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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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ist nun hier dasselbe Haus, in das ich als ein
junger Bursche so munter und flink eintrat und
mir alles in der Welt so herrlich und wie an-
geputzt vorkam; ich dachte immer: Ey, Willy,
du bist jung, wie vieles Glück kann Dir noch
begegnen, nur frisch und munter! Ich schrieb
Dir damals auch einen langen und recht über-
müthigen Brief, denn ich bildete mir auf die
blanken Tressen auf meinem Rocke nicht wenig
ein; es war mir mein Blut so warm, daß ich
ordentlich glaubte, die ganze Welt sey nur mir
zu Gefallen erschaffen. -- Und nun, lieber Bru-
der, wenn ich daran denke, wie manche schwe-
re Krankheit ich seitdem überstanden habe, wie
oft es Dir so recht schlecht gegangen ist, daß
ich herzlich weinen mußte, was alles der gute
Lord Lovell gelitten hat, wie wir uns beyde
nur im Grunde wenig gesehn hatten, wie ich
mit der Herrschaft bald hier und bald da ge-
wohnt habe, und wie ich nun als ein alter ab-
gelebter Mann wieder über dieselbe Schwelle
schritt, über die ich als ein junger Bursche
sprang, -- o lieber Bruder, so kann ich Dir
gar nicht sagen, wie seltsam mir dabey zu Mu-
the wird. Ich möchte sagen, ich hätte mich

iſt nun hier daſſelbe Haus, in das ich als ein
junger Burſche ſo munter und flink eintrat und
mir alles in der Welt ſo herrlich und wie an-
geputzt vorkam; ich dachte immer: Ey, Willy,
du biſt jung, wie vieles Gluͤck kann Dir noch
begegnen, nur friſch und munter! Ich ſchrieb
Dir damals auch einen langen und recht uͤber-
muͤthigen Brief, denn ich bildete mir auf die
blanken Treſſen auf meinem Rocke nicht wenig
ein; es war mir mein Blut ſo warm, daß ich
ordentlich glaubte, die ganze Welt ſey nur mir
zu Gefallen erſchaffen. — Und nun, lieber Bru-
der, wenn ich daran denke, wie manche ſchwe-
re Krankheit ich ſeitdem uͤberſtanden habe, wie
oft es Dir ſo recht ſchlecht gegangen iſt, daß
ich herzlich weinen mußte, was alles der gute
Lord Lovell gelitten hat, wie wir uns beyde
nur im Grunde wenig geſehn hatten, wie ich
mit der Herrſchaft bald hier und bald da ge-
wohnt habe, und wie ich nun als ein alter ab-
gelebter Mann wieder uͤber dieſelbe Schwelle
ſchritt, uͤber die ich als ein junger Burſche
ſprang, — o lieber Bruder, ſo kann ich Dir
gar nicht ſagen, wie ſeltſam mir dabey zu Mu-
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[357/0363] iſt nun hier daſſelbe Haus, in das ich als ein junger Burſche ſo munter und flink eintrat und mir alles in der Welt ſo herrlich und wie an- geputzt vorkam; ich dachte immer: Ey, Willy, du biſt jung, wie vieles Gluͤck kann Dir noch begegnen, nur friſch und munter! Ich ſchrieb Dir damals auch einen langen und recht uͤber- muͤthigen Brief, denn ich bildete mir auf die blanken Treſſen auf meinem Rocke nicht wenig ein; es war mir mein Blut ſo warm, daß ich ordentlich glaubte, die ganze Welt ſey nur mir zu Gefallen erſchaffen. — Und nun, lieber Bru- der, wenn ich daran denke, wie manche ſchwe- re Krankheit ich ſeitdem uͤberſtanden habe, wie oft es Dir ſo recht ſchlecht gegangen iſt, daß ich herzlich weinen mußte, was alles der gute Lord Lovell gelitten hat, wie wir uns beyde nur im Grunde wenig geſehn hatten, wie ich mit der Herrſchaft bald hier und bald da ge- wohnt habe, und wie ich nun als ein alter ab- gelebter Mann wieder uͤber dieſelbe Schwelle ſchritt, uͤber die ich als ein junger Burſche ſprang, — o lieber Bruder, ſo kann ich Dir gar nicht ſagen, wie ſeltſam mir dabey zu Mu- the wird. Ich moͤchte ſagen, ich haͤtte mich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/363>, abgerufen am 29.04.2024.