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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Himmlischen erleuchtet. Ein junger Hirt
hatte sich umgewendet, und sah mit ver¬
schränkten Armen und tiefsinnigem Gesichte
der untergegangenen Sonne nach, als wenn
mit ihr die Freude der Welt, der Glanz
des Tages, die anmuthigen und erquicken¬
den Strahlen verschwunden wären; ein al¬
ter Hirte faßte ihn beim Arm um ihn um¬
zudrehen, ihm die Freudigkeit zu zeigen die
von Morgenwärts herschritt. Dadurch hat¬
te Franz der untergegangenen Sonne gegen¬
über, gleichsam eine neuaufgehende darstel¬
len wollen, der alte Hirte sollte den jungen
beruhigen, und zu ihm sagen: "Seelig sind
die nunmehr sterben, denn sie werden in
dem Herrn sterben!" Einen solchen zarten und
trostreichen und frommen Sinn hatte Franz
für den vernünftigen und fühlenden Be¬
schauer in sein Gemählde zu bringen ge¬
sucht.

Himmliſchen erleuchtet. Ein junger Hirt
hatte ſich umgewendet, und ſah mit ver¬
ſchränkten Armen und tiefſinnigem Geſichte
der untergegangenen Sonne nach, als wenn
mit ihr die Freude der Welt, der Glanz
des Tages, die anmuthigen und erquicken¬
den Strahlen verſchwunden wären; ein al¬
ter Hirte faßte ihn beim Arm um ihn um¬
zudrehen, ihm die Freudigkeit zu zeigen die
von Morgenwärts herſchritt. Dadurch hat¬
te Franz der untergegangenen Sonne gegen¬
über, gleichſam eine neuaufgehende darſtel¬
len wollen, der alte Hirte ſollte den jungen
beruhigen, und zu ihm ſagen: »Seelig ſind
die nunmehr ſterben, denn ſie werden in
dem Herrn ſterben!“ Einen ſolchen zarten und
troſtreichen und frommen Sinn hatte Franz
für den vernünftigen und fühlenden Be¬
ſchauer in ſein Gemählde zu bringen ge¬
ſucht.

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[120/0131] Himmliſchen erleuchtet. Ein junger Hirt hatte ſich umgewendet, und ſah mit ver¬ ſchränkten Armen und tiefſinnigem Geſichte der untergegangenen Sonne nach, als wenn mit ihr die Freude der Welt, der Glanz des Tages, die anmuthigen und erquicken¬ den Strahlen verſchwunden wären; ein al¬ ter Hirte faßte ihn beim Arm um ihn um¬ zudrehen, ihm die Freudigkeit zu zeigen die von Morgenwärts herſchritt. Dadurch hat¬ te Franz der untergegangenen Sonne gegen¬ über, gleichſam eine neuaufgehende darſtel¬ len wollen, der alte Hirte ſollte den jungen beruhigen, und zu ihm ſagen: »Seelig ſind die nunmehr ſterben, denn ſie werden in dem Herrn ſterben!“ Einen ſolchen zarten und troſtreichen und frommen Sinn hatte Franz für den vernünftigen und fühlenden Be¬ ſchauer in ſein Gemählde zu bringen ge¬ ſucht.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/131>, abgerufen am 28.04.2024.