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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Langeweile sich gleich über Hals und Kopf in
eine so steinharte Ernsthaftigkeit wirft, daß ihn
die Hunde auf der Straße anbellen; denke nur
etwa nicht, daß ich itzt mit einem eßigherben
Gesichte dasitze und wunder wie sehr meinen
Geist zu beschäftigen glaube, indem mir die
Kinnbacken vor Gähnen zerspringen möchten;
halte mich nicht für ein Wesen, das sich seine
Zeit verdirbt, indem es sich tausend unnütze Ge-
schäfte macht und sich selbst zur Bewunderung
über die Menge seiner Arbeiten zwingt, -- nein
Karl, ich bin noch immer der simple, unbefan-
gene Mortimer, der noch eben so gern lacht,
als zuvor, und der nichts sehnlicher wünscht, als
einmahl mit Dir ein herzliches Duett lachen zu
können. O ich möchte meine Dinte in schwar-
ze Klagelieder ergießen, oder die erste beste
Stelle aus Youngs Nachtgedanken abschreiben,
um es Dir recht fühlbar zu machen, wie sehr
Du mir fehlst.

Wenn das alles wahr ist, was Du mir von
William Lovell schreibst, so steht es schlimm
mit ihm, sehr schlimm, es thut mir jedesmahl
weh, wenn ich einen jungen Menschen sehe, der
sich selbst um die Freuden seines Daseyns

bringt.

Langeweile ſich gleich uͤber Hals und Kopf in
eine ſo ſteinharte Ernſthaftigkeit wirft, daß ihn
die Hunde auf der Straße anbellen; denke nur
etwa nicht, daß ich itzt mit einem eßigherben
Geſichte daſitze und wunder wie ſehr meinen
Geiſt zu beſchaͤftigen glaube, indem mir die
Kinnbacken vor Gaͤhnen zerſpringen moͤchten;
halte mich nicht fuͤr ein Weſen, das ſich ſeine
Zeit verdirbt, indem es ſich tauſend unnuͤtze Ge-
ſchaͤfte macht und ſich ſelbſt zur Bewunderung
uͤber die Menge ſeiner Arbeiten zwingt, — nein
Karl, ich bin noch immer der ſimple, unbefan-
gene Mortimer, der noch eben ſo gern lacht,
als zuvor, und der nichts ſehnlicher wuͤnſcht, als
einmahl mit Dir ein herzliches Duett lachen zu
koͤnnen. O ich moͤchte meine Dinte in ſchwar-
ze Klagelieder ergießen, oder die erſte beſte
Stelle aus Youngs Nachtgedanken abſchreiben,
um es Dir recht fuͤhlbar zu machen, wie ſehr
Du mir fehlſt.

Wenn das alles wahr iſt, was Du mir von
William Lovell ſchreibſt, ſo ſteht es ſchlimm
mit ihm, ſehr ſchlimm, es thut mir jedesmahl
weh, wenn ich einen jungen Menſchen ſehe, der
ſich ſelbſt um die Freuden ſeines Daſeyns

bringt.
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[48[46]/0056] Langeweile ſich gleich uͤber Hals und Kopf in eine ſo ſteinharte Ernſthaftigkeit wirft, daß ihn die Hunde auf der Straße anbellen; denke nur etwa nicht, daß ich itzt mit einem eßigherben Geſichte daſitze und wunder wie ſehr meinen Geiſt zu beſchaͤftigen glaube, indem mir die Kinnbacken vor Gaͤhnen zerſpringen moͤchten; halte mich nicht fuͤr ein Weſen, das ſich ſeine Zeit verdirbt, indem es ſich tauſend unnuͤtze Ge- ſchaͤfte macht und ſich ſelbſt zur Bewunderung uͤber die Menge ſeiner Arbeiten zwingt, — nein Karl, ich bin noch immer der ſimple, unbefan- gene Mortimer, der noch eben ſo gern lacht, als zuvor, und der nichts ſehnlicher wuͤnſcht, als einmahl mit Dir ein herzliches Duett lachen zu koͤnnen. O ich moͤchte meine Dinte in ſchwar- ze Klagelieder ergießen, oder die erſte beſte Stelle aus Youngs Nachtgedanken abſchreiben, um es Dir recht fuͤhlbar zu machen, wie ſehr Du mir fehlſt. Wenn das alles wahr iſt, was Du mir von William Lovell ſchreibſt, ſo ſteht es ſchlimm mit ihm, ſehr ſchlimm, es thut mir jedesmahl weh, wenn ich einen jungen Menſchen ſehe, der ſich ſelbſt um die Freuden ſeines Daſeyns bringt.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 48[46]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/56>, abgerufen am 29.04.2024.