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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Motz an Kurfürst Wilhelm I.

Leider ist es meinen braven Landsleuten in dieser Zeit so gut nicht geworden, sie
haben in der unglücklichen Zwischenherrschaft das höchste Ungemach, viele Noth und
Kummer ertragen müssen.

Der Stand der Diener in Hessen ist, nach dem von Ew. K. H. angenommenen
System sehr gering besoldet, in der Regel hat ein solcher Staatsdiener, bis er zu einem
mäßigen zum Unterhalt seiner Familie, selbst bei gewohnter Entsagung nur in seltenen
Fällen zureichenden Gehalt gelangt, sein eigenes Vermögen, wenn er so glücklich
war dergleichen zu besitzen, rein zugesetzt, er lebt alsdann ganz abhängig von seiner
Stelle und ist es dann wohl für ein großes Unglück zu erkennen, wenn

Ew. K. Hoheit Diener in der erwähnten unglücklichen Zeit, selbst aus diesen Ver-
hältnissen herausgerissen, bei einer fremden, ihnen aufgedrungenen, dem herrlichen Ge-
müthe der Hessen höchst verhaßten Regierung Dienste suchen und annehmen mußten,
um mit ihrer Familie nicht zu verhungern. Ich bin während der westphälischen Herr-
schaft als Mitglied der westphälischen Reichsstände mehrmals längere Zeit selbst in
Kassel anwesend gewesen und habe mich nur an den biedern herrlichen Gesinnungen
meiner braven Landsleute erfreuen können. Bei Ew. Hoheit Einzug in Kassel nach der
Schlacht von Leipzig haben Höchst Ihnen diese braven Gesinnungen der Hessen offen
dargelegen.

Ew. K. Hoheit sind reich, Ihre Diener und Unterthanen arm; möchten Ew. K.
Hoheit doch geruhen diese herrlichen Gesinnungen Höchst Ihrer Unterthanen und ins-
besondere auch Höchst Ihrer Diener bei letzteren durch Gnadenbewilligungen und Be-
soldungen, welche für billige Bedürfnisse angemessen berechnet sind, baldigst zu lohnen
und so vielen Kummer und Trübsinn zu verscheuchen, welcher leider in den meisten
dieser Familien sichtbar ist. Welchen herrlichen Gebrauch würden alsdann Ew. K. H.
noch am Abend Ihres Lebens von den großen Glücksgütern machen, in deren Besitze
Sie sich befinden und wenn Ew. K. Hoheit dereinst nach hier überstandener Prüfungs-
zeit vor dem Herrn über uns alle, der auch den Mächtigen der Erde den Stuhl be-
reitet, erscheinen müssen, wie viel Thränen der Liebe und des Dankes würden Sie dann
begleiten.

Geruhen E. K. H. mir diese Abschweifung in diesem unterthänigsten Schreiben,
welche ich im Vertrauen auf Höchstdero mir stets bezeigte Gnade und Höchstes Wohl-
wollen gewagt habe, gnädigst zu verzeihen, geruhen Höchst Sie diesen Herzenserguß
eines sein Vaterland treu liebenden, von den Verhältnissen desselben unterrichteten,
E. K. H. treu ergebenen ehemaligen Hessen in Hessischer Treue und Biederkeit dargestellt,
aufzunehmen.

Ich trenne von dem, bei dieser Gelegenheit vorgelegten Wunsch ganz die An-
gelegenheit meines Oheims
, welche auf dem gewählten Wege zur Ent-
scheidung kommen mag
.

Nur schließlich erlaube ich mir noch Ew. K. H. Gnade folgendes unterthänigst zu
bemerken. Es ist hart, einen alten 80 jährigen geehrten und geachteten Diener, welcher
50 Jahre seines Lebens dem Dienste des Staates und seines Regenten, nach seiner
Ueberzeugung und nach der öffentlichen Meinung, treu und nützlich verwendet hat, so
kurz vor seinem Abgange aus dieser irdischen Welt den früher unberührten Vor-
wurf der Dienstuntreue
zu machen, es liegt in jedem rechtlichen Gemüthe einen
solchen Vorwurf tief zu fühlen.

Ew. K. H. haben schon vor langer Zeit ähnliches über meinen Oheim gegen einen
Verwandten, den Forstmeister v. Motz zu Hanau erwähnt.

Wir sind in unserer Familie, welche Ew. K. Hoheit und Ihren hohen Vor-
fahren seit 2 Jahrhunderten in hohen Stellen des Landes mit ersprießlichem Nutzen,
besonders aber treu und bieder gedient hat, an dergleichen Vorwürfe nicht gewöhnt und
ein Mitglied unserer Familie, welchem solche Vorwürfe mit Recht gemacht werden könnten,
würde unter uns selbst nicht geachtet werden. In diesen Gesinnungen erzogen, hielt es

Motz an Kurfürſt Wilhelm I.

Leider iſt es meinen braven Landsleuten in dieſer Zeit ſo gut nicht geworden, ſie
haben in der unglücklichen Zwiſchenherrſchaft das höchſte Ungemach, viele Noth und
Kummer ertragen müſſen.

