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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 2. Göttingen, 1803.

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Wind den Saamen von diesen Pflanzen nicht konnte
hingeführt haben.

Man nehme den Wind oder Insekten für die
Verbreiter der Pflanzensaamen an, man wird auf
jeden Fall Schwürigkeiten über Schwürigkeiten fin-
den, wenn man die Entstehung der Gewächse bey
diesen Beobachtungen aus Saamen erklären will.

Noch schwüriger in dieser Hinsicht ist eine
Erfahrung, welche Henkel, einer der scharfsin-
nigsten unter den ältern Vertheidigern der gene-
ratio aequivoca, machte. Dieser grub im Frühjah-
re Erde aus einer Tiefe von 2 Fuss, setzte sie in
einem Topfe an den höchsten Ort des Hauses un-
ter freyem Himmel, und verwahrte den letztern
so, dass niemand hinzu kommen konnte. Nach
zwey bis drittehalb Monaten waren junge Pflanzen
aufgegangen, die sich von Ausläufern aus alten
Wurzeln sehr deutlich unterschieden, und in der
Folge als Gras und Eyternesseln (Urtica urens L.)
zeigten. Diese Gewächse nun konnten nicht von
einem aus der Luft herbeygeführten Saamen her-
rühren, weil es nicht im Herbste, wo die Saamen-
schooten reifen, bersten, ausfallen und sich zer-
streuen, sondern im Frühlinge war. Eben so we-
nig konnte der Saame in der Erde gelegen haben,
denn diese war zuverlässig wenigstens seit 30 Jah-
ren nicht umgegraben worden. Und wäre auch vor
dieser Zeit Saamen mit der Erde vermengt und ver-

schüt-

Wind den Saamen von diesen Pflanzen nicht konnte
hingeführt haben.

Man nehme den Wind oder Insekten für die
Verbreiter der Pflanzensaamen an, man wird auf
jeden Fall Schwürigkeiten über Schwürigkeiten fin-
den, wenn man die Entstehung der Gewächse bey
diesen Beobachtungen aus Saamen erklären will.

Noch schwüriger in dieser Hinsicht ist eine
Erfahrung, welche Henkel, einer der scharfsin-
nigsten unter den ältern Vertheidigern der gene-
ratio aequìvoca, machte. Dieser grub im Frühjah-
re Erde aus einer Tiefe von 2 Fuſs, setzte sie in
einem Topfe an den höchsten Ort des Hauses un-
ter freyem Himmel, und verwahrte den letztern
so, daſs niemand hinzu kommen konnte. Nach
zwey bis drittehalb Monaten waren junge Pflanzen
aufgegangen, die sich von Ausläufern aus alten
Wurzeln sehr deutlich unterschieden, und in der
Folge als Gras und Eyternesseln (Urtica urens L.)
zeigten. Diese Gewächse nun konnten nicht von
einem aus der Luft herbeygeführten Saamen her-
rühren, weil es nicht im Herbste, wo die Saamen-
schooten reifen, bersten, ausfallen und sich zer-
streuen, sondern im Frühlinge war. Eben so we-
nig konnte der Saame in der Erde gelegen haben,
denn diese war zuverlässig wenigstens seit 30 Jah-
ren nicht umgegraben worden. Und wäre auch vor
dieser Zeit Saamen mit der Erde vermengt und ver-

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[364/0374] Wind den Saamen von diesen Pflanzen nicht konnte hingeführt haben. Man nehme den Wind oder Insekten für die Verbreiter der Pflanzensaamen an, man wird auf jeden Fall Schwürigkeiten über Schwürigkeiten fin- den, wenn man die Entstehung der Gewächse bey diesen Beobachtungen aus Saamen erklären will. Noch schwüriger in dieser Hinsicht ist eine Erfahrung, welche Henkel, einer der scharfsin- nigsten unter den ältern Vertheidigern der gene- ratio aequìvoca, machte. Dieser grub im Frühjah- re Erde aus einer Tiefe von 2 Fuſs, setzte sie in einem Topfe an den höchsten Ort des Hauses un- ter freyem Himmel, und verwahrte den letztern so, daſs niemand hinzu kommen konnte. Nach zwey bis drittehalb Monaten waren junge Pflanzen aufgegangen, die sich von Ausläufern aus alten Wurzeln sehr deutlich unterschieden, und in der Folge als Gras und Eyternesseln (Urtica urens L.) zeigten. Diese Gewächse nun konnten nicht von einem aus der Luft herbeygeführten Saamen her- rühren, weil es nicht im Herbste, wo die Saamen- schooten reifen, bersten, ausfallen und sich zer- streuen, sondern im Frühlinge war. Eben so we- nig konnte der Saame in der Erde gelegen haben, denn diese war zuverlässig wenigstens seit 30 Jah- ren nicht umgegraben worden. Und wäre auch vor dieser Zeit Saamen mit der Erde vermengt und ver- schüt-

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 2. Göttingen, 1803, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie02_1803/374>, abgerufen am 26.04.2024.