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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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ten; es ist auch nicht gemeine Sinnlichkeit,
die sich gegen den edlern Geist empört, um
sich nur bloßzustellen, um in frecher Schande
zu triumphiren, sondern die reinste und hellste
Menschheit, die sich nicht schämt, weil sie
sich nicht zu schämen braucht, die in sich
selbst durchaus glückselig ist. Es ist, so
möcht' ich sagen, der Frühling, die Blüthe
der Menschheit: alles im vollen, schwelgen¬
den Genuß, alle Schönheit emporgehoben
in vollster Herrlichkeit, alle Kräfte spielend
und sich übend im neuen Leben, im frischen
Daseyn. Herbst ist weit ab, Winter ist ver¬
gessen, und unter den Blumen, unter den
Düften und grünglänzenden Blättern wie
ein Mährchen, von Kindern erfunden.

Es ist, als wenn ich mit der weichen,
ermattenden und doch erfrischenden Luft Ita¬
liens eine andre Seele einzöge, als wenn
mein inneres Gemüth auch einen ewigen

ten; es iſt auch nicht gemeine Sinnlichkeit,
die ſich gegen den edlern Geiſt empört, um
ſich nur bloßzuſtellen, um in frecher Schande
zu triumphiren, ſondern die reinſte und hellſte
Menſchheit, die ſich nicht ſchämt, weil ſie
ſich nicht zu ſchämen braucht, die in ſich
ſelbſt durchaus glückſelig iſt. Es iſt, ſo
möcht' ich ſagen, der Frühling, die Blüthe
der Menſchheit: alles im vollen, ſchwelgen¬
den Genuß, alle Schönheit emporgehoben
in vollſter Herrlichkeit, alle Kräfte ſpielend
und ſich übend im neuen Leben, im friſchen
Daſeyn. Herbſt iſt weit ab, Winter iſt ver¬
geſſen, und unter den Blumen, unter den
Düften und grünglänzenden Blättern wie
ein Mährchen, von Kindern erfunden.

Es iſt, als wenn ich mit der weichen,
ermattenden und doch erfriſchenden Luft Ita¬
liens eine andre Seele einzöge, als wenn
mein inneres Gemüth auch einen ewigen

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[351/0359] ten; es iſt auch nicht gemeine Sinnlichkeit, die ſich gegen den edlern Geiſt empört, um ſich nur bloßzuſtellen, um in frecher Schande zu triumphiren, ſondern die reinſte und hellſte Menſchheit, die ſich nicht ſchämt, weil ſie ſich nicht zu ſchämen braucht, die in ſich ſelbſt durchaus glückſelig iſt. Es iſt, ſo möcht' ich ſagen, der Frühling, die Blüthe der Menſchheit: alles im vollen, ſchwelgen¬ den Genuß, alle Schönheit emporgehoben in vollſter Herrlichkeit, alle Kräfte ſpielend und ſich übend im neuen Leben, im friſchen Daſeyn. Herbſt iſt weit ab, Winter iſt ver¬ geſſen, und unter den Blumen, unter den Düften und grünglänzenden Blättern wie ein Mährchen, von Kindern erfunden. Es iſt, als wenn ich mit der weichen, ermattenden und doch erfriſchenden Luft Ita¬ liens eine andre Seele einzöge, als wenn mein inneres Gemüth auch einen ewigen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/359>, abgerufen am 14.05.2024.