Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Getreide sinkt wieder bis zu seinem vorigen Mittelpreise
herunter.

Bei diesem Mittelpreise kann aber der Ackerbau, nach-
dem derselbe mit einer Abgabe belastet ist, nicht mehr in
der bisherigen Ausdehnung betrieben werden, und es tre-
ten nun alle im vorigen §. angeführten Wirkungen der Ab-
gabe ein, als Verengung der kultivirten Ebene, Auswan-
derung der Bewohner des verlassenen Distrikts und der
Stadtbewohner, die für diesen Distrikt arbeiteten.

Wenn der Staat im beharrenden Zustande ist, und
alle Verhältnisse im Gleichgewicht sind, so fällt der Preis,
den die Konsumenten zahlen können, mit dem Preise, wo-
zu die entferntesten Produzenten das Getreide liefern kön-
nen, genau zusammen, und wir haben deshalb in dem
ersten Abschnitt dieser Schrift diesen zwiefachen Bestim-
mungsgrund des Getreidepreises nicht zu berücksichtigen
brauchen. So bald aber durch Einführung von Abgaben
oder durch andere Einwirkungen der Staatsgewalt das
bisherige Gleichgewicht gestört wird, entfernen sich auch
die beiden bestimmenden Ursachen von einander.

Der Preis, den die Konsumenten zahlen können, steht
dann entweder unter oder über dem Preise, wozu der
entfernteste Produzent das Korn liefern kann. Da erste-
rer auf keine Weise erhöhet werden kann -- wenn, wie
hier vorausgesetzt wird, keine neue Erwerbsquellen eröff-
net werden -- so wird letzterer, im Fall er höher ist, sin-
ken müßen, bis er wieder mit dem erstern zusammenfällt;
und dies geschieht dadurch, daß die Kultur sich von dem
Boden, der bei diesem Preise nicht bebauet werden kann,
zurückzieht, und sich auf den Boden beschränkt, der auch
bei diesem Preise die Abgabe tragen kann. Kann aber,
im entgegengesetzten Fall, das Volk einen höhern Preis
für das Getreide, als den wozu es geliefert werden kann,
zahlen: so wird zwar anfangs dieser Lieferungspreis nor-

Getreide ſinkt wieder bis zu ſeinem vorigen Mittelpreiſe
herunter.

Bei dieſem Mittelpreiſe kann aber der Ackerbau, nach-
dem derſelbe mit einer Abgabe belaſtet iſt, nicht mehr in
der bisherigen Ausdehnung betrieben werden, und es tre-
ten nun alle im vorigen §. angefuͤhrten Wirkungen der Ab-
gabe ein, als Verengung der kultivirten Ebene, Auswan-
derung der Bewohner des verlaſſenen Diſtrikts und der
Stadtbewohner, die fuͤr dieſen Diſtrikt arbeiteten.

Wenn der Staat im beharrenden Zuſtande iſt, und
alle Verhaͤltniſſe im Gleichgewicht ſind, ſo faͤllt der Preis,
den die Konſumenten zahlen koͤnnen, mit dem Preiſe, wo-
zu die entfernteſten Produzenten das Getreide liefern koͤn-
nen, genau zuſammen, und wir haben deshalb in dem
erſten Abſchnitt dieſer Schrift dieſen zwiefachen Beſtim-
mungsgrund des Getreidepreiſes nicht zu beruͤckſichtigen
brauchen. So bald aber durch Einfuͤhrung von Abgaben
oder durch andere Einwirkungen der Staatsgewalt das
bisherige Gleichgewicht geſtoͤrt wird, entfernen ſich auch
die beiden beſtimmenden Urſachen von einander.

