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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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in der Liebe! -- ich beneide Dir Deine Kälte
nicht mehr.

Ich bleibe noch länger als eine Woche bei
meinen Eltern, o ich werde sie noch oft sehn,
mir ist seit gestern, als dürfte nur dies das Ge-
schäft meines Lebens seyn. -- Ich habe schon
den Mann kennen lernen, der mich auf meinen
Reisen begleiten soll, er heißt Mortimer. --
Mein Freund wird er schwerlich werden können,
er hat eine gewisse kalte beissende Laune, die
mich von ihm gestoßen hat. -- Er soll viel
wissen, besonders Alterthumskenner seyn, -- er
hat diese ganze Reise schon einmahl gemacht,
er ist älter als ich; alles dies zusammengenom-
men hat meinen Vater bewogen, ihn zu mei-
nem Begleiter auszuwählen. -- Er scheint sehr
unterhaltend zu seyn, -- aber ich liebe nicht
diese Art von Charakteren, -- das Satyrische
in ihm gefällt mir nicht, diese Erhebung über
die andern Menschen, diese Bitterkeit führt sehr
leicht zur Menschenfeindschaft, -- ich liebe die
meisten, möchte sie gern alle lieben und mag
über keinen spotten, -- jeder bewache seine eig-
ne Schwäche.

Dein William.


in der Liebe! — ich beneide Dir Deine Kaͤlte
nicht mehr.

Ich bleibe noch laͤnger als eine Woche bei
meinen Eltern, o ich werde ſie noch oft ſehn,
mir iſt ſeit geſtern, als duͤrfte nur dies das Ge-
ſchaͤft meines Lebens ſeyn. — Ich habe ſchon
den Mann kennen lernen, der mich auf meinen
Reiſen begleiten ſoll, er heißt Mortimer. —
Mein Freund wird er ſchwerlich werden koͤnnen,
er hat eine gewiſſe kalte beiſſende Laune, die
mich von ihm geſtoßen hat. — Er ſoll viel
wiſſen, beſonders Alterthumskenner ſeyn, — er
hat dieſe ganze Reiſe ſchon einmahl gemacht,
er iſt aͤlter als ich; alles dies zuſammengenom-
men hat meinen Vater bewogen, ihn zu mei-
nem Begleiter auszuwaͤhlen. — Er ſcheint ſehr
unterhaltend zu ſeyn, — aber ich liebe nicht
dieſe Art von Charakteren, — das Satyriſche
in ihm gefaͤllt mir nicht, dieſe Erhebung uͤber
die andern Menſchen, dieſe Bitterkeit fuͤhrt ſehr
leicht zur Menſchenfeindſchaft, — ich liebe die
meiſten, moͤchte ſie gern alle lieben und mag
uͤber keinen ſpotten, — jeder bewache ſeine eig-
ne Schwaͤche.

Dein William.


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[60[58]/0068] in der Liebe! — ich beneide Dir Deine Kaͤlte nicht mehr. Ich bleibe noch laͤnger als eine Woche bei meinen Eltern, o ich werde ſie noch oft ſehn, mir iſt ſeit geſtern, als duͤrfte nur dies das Ge- ſchaͤft meines Lebens ſeyn. — Ich habe ſchon den Mann kennen lernen, der mich auf meinen Reiſen begleiten ſoll, er heißt Mortimer. — Mein Freund wird er ſchwerlich werden koͤnnen, er hat eine gewiſſe kalte beiſſende Laune, die mich von ihm geſtoßen hat. — Er ſoll viel wiſſen, beſonders Alterthumskenner ſeyn, — er hat dieſe ganze Reiſe ſchon einmahl gemacht, er iſt aͤlter als ich; alles dies zuſammengenom- men hat meinen Vater bewogen, ihn zu mei- nem Begleiter auszuwaͤhlen. — Er ſcheint ſehr unterhaltend zu ſeyn, — aber ich liebe nicht dieſe Art von Charakteren, — das Satyriſche in ihm gefaͤllt mir nicht, dieſe Erhebung uͤber die andern Menſchen, dieſe Bitterkeit fuͤhrt ſehr leicht zur Menſchenfeindſchaft, — ich liebe die meiſten, moͤchte ſie gern alle lieben und mag uͤber keinen ſpotten, — jeder bewache ſeine eig- ne Schwaͤche. Dein William.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 60[58]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/68>, abgerufen am 04.05.2024.