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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Liebe umfangen, so erregt doch der Gedanke
nach seinem Tode, er war und ist nicht mehr,
einen bangen Schauder in unsrer Seele, eine
seltsame trübe Empfindung, die unser Herz zu-
sammenzieht.

Doch, genug davon, so viel ich Dir auch
noch über dieses Thema sagen könnte, nur hat
mir dieser Tod auf einige Wochen alle Freuden
verbittert. Ich hätte gegen Fragmore von Ju-
gend auf dankbarer seyn können, erst itzt fallen
mir die mannichfaltigen Beweise seiner Liebe
gegen mich ein, ich nahm seine mürrische Laune
stets von einer zu ernsthaften Seite, mit einer
kindischen Empfindlichkeit sucht' ich oft mühsam
manchen seiner Aeusserungen die schlimmste Be-
deutung zu geben: -- ach Karl, der Mensch ist
ein schwaches Geschöpf, wie manche Streiche
spielt ihm seine Eitelkeit und seine Selbstliebe,
trotz allen philosophischen Vorsätzen! --

Meine und Fragmore's Verwandten scheinen
durch meine Ankunft in eine Art von Schrecken
versetzt, wir stehn auf einem fast freundschaftli-
chen Fuße miteinander, und da er ihnen gewiß
Legate ausgesetzt hat, so hoff' ich, daß sich bei

Liebe umfangen, ſo erregt doch der Gedanke
nach ſeinem Tode, er war und iſt nicht mehr,
einen bangen Schauder in unſrer Seele, eine
ſeltſame truͤbe Empfindung, die unſer Herz zu-
ſammenzieht.

Doch, genug davon, ſo viel ich Dir auch
noch uͤber dieſes Thema ſagen koͤnnte, nur hat
mir dieſer Tod auf einige Wochen alle Freuden
verbittert. Ich haͤtte gegen Fragmore von Ju-
gend auf dankbarer ſeyn koͤnnen, erſt itzt fallen
mir die mannichfaltigen Beweiſe ſeiner Liebe
gegen mich ein, ich nahm ſeine muͤrriſche Laune
ſtets von einer zu ernſthaften Seite, mit einer
kindiſchen Empfindlichkeit ſucht’ ich oft muͤhſam
manchen ſeiner Aeuſſerungen die ſchlimmſte Be-
deutung zu geben: — ach Karl, der Menſch iſt
ein ſchwaches Geſchoͤpf, wie manche Streiche
ſpielt ihm ſeine Eitelkeit und ſeine Selbſtliebe,
trotz allen philoſophiſchen Vorſaͤtzen! —

Meine und Fragmore’s Verwandten ſcheinen
durch meine Ankunft in eine Art von Schrecken
verſetzt, wir ſtehn auf einem faſt freundſchaftli-
chen Fuße miteinander, und da er ihnen gewiß
Legate ausgeſetzt hat, ſo hoff’ ich, daß ſich bei

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[196[194]/0204] Liebe umfangen, ſo erregt doch der Gedanke nach ſeinem Tode, er war und iſt nicht mehr, einen bangen Schauder in unſrer Seele, eine ſeltſame truͤbe Empfindung, die unſer Herz zu- ſammenzieht. Doch, genug davon, ſo viel ich Dir auch noch uͤber dieſes Thema ſagen koͤnnte, nur hat mir dieſer Tod auf einige Wochen alle Freuden verbittert. Ich haͤtte gegen Fragmore von Ju- gend auf dankbarer ſeyn koͤnnen, erſt itzt fallen mir die mannichfaltigen Beweiſe ſeiner Liebe gegen mich ein, ich nahm ſeine muͤrriſche Laune ſtets von einer zu ernſthaften Seite, mit einer kindiſchen Empfindlichkeit ſucht’ ich oft muͤhſam manchen ſeiner Aeuſſerungen die ſchlimmſte Be- deutung zu geben: — ach Karl, der Menſch iſt ein ſchwaches Geſchoͤpf, wie manche Streiche ſpielt ihm ſeine Eitelkeit und ſeine Selbſtliebe, trotz allen philoſophiſchen Vorſaͤtzen! — Meine und Fragmore’s Verwandten ſcheinen durch meine Ankunft in eine Art von Schrecken verſetzt, wir ſtehn auf einem faſt freundſchaftli- chen Fuße miteinander, und da er ihnen gewiß Legate ausgeſetzt hat, ſo hoff’ ich, daß ſich bei

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 196[194]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/204>, abgerufen am 26.04.2024.