſtund er, wie Nero,
als er mit grauſamer Wolluſt ſeine Reſidenz
brennen ſah, und freute ſich ſeines gelunge-
nen Anſchlags, und erwartete den erſchreckli-
chen Ausgang — Und nun — o Muſe! hilf mir
das Getuͤmmel beſchreiben, das in dem Hauſe
des Magiſters entſtund, als die graͤßliche feuer-
ſchreiende Stimme ſich uͤber das aufgeſchreckte
Dorf ausbreitete! Das hohle furchtbare Ge-
toͤne der ſtuͤrmenden Glocken, die ein angſtvoller
Cantor unermuͤdet laͤutete — verkuͤndigten
den verzagten Matronen ihren Untergang,
und das Geſchrey der Kinder, und das Po-
chen der Nachbarn und das Bellen der Hun-
de, machten die finſtere ungluͤckliche Nacht
noch ſchrecklicher. Von dem ſtummen Entſe-
tzen gefuͤhrt, kam die verlorne Nuͤchternheit
itzt wieder in die Verſamlung der Hochzeit-

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[91/0095] ſchehen — Amor ſchuͤttelte ſeine Fluͤgel und floh, und ſtelte ſich auf die knarrende Fahne des Kirchthurms. Hier ſtund er, wie Nero, als er mit grauſamer Wolluſt ſeine Reſidenz brennen ſah, und freute ſich ſeines gelunge- nen Anſchlags, und erwartete den erſchreckli- chen Ausgang — Und nun — o Muſe! hilf mir das Getuͤmmel beſchreiben, das in dem Hauſe des Magiſters entſtund, als die graͤßliche feuer- ſchreiende Stimme ſich uͤber das aufgeſchreckte Dorf ausbreitete! Das hohle furchtbare Ge- toͤne der ſtuͤrmenden Glocken, die ein angſtvoller Cantor unermuͤdet laͤutete — verkuͤndigten den verzagten Matronen ihren Untergang, und das Geſchrey der Kinder, und das Po- chen der Nachbarn und das Bellen der Hun- de, machten die finſtere ungluͤckliche Nacht noch ſchrecklicher. Von dem ſtummen Entſe- tzen gefuͤhrt, kam die verlorne Nuͤchternheit itzt wieder in die Verſamlung der Hochzeit- gaͤſte

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/95>, abgerufen am 29.04.2024.