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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Fremder. Nein, mein Freund.
Wirth. Sie reisen also bloß so simpel, als
ein ordinärer Reisender?
Fremder. Ja.
Wirth. Da werden Sie wenig Beifall finden.
Fremder. Ich glaube, der Kerl ist rasend.
Postillion kommt.
Postillion. Hier ist ihr Koffer, gnädiger
Herr.
Fremder. Und hier ist dein Trinkgeld.
Postillion. O das ist wohl zu wenig. --
Ich bin den Berg herunter so herrlich gefahren --
Fremder. Nun da!
Postillion. Großen Dank. (geht ab.)
Fremder. Ob ich sie noch wieder finde? --
O wie sich alle meine Gedanken nach der geliebten
Heimath wenden! Wie soll ich den Anblick ertra-
gen, wenn sie mir wieder gegenüber steht? Wenn
die Vergangenheit mit allen Freuden und Schmer-
zen an mir vorüber zieht? O du armer Mensch!
was nennst du Vergangenheit? Giebt es denn eine
Gegenwart für dich? Zwischen der verflossenen
Zeit und der Zukunft hängst du an einem kleinen
Augenblick mitten inne, und jede Freude geht nur
schnell vorbei, und vermag gar nicht in dein Herz
zu dringen.
Wirth. Wenns zu fragen erlaubt ist, so
vermuthe ich, Dieselben sind aus einem alten ver-
legenen Stück, das ein unbekannter Verfasser so
etwas neu aufgestutzt hat?


Frem-
Zweite Abtheilung.
Fremder. Nein, mein Freund.
Wirth. Sie reiſen alſo bloß ſo ſimpel, als
ein ordinaͤrer Reiſender?
Fremder. Ja.
Wirth. Da werden Sie wenig Beifall finden.
Fremder. Ich glaube, der Kerl iſt raſend.
Poſtillion kommt.
Poſtillion. Hier iſt ihr Koffer, gnaͤdiger
Herr.
Fremder. Und hier iſt dein Trinkgeld.
Poſtillion. O das iſt wohl zu wenig. —
Ich bin den Berg herunter ſo herrlich gefahren —
Fremder. Nun da!
Poſtillion. Großen Dank. (geht ab.)
Fremder. Ob ich ſie noch wieder finde? —
O wie ſich alle meine Gedanken nach der geliebten
Heimath wenden! Wie ſoll ich den Anblick ertra-
gen, wenn ſie mir wieder gegenuͤber ſteht? Wenn
die Vergangenheit mit allen Freuden und Schmer-
zen an mir voruͤber zieht? O du armer Menſch!
was nennſt du Vergangenheit? Giebt es denn eine
Gegenwart fuͤr dich? Zwiſchen der verfloſſenen
Zeit und der Zukunft haͤngſt du an einem kleinen
Augenblick mitten inne, und jede Freude geht nur
ſchnell vorbei, und vermag gar nicht in dein Herz
zu dringen.
Wirth. Wenns zu fragen erlaubt iſt, ſo
vermuthe ich, Dieſelben ſind aus einem alten ver-
legenen Stuͤck, das ein unbekannter Verfaſſer ſo
etwas neu aufgeſtutzt hat?


Frem-
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[288/0297] Zweite Abtheilung. Fremder. Nein, mein Freund. Wirth. Sie reiſen alſo bloß ſo ſimpel, als ein ordinaͤrer Reiſender? Fremder. Ja. Wirth. Da werden Sie wenig Beifall finden. Fremder. Ich glaube, der Kerl iſt raſend. Poſtillion kommt. Poſtillion. Hier iſt ihr Koffer, gnaͤdiger Herr. Fremder. Und hier iſt dein Trinkgeld. Poſtillion. O das iſt wohl zu wenig. — Ich bin den Berg herunter ſo herrlich gefahren — Fremder. Nun da! Poſtillion. Großen Dank. (geht ab.) Fremder. Ob ich ſie noch wieder finde? — O wie ſich alle meine Gedanken nach der geliebten Heimath wenden! Wie ſoll ich den Anblick ertra- gen, wenn ſie mir wieder gegenuͤber ſteht? Wenn die Vergangenheit mit allen Freuden und Schmer- zen an mir voruͤber zieht? O du armer Menſch! was nennſt du Vergangenheit? Giebt es denn eine Gegenwart fuͤr dich? Zwiſchen der verfloſſenen Zeit und der Zukunft haͤngſt du an einem kleinen Augenblick mitten inne, und jede Freude geht nur ſchnell vorbei, und vermag gar nicht in dein Herz zu dringen. Wirth. Wenns zu fragen erlaubt iſt, ſo vermuthe ich, Dieſelben ſind aus einem alten ver- legenen Stuͤck, das ein unbekannter Verfaſſer ſo etwas neu aufgeſtutzt hat? Frem-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/297>, abgerufen am 30.04.2024.