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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Rothkäppchen.
Jäger.
Die ganze Welt kann doch nicht wie deine Mütze
seyn,
Es muß auch andre Farben geben;
Die grüne Farbe, bei meinem Leben,
Die macht einen allerliebsten Schein.
Rothkäppchen.
Grün ist ganz gut und dient zur Noth,
Doch geht keine Farbe über Roth.
Jäger.
Der Wald ist grün, die Erde ist grün,
Wo du nur wendest dein Auge hin, --
Es ist was in der Farbe, -- ein Wesen, --
Ein Glanz, -- versteh, -- ein gewisses Wesen --
Rothkäppchen.
Das Grün ist wie geringe Leut,
Man findet es so allerwege,
Auf jedem Busch, jedwed Gehege
Da wächst es; ach du liebe Zeit!
Doch ist von da zu Roth noch weit.
Das Roth macht gleich die Augen rege;
Wie viel bekömmt ein Kind nicht Schläge,
Daß ihn das Naschen wohl gereut.
Wo sich was Rothes läßt erblicken
Ist auch die rothe Lippe da
Und ißt, und wärs ein unreif Häppchen.
Wie selig, wem es mochte glücken,
Daß er auf seinem Kopfe sah
Wie ich, ein schönes rothes Käppchen.
Jäger.
Du bist ein Närrchen, gieb mir einen Kuß.

Rothkaͤppchen.
Jaͤger.
Die ganze Welt kann doch nicht wie deine Muͤtze
ſeyn,
Es muß auch andre Farben geben;
Die gruͤne Farbe, bei meinem Leben,
Die macht einen allerliebſten Schein.
Rothkaͤppchen.
Gruͤn iſt ganz gut und dient zur Noth,
Doch geht keine Farbe uͤber Roth.
Jaͤger.
Der Wald iſt gruͤn, die Erde iſt gruͤn,
Wo du nur wendeſt dein Auge hin, —
Es iſt was in der Farbe, — ein Weſen, —
Ein Glanz, — verſteh, — ein gewiſſes Weſen —
Rothkaͤppchen.
Das Gruͤn iſt wie geringe Leut,
Man findet es ſo allerwege,
Auf jedem Buſch, jedwed Gehege
Da waͤchſt es; ach du liebe Zeit!
Doch iſt von da zu Roth noch weit.
Das Roth macht gleich die Augen rege;
Wie viel bekoͤmmt ein Kind nicht Schlaͤge,
Daß ihn das Naſchen wohl gereut.
Wo ſich was Rothes laͤßt erblicken
Iſt auch die rothe Lippe da
Und ißt, und waͤrs ein unreif Haͤppchen.
Wie ſelig, wem es mochte gluͤcken,
Daß er auf ſeinem Kopfe ſah
Wie ich, ein ſchoͤnes rothes Kaͤppchen.
Jaͤger.
Du biſt ein Naͤrrchen, gieb mir einen Kuß.

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[491/0502] Rothkaͤppchen. Jaͤger. Die ganze Welt kann doch nicht wie deine Muͤtze ſeyn, Es muß auch andre Farben geben; Die gruͤne Farbe, bei meinem Leben, Die macht einen allerliebſten Schein. Rothkaͤppchen. Gruͤn iſt ganz gut und dient zur Noth, Doch geht keine Farbe uͤber Roth. Jaͤger. Der Wald iſt gruͤn, die Erde iſt gruͤn, Wo du nur wendeſt dein Auge hin, — Es iſt was in der Farbe, — ein Weſen, — Ein Glanz, — verſteh, — ein gewiſſes Weſen — Rothkaͤppchen. Das Gruͤn iſt wie geringe Leut, Man findet es ſo allerwege, Auf jedem Buſch, jedwed Gehege Da waͤchſt es; ach du liebe Zeit! Doch iſt von da zu Roth noch weit. Das Roth macht gleich die Augen rege; Wie viel bekoͤmmt ein Kind nicht Schlaͤge, Daß ihn das Naſchen wohl gereut. Wo ſich was Rothes laͤßt erblicken Iſt auch die rothe Lippe da Und ißt, und waͤrs ein unreif Haͤppchen. Wie ſelig, wem es mochte gluͤcken, Daß er auf ſeinem Kopfe ſah Wie ich, ein ſchoͤnes rothes Kaͤppchen. Jaͤger. Du biſt ein Naͤrrchen, gieb mir einen Kuß.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/502>, abgerufen am 28.04.2024.