Der Stand der Diener in Heſſen iſt, nach dem von Ew. K. H. angenommenen
Syſtem ſehr gering beſoldet, in der Regel hat ein ſolcher Staatsdiener, bis er zu einem
mäßigen zum Unterhalt ſeiner Familie, ſelbſt bei gewohnter Entſagung nur in ſeltenen
Fällen zureichenden Gehalt gelangt, ſein eigenes Vermögen, wenn er ſo glücklich
war dergleichen zu beſitzen, rein zugeſetzt, er lebt alsdann ganz abhängig von ſeiner
Stelle und iſt es dann wohl für ein großes Unglück zu erkennen, wenn

Ew. K. Hoheit Diener in der erwähnten unglücklichen Zeit, ſelbſt aus dieſen Ver-
hältniſſen herausgeriſſen, bei einer fremden, ihnen aufgedrungenen, dem herrlichen Ge-
müthe der Heſſen höchſt verhaßten Regierung Dienſte ſuchen und annehmen mußten,
um mit ihrer Familie nicht zu verhungern. Ich bin während der weſtphäliſchen Herr-
ſchaft als Mitglied der weſtphäliſchen Reichsſtände mehrmals längere Zeit ſelbſt in
Kaſſel anweſend geweſen und habe mich nur an den biedern herrlichen Geſinnungen
meiner braven Landsleute erfreuen können. Bei Ew. Hoheit Einzug in Kaſſel nach der
Schlacht von Leipzig haben Höchſt Ihnen dieſe braven Geſinnungen der Heſſen offen
dargelegen.

Ew. K. Hoheit ſind reich, Ihre Diener und Unterthanen arm; möchten Ew. K.
Hoheit doch geruhen dieſe herrlichen Geſinnungen Höchſt Ihrer Unterthanen und ins-
beſondere auch Höchſt Ihrer Diener bei letzteren durch Gnadenbewilligungen und Be-
ſoldungen, welche für billige Bedürfniſſe angemeſſen berechnet ſind, baldigſt zu lohnen
und ſo vielen Kummer und Trübſinn zu verſcheuchen, welcher leider in den meiſten
dieſer Familien ſichtbar iſt. Welchen herrlichen Gebrauch würden alsdann Ew. K. H.
noch am Abend Ihres Lebens von den großen Glücksgütern machen, in deren Beſitze
Sie ſich befinden und wenn Ew. K. Hoheit dereinſt nach hier überſtandener Prüfungs-
zeit vor dem Herrn über uns alle, der auch den Mächtigen der Erde den Stuhl be-
reitet, erſcheinen müſſen, wie viel Thränen der Liebe und des Dankes würden Sie dann
begleiten.

Geruhen E. K. H. mir dieſe Abſchweifung in dieſem unterthänigſten Schreiben,
welche ich im Vertrauen auf Höchſtdero mir ſtets bezeigte Gnade und Höchſtes Wohl-
wollen gewagt habe, gnädigſt zu verzeihen, geruhen Höchſt Sie dieſen Herzenserguß
eines ſein Vaterland treu liebenden, von den Verhältniſſen deſſelben unterrichteten,
E. K. H. treu ergebenen ehemaligen Heſſen in Heſſiſcher Treue und Biederkeit dargeſtellt,
aufzunehmen.

Ich trenne von dem, bei dieſer Gelegenheit vorgelegten Wunſch ganz die An-
gelegenheit meines Oheims
, welche auf dem gewählten Wege zur Ent-
ſcheidung kommen mag
.

Nur ſchließlich erlaube ich mir noch Ew. K. H. Gnade folgendes unterthänigſt zu
bemerken. Es iſt hart, einen alten 80 jährigen geehrten und geachteten Diener, welcher
50 Jahre ſeines Lebens dem Dienſte des Staates und ſeines Regenten, nach ſeiner
Ueberzeugung und nach der öffentlichen Meinung, treu und nützlich verwendet hat, ſo
kurz vor ſeinem Abgange aus dieſer irdiſchen Welt den früher unberührten Vor-
wurf der Dienſtuntreue
zu machen, es liegt in jedem rechtlichen Gemüthe einen
ſolchen Vorwurf tief zu fühlen.

Ew. K. H. haben ſchon vor langer Zeit ähnliches über meinen Oheim gegen einen
Verwandten, den Forſtmeiſter v. Motz zu Hanau erwähnt.