Der Preis, den die Konſumenten zahlen koͤnnen, ſteht
dann entweder unter oder uͤber dem Preiſe, wozu der
entfernteſte Produzent das Korn liefern kann. Da erſte-
rer auf keine Weiſe erhoͤhet werden kann — wenn, wie
hier vorausgeſetzt wird, keine neue Erwerbsquellen eroͤff-
net werden — ſo wird letzterer, im Fall er hoͤher iſt, ſin-
ken muͤßen, bis er wieder mit dem erſtern zuſammenfaͤllt;
und dies geſchieht dadurch, daß die Kultur ſich von dem
Boden, der bei dieſem Preiſe nicht bebauet werden kann,
zuruͤckzieht, und ſich auf den Boden beſchraͤnkt, der auch
bei dieſem Preiſe die Abgabe tragen kann. Kann aber,
im entgegengeſetzten Fall, das Volk einen hoͤhern Preis
fuͤr das Getreide, als den wozu es geliefert werden kann,
zahlen: ſo wird zwar anfangs dieſer Lieferungspreis nor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0280" n="266"/>
Getreide &#x017F;inkt wieder bis zu &#x017F;einem vorigen Mittelprei&#x017F;e<lb/>
herunter.</p><lb/>
          <p>Bei die&#x017F;em Mittelprei&#x017F;e kann aber der Ackerbau, nach-<lb/>
dem der&#x017F;elbe mit einer Abgabe bela&#x017F;tet i&#x017F;t, nicht mehr in<lb/>
der bisherigen Ausdehnung betrieben werden, und es tre-<lb/>
ten nun alle im vorigen §. angefu&#x0364;hrten Wirkungen der Ab-<lb/>
gabe ein, als Verengung der kultivirten Ebene, Auswan-<lb/>
derung der Bewohner des verla&#x017F;&#x017F;enen Di&#x017F;trikts und der<lb/>
Stadtbewohner, die fu&#x0364;r die&#x017F;en Di&#x017F;trikt arbeiteten.</p><lb/>
          <p>Wenn der Staat im beharrenden Zu&#x017F;tande i&#x017F;t, und<lb/>
alle Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e im Gleichgewicht &#x017F;ind, &#x017F;o fa&#x0364;llt der Preis,<lb/>
den die Kon&#x017F;umenten zahlen ko&#x0364;nnen, mit dem Prei&#x017F;e, wo-<lb/>
zu die entfernte&#x017F;ten Produzenten das Getreide liefern ko&#x0364;n-<lb/>
nen, genau zu&#x017F;ammen, und wir haben deshalb in dem<lb/>
er&#x017F;ten Ab&#x017F;chnitt die&#x017F;er Schrift die&#x017F;en zwiefachen Be&#x017F;tim-<lb/>
mungsgrund des Getreideprei&#x017F;es nicht zu beru&#x0364;ck&#x017F;ichtigen<lb/>
brauchen. So bald aber durch Einfu&#x0364;hrung von Abgaben<lb/>
oder durch andere Einwirkungen der Staatsgewalt das<lb/>
bisherige Gleichgewicht ge&#x017F;to&#x0364;rt wird, entfernen &#x017F;ich auch<lb/>
die beiden be&#x017F;timmenden Ur&#x017F;achen von einander.</p><lb/>
          <p>Der Preis, den die Kon&#x017F;umenten zahlen ko&#x0364;nnen, &#x017F;teht<lb/>
dann entweder unter oder u&#x0364;ber dem Prei&#x017F;e, wozu der<lb/>
entfernte&#x017F;te Produzent das Korn liefern kann. Da er&#x017F;te-<lb/>
rer auf keine Wei&#x017F;e erho&#x0364;het werden kann &#x2014; wenn, wie<lb/>
hier vorausge&#x017F;etzt wird, keine neue Erwerbsquellen ero&#x0364;ff-<lb/>
net werden &#x2014; &#x017F;o wird letzterer, im Fall er ho&#x0364;her i&#x017F;t, &#x017F;in-<lb/>
ken mu&#x0364;ßen, bis er wieder mit dem er&#x017F;tern zu&#x017F;ammenfa&#x0364;llt;<lb/>
und dies ge&#x017F;chieht dadurch, daß die Kultur &#x017F;ich von dem<lb/>
Boden, der bei die&#x017F;em Prei&#x017F;e nicht bebauet werden kann,<lb/>
zuru&#x0364;ckzieht, und &#x017F;ich auf den Boden be&#x017F;chra&#x0364;nkt, der auch<lb/>
bei die&#x017F;em Prei&#x017F;e die Abgabe tragen kann. Kann aber,<lb/>
im entgegenge&#x017F;etzten Fall, das Volk einen ho&#x0364;hern Preis<lb/>
fu&#x0364;r das Getreide, als den wozu es geliefert werden kann,<lb/>
zahlen: &#x017F;o wird zwar anfangs die&#x017F;er Lieferungspreis nor-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0280] Getreide ſinkt wieder bis zu ſeinem vorigen Mittelpreiſe herunter. Bei dieſem Mittelpreiſe kann aber der Ackerbau, nach- dem derſelbe mit einer Abgabe belaſtet iſt, nicht mehr in der bisherigen Ausdehnung betrieben werden, und es tre- ten nun alle im vorigen §. angefuͤhrten Wirkungen der Ab- gabe ein, als Verengung der kultivirten Ebene, Auswan- derung der Bewohner des verlaſſenen Diſtrikts und der Stadtbewohner, die fuͤr dieſen Diſtrikt arbeiteten. Wenn der Staat im beharrenden Zuſtande iſt, und alle Verhaͤltniſſe im Gleichgewicht ſind, ſo faͤllt der Preis, den die Konſumenten zahlen koͤnnen, mit dem Preiſe, wo- zu die entfernteſten Produzenten das Getreide liefern koͤn- nen, genau zuſammen, und wir haben deshalb in dem erſten Abſchnitt dieſer Schrift dieſen zwiefachen Beſtim- mungsgrund des Getreidepreiſes nicht zu beruͤckſichtigen brauchen. So bald aber durch Einfuͤhrung von Abgaben oder durch andere Einwirkungen der Staatsgewalt das bisherige Gleichgewicht geſtoͤrt wird, entfernen ſich auch die beiden beſtimmenden Urſachen von einander. Der Preis, den die Konſumenten zahlen koͤnnen, ſteht dann entweder unter oder uͤber dem Preiſe, wozu der entfernteſte Produzent das Korn liefern kann. Da erſte- rer auf keine Weiſe erhoͤhet werden kann — wenn, wie hier vorausgeſetzt wird, keine neue Erwerbsquellen eroͤff- net werden — ſo wird letzterer, im Fall er hoͤher iſt, ſin- ken muͤßen, bis er wieder mit dem erſtern zuſammenfaͤllt; und dies geſchieht dadurch, daß die Kultur ſich von dem Boden, der bei dieſem Preiſe nicht bebauet werden kann, zuruͤckzieht, und ſich auf den Boden beſchraͤnkt, der auch bei dieſem Preiſe die Abgabe tragen kann. Kann aber, im entgegengeſetzten Fall, das Volk einen hoͤhern Preis fuͤr das Getreide, als den wozu es geliefert werden kann, zahlen: ſo wird zwar anfangs dieſer Lieferungspreis nor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/280
Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/280>, abgerufen am 13.05.2024.