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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814.

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die ich so präparirt hatte, dass sie blos noch
durch ihre Nerven mit dem von dem Gehirn und
dem ganzen übrigen Körper getrennten Rücken-
mark zusammenhingen, zogen sich, wenn sie an
den Zehen gedrückt oder gekniffen wurden, auf
dieselbe Art zurück, als ob sie noch dem gan-
zen lebenden Frosch angehört hätten. Dauerte in
diesen Gliedern, worin die eigenthümlichen Sen-
sibilitätsäusserungen noch vorhanden waren, auch
der Blutumlauf noch fort? Le Gallois's eigene
Worte in seiner Beschreibung der obigen Versu-
che beweisen aber, dass er oft allein aus diesem
trüglichen Kennzeichen auf die Fortdauer des
Kreislaufs geschlossen hat.

Doch setzen wir dies auch bey Seite, so be-
weisen die obigen Erfahrungen doch nicht das
mindeste für Le Gallois's Hypothese. Es ist ein-
leuchtend, dass die Unterbindungen der Gefässe
nichts thun können, als das von dem Herzen
kommende Blut aufhalten, und dasselbe nöthigen,
durch die anastomosirenden Adern einen kürzern
Weg zu nehmen. Aber bringt denn nicht das in
den Gefässen der gelähmten Theile stockende Blut
schon dieselbe Wirkung hervor? Dass die Bewe-
gung des Bluts in der Nähe des Herzens länger
dauert, wenn man einen Theil der Gefässe vor
der partiellen Zerstörung des Rückenmarks unter-
bunden hat, als wenn keine Ligaturen angelegt

sind,

die ich so präparirt hatte, daſs sie blos noch
durch ihre Nerven mit dem von dem Gehirn und
dem ganzen übrigen Körper getrennten Rücken-
mark zusammenhingen, zogen sich, wenn sie an
den Zehen gedrückt oder gekniffen wurden, auf
dieselbe Art zurück, als ob sie noch dem gan-
zen lebenden Frosch angehört hätten. Dauerte in
diesen Gliedern, worin die eigenthümlichen Sen-
sibilitätsäuſserungen noch vorhanden waren, auch
der Blutumlauf noch fort? Le Gallois’s eigene
Worte in seiner Beschreibung der obigen Versu-
che beweisen aber, daſs er oft allein aus diesem
trüglichen Kennzeichen auf die Fortdauer des
Kreislaufs geschlossen hat.

Doch setzen wir dies auch bey Seite, so be-
weisen die obigen Erfahrungen doch nicht das
mindeste für Le Gallois’s Hypothese. Es ist ein-
leuchtend, daſs die Unterbindungen der Gefäſse
nichts thun können, als das von dem Herzen
kommende Blut aufhalten, und dasselbe nöthigen,
durch die anastomosirenden Adern einen kürzern
Weg zu nehmen. Aber bringt denn nicht das in
den Gefäſsen der gelähmten Theile stockende Blut
schon dieselbe Wirkung hervor? Daſs die Bewe-
gung des Bluts in der Nähe des Herzens länger
dauert, wenn man einen Theil der Gefäſse vor
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bunden hat, als wenn keine Ligaturen angelegt

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[276/0292] die ich so präparirt hatte, daſs sie blos noch durch ihre Nerven mit dem von dem Gehirn und dem ganzen übrigen Körper getrennten Rücken- mark zusammenhingen, zogen sich, wenn sie an den Zehen gedrückt oder gekniffen wurden, auf dieselbe Art zurück, als ob sie noch dem gan- zen lebenden Frosch angehört hätten. Dauerte in diesen Gliedern, worin die eigenthümlichen Sen- sibilitätsäuſserungen noch vorhanden waren, auch der Blutumlauf noch fort? Le Gallois’s eigene Worte in seiner Beschreibung der obigen Versu- che beweisen aber, daſs er oft allein aus diesem trüglichen Kennzeichen auf die Fortdauer des Kreislaufs geschlossen hat. Doch setzen wir dies auch bey Seite, so be- weisen die obigen Erfahrungen doch nicht das mindeste für Le Gallois’s Hypothese. Es ist ein- leuchtend, daſs die Unterbindungen der Gefäſse nichts thun können, als das von dem Herzen kommende Blut aufhalten, und dasselbe nöthigen, durch die anastomosirenden Adern einen kürzern Weg zu nehmen. Aber bringt denn nicht das in den Gefäſsen der gelähmten Theile stockende Blut schon dieselbe Wirkung hervor? Daſs die Bewe- gung des Bluts in der Nähe des Herzens länger dauert, wenn man einen Theil der Gefäſse vor der partiellen Zerstörung des Rückenmarks unter- bunden hat, als wenn keine Ligaturen angelegt sind,

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/292>, abgerufen am 15.05.2024.