Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir wollen also ganz davon abbrechen, er-
warte keine Entschuldigungen, denn ich habe
keine, ich kann Dich auch nicht um Verzeihung
bitten, denn ich weiß, Du hast es nicht übel
genommen; nur soviel will ich Dir zur Entschä-
digung
sagen, daß diese Trägheit mit zu je-
nen Eigenschaften gehört, die ich mir mit der
Zeit abgewöhnen will.

Deine Muthmaßung ist übrigens nicht ganz
unrichtig, daß ich, wenn Du es durchaus so
nennen willst, ernsthafter geworden bin. Mit
Dir verließ uns der Geist unsrer lustigen Ge-
sellschaften, und man darf nur etwas aufrichtig
gegen sich selbst seyn, so liegt so etwas Ober-
flächliches in dieser sogenannten genußreichen
Art zu leben, eine Nüchternheit, in der ich mir
oft die Langeweile des Tantalus recht lebhaft
habe denken können. -- Ich habe mich itzt dar-
um aus dieser Gesellschaft mehr zurückgezogen,
ich bin mehr allein und -- Du wirst vielleicht
lachen, -- ich habe oft wieder angefangen zu
studiren und mich dessen zu erinnern, was ich
auf meinen Reisen gelernt habe.

Halte mich aber nicht für einen so schwa-
chen Menschen, der aus einer Anwandlung von

Wir wollen alſo ganz davon abbrechen, er-
warte keine Entſchuldigungen, denn ich habe
keine, ich kann Dich auch nicht um Verzeihung
bitten, denn ich weiß, Du haſt es nicht uͤbel
genommen; nur ſoviel will ich Dir zur Entſchaͤ-
digung
ſagen, daß dieſe Traͤgheit mit zu je-
nen Eigenſchaften gehoͤrt, die ich mir mit der
Zeit abgewoͤhnen will.

Deine Muthmaßung iſt uͤbrigens nicht ganz
unrichtig, daß ich, wenn Du es durchaus ſo
nennen willſt, ernſthafter geworden bin. Mit
Dir verließ uns der Geiſt unſrer luſtigen Ge-
ſellſchaften, und man darf nur etwas aufrichtig
gegen ſich ſelbſt ſeyn, ſo liegt ſo etwas Ober-
flaͤchliches in dieſer ſogenannten genußreichen
Art zu leben, eine Nuͤchternheit, in der ich mir
oft die Langeweile des Tantalus recht lebhaft
habe denken koͤnnen. — Ich habe mich itzt dar-
um aus dieſer Geſellſchaft mehr zuruͤckgezogen,
ich bin mehr allein und — Du wirſt vielleicht
lachen, — ich habe oft wieder angefangen zu
ſtudiren und mich deſſen zu erinnern, was ich
auf meinen Reiſen gelernt habe.

Halte mich aber nicht fuͤr einen ſo ſchwa-
chen Menſchen, der aus einer Anwandlung von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0055" n="47[45]"/>
          <p>Wir wollen al&#x017F;o ganz davon abbrechen, er-<lb/>
warte keine Ent&#x017F;chuldigungen, denn ich habe<lb/>
keine, ich kann Dich auch nicht um Verzeihung<lb/>
bitten, denn ich weiß, Du ha&#x017F;t es nicht u&#x0364;bel<lb/>
genommen; nur &#x017F;oviel will ich Dir zur <choice><sic>Ent&#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;digung</sic><corr>Ent&#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
digung</corr></choice> &#x017F;agen, daß die&#x017F;e Tra&#x0364;gheit mit zu je-<lb/>
nen Eigen&#x017F;chaften geho&#x0364;rt, die ich mir mit der<lb/>
Zeit abgewo&#x0364;hnen will.</p><lb/>
          <p>Deine Muthmaßung i&#x017F;t u&#x0364;brigens nicht ganz<lb/>
unrichtig, daß ich, wenn Du es durchaus &#x017F;o<lb/>
nennen will&#x017F;t, <hi rendition="#g">ern&#x017F;thafter</hi> geworden bin. Mit<lb/>
Dir verließ uns der Gei&#x017F;t un&#x017F;rer lu&#x017F;tigen Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaften, und man darf nur etwas aufrichtig<lb/>
gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eyn, &#x017F;o liegt &#x017F;o etwas Ober-<lb/>
fla&#x0364;chliches in die&#x017F;er &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">genußreichen</hi><lb/>
Art zu leben, eine Nu&#x0364;chternheit, in der ich mir<lb/>
oft die Langeweile des Tantalus recht lebhaft<lb/>
habe denken ko&#x0364;nnen. &#x2014; Ich habe mich itzt dar-<lb/>
um aus die&#x017F;er Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mehr zuru&#x0364;ckgezogen,<lb/>
ich bin mehr allein und &#x2014; Du wir&#x017F;t vielleicht<lb/>
lachen, &#x2014; ich habe oft wieder angefangen zu<lb/>
&#x017F;tudiren und mich de&#x017F;&#x017F;en zu erinnern, was ich<lb/>
auf meinen Rei&#x017F;en gelernt habe.</p><lb/>
          <p>Halte mich aber nicht fu&#x0364;r einen &#x017F;o &#x017F;chwa-<lb/>
chen Men&#x017F;chen, der aus einer Anwandlung von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47[45]/0055] Wir wollen alſo ganz davon abbrechen, er- warte keine Entſchuldigungen, denn ich habe keine, ich kann Dich auch nicht um Verzeihung bitten, denn ich weiß, Du haſt es nicht uͤbel genommen; nur ſoviel will ich Dir zur Entſchaͤ- digung ſagen, daß dieſe Traͤgheit mit zu je- nen Eigenſchaften gehoͤrt, die ich mir mit der Zeit abgewoͤhnen will. Deine Muthmaßung iſt uͤbrigens nicht ganz unrichtig, daß ich, wenn Du es durchaus ſo nennen willſt, ernſthafter geworden bin. Mit Dir verließ uns der Geiſt unſrer luſtigen Ge- ſellſchaften, und man darf nur etwas aufrichtig gegen ſich ſelbſt ſeyn, ſo liegt ſo etwas Ober- flaͤchliches in dieſer ſogenannten genußreichen Art zu leben, eine Nuͤchternheit, in der ich mir oft die Langeweile des Tantalus recht lebhaft habe denken koͤnnen. — Ich habe mich itzt dar- um aus dieſer Geſellſchaft mehr zuruͤckgezogen, ich bin mehr allein und — Du wirſt vielleicht lachen, — ich habe oft wieder angefangen zu ſtudiren und mich deſſen zu erinnern, was ich auf meinen Reiſen gelernt habe. Halte mich aber nicht fuͤr einen ſo ſchwa- chen Menſchen, der aus einer Anwandlung von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/55
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 47[45]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/55>, abgerufen am 26.04.2024.