Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Fortunat.
Placidus. O Freund, ein böses Gestirn hat
mich zu meiner Buße hieher versetzt; wie hatte ich
es so gut in meinem vorigen Kloster, freundliche
Vorgesetzte, wenig wurde die Strenge der Regel
beobachtet, eine schöne Gegend, viel Freiheit und
Spazierstunden; da führt mich der böse Geist in
dieses Land voll Melankolie, Unzufriedenheit, Hun-
ger und Kummer.
Ambrosius. Ja, wir müssen es empfinden,
daß wir das Fegefeuer des heiligen Patricius in
unsrer Nähe haben, die armen Seelen dort werden
nicht mehr gemartert als wir.
Placidus. Wenn man nur wenigstens Wein
hätte, um die Sorgen etwas zu zerstreuen, aber
das schaale, traurige Bier, die strengen Fasten, der
Gehorsam, der mürrische, scheinheilige Abt, alles ist
zum Verzweifeln.
Ambrosius. Ist doch kaum so viel Wein da,
als die Messe bedarf. Der Wein ist hier zu Lande
theuer, und der gnädige Herr verschreibt nur selten.
Placidus. O Irland! Irland! du trauriges,
finstres Land! Und diese Gegend hier ist gewiß die
unglückseligste der ganzen Insel.
Ambrosius. Warum habt Ihr aber auch im
vorigen Kloster so wilde Streiche gemacht, daß sie
Euch zur Strafe hieher sezten? Und wie müssen
wir erst klagen, die wir ohne alle Vergehungen
hier ein so strenges Leben führen müssen?
Placidus. Richtet Euch so ein, daß Ihr
eure künftigen Sünden hier im voraus abbüßt.

Fortunat.
Placidus. O Freund, ein boͤſes Geſtirn hat
mich zu meiner Buße hieher verſetzt; wie hatte ich
es ſo gut in meinem vorigen Kloſter, freundliche
Vorgeſetzte, wenig wurde die Strenge der Regel
beobachtet, eine ſchoͤne Gegend, viel Freiheit und
Spazierſtunden; da fuͤhrt mich der boͤſe Geiſt in
dieſes Land voll Melankolie, Unzufriedenheit, Hun-
ger und Kummer.
Ambroſius. Ja, wir muͤſſen es empfinden,
daß wir das Fegefeuer des heiligen Patricius in
unſrer Naͤhe haben, die armen Seelen dort werden
nicht mehr gemartert als wir.
Placidus. Wenn man nur wenigſtens Wein
haͤtte, um die Sorgen etwas zu zerſtreuen, aber
das ſchaale, traurige Bier, die ſtrengen Faſten, der
Gehorſam, der muͤrriſche, ſcheinheilige Abt, alles iſt
zum Verzweifeln.
Ambroſius. Iſt doch kaum ſo viel Wein da,
als die Meſſe bedarf. Der Wein iſt hier zu Lande
theuer, und der gnaͤdige Herr verſchreibt nur ſelten.
Placidus. O Irland! Irland! du trauriges,
finſtres Land! Und dieſe Gegend hier iſt gewiß die
ungluͤckſeligſte der ganzen Inſel.
Ambroſius. Warum habt Ihr aber auch im
vorigen Kloſter ſo wilde Streiche gemacht, daß ſie
Euch zur Strafe hieher ſezten? Und wie muͤſſen
wir erſt klagen, die wir ohne alle Vergehungen
hier ein ſo ſtrenges Leben fuͤhren muͤſſen?