Wir ſind in unſerer Familie, welche Ew. K. Hoheit und Ihren hohen Vor-
fahren ſeit 2 Jahrhunderten in hohen Stellen des Landes mit erſprießlichem Nutzen,
beſonders aber treu und bieder gedient hat, an dergleichen Vorwürfe nicht gewöhnt und
ein Mitglied unſerer Familie, welchem ſolche Vorwürfe mit Recht gemacht werden könnten,
würde unter uns ſelbſt nicht geachtet werden. In dieſen Geſinnungen erzogen, hielt es

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[772/0788] Motz an Kurfürſt Wilhelm I. Leider iſt es meinen braven Landsleuten in dieſer Zeit ſo gut nicht geworden, ſie haben in der unglücklichen Zwiſchenherrſchaft das höchſte Ungemach, viele Noth und Kummer ertragen müſſen. Der Stand der Diener in Heſſen iſt, nach dem von Ew. K. H. angenommenen Syſtem ſehr gering beſoldet, in der Regel hat ein ſolcher Staatsdiener, bis er zu einem mäßigen zum Unterhalt ſeiner Familie, ſelbſt bei gewohnter Entſagung nur in ſeltenen Fällen zureichenden Gehalt gelangt, ſein eigenes Vermögen, wenn er ſo glücklich war dergleichen zu beſitzen, rein zugeſetzt, er lebt alsdann ganz abhängig von ſeiner Stelle und iſt es dann wohl für ein großes Unglück zu erkennen, wenn Ew. K. Hoheit Diener in der erwähnten unglücklichen Zeit, ſelbſt aus dieſen Ver- hältniſſen herausgeriſſen, bei einer fremden, ihnen aufgedrungenen, dem herrlichen Ge- müthe der Heſſen höchſt verhaßten Regierung Dienſte ſuchen und annehmen mußten, um mit ihrer Familie nicht zu verhungern. Ich bin während der weſtphäliſchen Herr- ſchaft als Mitglied der weſtphäliſchen Reichsſtände mehrmals längere Zeit ſelbſt in Kaſſel anweſend geweſen und habe mich nur an den biedern herrlichen Geſinnungen meiner braven Landsleute erfreuen können. Bei Ew. Hoheit Einzug in Kaſſel nach der Schlacht von Leipzig haben Höchſt Ihnen dieſe braven Geſinnungen der Heſſen offen dargelegen. Ew. K. Hoheit ſind reich, Ihre Diener und Unterthanen arm; möchten Ew. K. Hoheit doch geruhen dieſe herrlichen Geſinnungen Höchſt Ihrer Unterthanen und ins- beſondere auch Höchſt Ihrer Diener bei letzteren durch Gnadenbewilligungen und Be- ſoldungen, welche für billige Bedürfniſſe angemeſſen berechnet ſind, baldigſt zu lohnen und ſo vielen Kummer und Trübſinn zu verſcheuchen, welcher leider in den meiſten dieſer Familien ſichtbar iſt. Welchen herrlichen Gebrauch würden alsdann Ew. K. H. noch am Abend Ihres Lebens von den großen Glücksgütern machen, in deren Beſitze Sie ſich befinden und wenn Ew. K. Hoheit dereinſt nach hier überſtandener Prüfungs- zeit vor dem Herrn über uns alle, der auch den Mächtigen der Erde den Stuhl be- reitet, erſcheinen müſſen, wie viel Thränen der Liebe und des Dankes würden Sie dann begleiten. Geruhen E. K. H. mir dieſe Abſchweifung in dieſem unterthänigſten Schreiben, welche ich im Vertrauen auf Höchſtdero mir ſtets bezeigte Gnade und Höchſtes Wohl- wollen gewagt habe, gnädigſt zu verzeihen, geruhen Höchſt Sie dieſen Herzenserguß eines ſein Vaterland treu liebenden, von den Verhältniſſen deſſelben unterrichteten, E. K. H. treu ergebenen ehemaligen Heſſen in Heſſiſcher Treue und Biederkeit dargeſtellt, aufzunehmen. Ich trenne von dem, bei dieſer Gelegenheit vorgelegten Wunſch ganz die An- gelegenheit meines Oheims, welche auf dem gewählten Wege zur Ent- ſcheidung kommen mag. Nur ſchließlich erlaube ich mir noch Ew. K. H. Gnade folgendes unterthänigſt zu bemerken. Es iſt hart, einen alten 80 jährigen geehrten und geachteten Diener, welcher 50 Jahre ſeines Lebens dem Dienſte des Staates und ſeines Regenten, nach ſeiner Ueberzeugung und nach der öffentlichen Meinung, treu und nützlich verwendet hat, ſo kurz vor ſeinem Abgange aus dieſer irdiſchen Welt den früher unberührten Vor- wurf der Dienſtuntreue zu machen, es liegt in jedem rechtlichen Gemüthe einen ſolchen Vorwurf tief zu fühlen. Ew. K. H. haben ſchon vor langer Zeit ähnliches über meinen Oheim gegen einen Verwandten, den Forſtmeiſter v. Motz zu Hanau erwähnt. Wir ſind in unſerer Familie, welche Ew. K. Hoheit und Ihren hohen Vor- fahren ſeit 2 Jahrhunderten in hohen Stellen des Landes mit erſprießlichem Nutzen, beſonders aber treu und bieder gedient hat, an dergleichen Vorwürfe nicht gewöhnt und ein Mitglied unſerer Familie, welchem ſolche Vorwürfe mit Recht gemacht werden könnten, würde unter uns ſelbſt nicht geachtet werden. In dieſen Geſinnungen erzogen, hielt es

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/788>, abgerufen am 26.04.2024.