Placidus. Richtet Euch ſo ein, daß Ihr
eure kuͤnftigen Suͤnden hier im voraus abbuͤßt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0149" n="139"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/>
              <sp who="#Placidus">
                <speaker><hi rendition="#g">Placidus</hi>.</speaker>
                <p>O Freund, ein bo&#x0364;&#x017F;es Ge&#x017F;tirn hat<lb/>
mich zu meiner Buße hieher ver&#x017F;etzt; wie hatte ich<lb/>
es &#x017F;o gut in meinem vorigen Klo&#x017F;ter, freundliche<lb/>
Vorge&#x017F;etzte, wenig wurde die Strenge der Regel<lb/>
beobachtet, eine &#x017F;cho&#x0364;ne Gegend, viel Freiheit und<lb/>
Spazier&#x017F;tunden; da fu&#x0364;hrt mich der bo&#x0364;&#x017F;e Gei&#x017F;t in<lb/>
die&#x017F;es Land voll Melankolie, Unzufriedenheit, Hun-<lb/>
ger und Kummer.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Ambro&#x017F;ius">
                <speaker><hi rendition="#g">Ambro&#x017F;ius</hi>.</speaker>
                <p>Ja, wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en es empfinden,<lb/>
daß wir das Fegefeuer des heiligen Patricius in<lb/>
un&#x017F;rer Na&#x0364;he haben, die armen Seelen dort werden<lb/>
nicht mehr gemartert als wir.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Placidus">
                <speaker><hi rendition="#g">Placidus</hi>.</speaker>
                <p>Wenn man nur wenig&#x017F;tens Wein<lb/>
ha&#x0364;tte, um die Sorgen etwas zu zer&#x017F;treuen, aber<lb/>
das &#x017F;chaale, traurige Bier, die &#x017F;trengen Fa&#x017F;ten, der<lb/>
Gehor&#x017F;am, der mu&#x0364;rri&#x017F;che, &#x017F;cheinheilige Abt, alles i&#x017F;t<lb/>
zum Verzweifeln.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Ambro&#x017F;ius">
                <speaker><hi rendition="#g">Ambro&#x017F;ius</hi>.</speaker>
                <p>I&#x017F;t doch kaum &#x017F;o viel Wein da,<lb/>
als die Me&#x017F;&#x017F;e bedarf. Der Wein i&#x017F;t hier zu Lande<lb/>
theuer, und der gna&#x0364;dige Herr ver&#x017F;chreibt nur &#x017F;elten.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Placidus">
                <speaker><hi rendition="#g">Placidus</hi>.</speaker>
                <p>O Irland! Irland! du trauriges,<lb/>
fin&#x017F;tres Land! Und die&#x017F;e Gegend hier i&#x017F;t gewiß die<lb/>
unglu&#x0364;ck&#x017F;elig&#x017F;te der ganzen In&#x017F;el.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Ambro&#x017F;ius">
                <speaker><hi rendition="#g">Ambro&#x017F;ius</hi>.</speaker>
                <p>Warum habt Ihr aber auch im<lb/>
vorigen Klo&#x017F;ter &#x017F;o wilde Streiche gemacht, daß &#x017F;ie<lb/>
Euch zur Strafe hieher &#x017F;ezten? Und wie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wir er&#x017F;t klagen, die wir ohne alle Vergehungen<lb/>
hier ein &#x017F;o &#x017F;trenges Leben fu&#x0364;hren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Placidus">
                <speaker><hi rendition="#g">Placidus</hi>.</speaker>
                <p>Richtet Euch &#x017F;o ein, daß Ihr<lb/>
eure ku&#x0364;nftigen Su&#x0364;nden hier im voraus abbu&#x0364;ßt.</p><lb/>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0149] Fortunat. Placidus. O Freund, ein boͤſes Geſtirn hat mich zu meiner Buße hieher verſetzt; wie hatte ich es ſo gut in meinem vorigen Kloſter, freundliche Vorgeſetzte, wenig wurde die Strenge der Regel beobachtet, eine ſchoͤne Gegend, viel Freiheit und Spazierſtunden; da fuͤhrt mich der boͤſe Geiſt in dieſes Land voll Melankolie, Unzufriedenheit, Hun- ger und Kummer. Ambroſius. Ja, wir muͤſſen es empfinden, daß wir das Fegefeuer des heiligen Patricius in unſrer Naͤhe haben, die armen Seelen dort werden nicht mehr gemartert als wir. Placidus. Wenn man nur wenigſtens Wein haͤtte, um die Sorgen etwas zu zerſtreuen, aber das ſchaale, traurige Bier, die ſtrengen Faſten, der Gehorſam, der muͤrriſche, ſcheinheilige Abt, alles iſt zum Verzweifeln. Ambroſius. Iſt doch kaum ſo viel Wein da, als die Meſſe bedarf. Der Wein iſt hier zu Lande theuer, und der gnaͤdige Herr verſchreibt nur ſelten. Placidus. O Irland! Irland! du trauriges, finſtres Land! Und dieſe Gegend hier iſt gewiß die ungluͤckſeligſte der ganzen Inſel. Ambroſius. Warum habt Ihr aber auch im vorigen Kloſter ſo wilde Streiche gemacht, daß ſie Euch zur Strafe hieher ſezten? Und wie muͤſſen wir erſt klagen, die wir ohne alle Vergehungen hier ein ſo ſtrenges Leben fuͤhren muͤſſen? Placidus. Richtet Euch ſo ein, daß Ihr eure kuͤnftigen Suͤnden hier im voraus abbuͤßt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/149
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/149>, abgerufen am 15.10.2024.