geniessen. Der Schmetterling bedient sich seiner Flügel, seiner Füsse und seines Rüssels gleich, nachdem er seine Hülle abgestreift hat und diese Theile sich entfaltet haben, mit der nehmlichen Leichtigkeit wie in der Folge. Alle willkührliche Bewegungen setzen schon Instinkt voraus. Die Seele giebt zu diesen den Befehl; doch ohne den Instinkt würden ihre Befehle nicht ausgeführt werden. Sie handelt nach Ueberlegung; sie wählt ihre Mittel, verwirft die unpassenden und ver- bessert die unvollkommenen. Ueberlegen, Wäh- len, Verwerfen und Verbessern ist ihr aber nur bey Gegenständen der äussern Sinne möglich. Sie kennt nicht die Nerven, worauf sie zu wirken hat, um gewisse Bewegungen hervorzubringen. Der Instinkt lässt sich auch keinesweges von dem Gefühl des körperlichen Zustandes, von dem, was Reil das Gemeingefühl nannte, ableiten. "Der junge Vogel", sagt dieser Schriftsteller c), "der auch ohne seine Mutter erzogen wird, fühlt "die Kraft seiner Brustmuskeln und die Bestim- "mung seiner Flügel, und versucht zu fliegen, "das Kalb zu stossen." Aber das Gefühl der Kraft eines Muskels enthält nicht den Grund der zweckmässigen Anwendung desselben. Dieser liegt allerdings in dem Gefühl der Bestimmung des
Mus-
c) Abhandl. über das Gemeingefühl. S. 174. In De la Roche's Zergliederung der Verrichtungen des Ner- vensystems. Uebers. von Merzdorf. Th. 2.
genieſsen. Der Schmetterling bedient sich seiner Flügel, seiner Füſse und seines Rüssels gleich, nachdem er seine Hülle abgestreift hat und diese Theile sich entfaltet haben, mit der nehmlichen Leichtigkeit wie in der Folge. Alle willkührliche Bewegungen setzen schon Instinkt voraus. Die Seele giebt zu diesen den Befehl; doch ohne den Instinkt würden ihre Befehle nicht ausgeführt werden. Sie handelt nach Ueberlegung; sie wählt ihre Mittel, verwirft die unpassenden und ver- bessert die unvollkommenen. Ueberlegen, Wäh- len, Verwerfen und Verbessern ist ihr aber nur bey Gegenständen der äuſsern Sinne möglich. Sie kennt nicht die Nerven, worauf sie zu wirken hat, um gewisse Bewegungen hervorzubringen. Der Instinkt läſst sich auch keinesweges von dem Gefühl des körperlichen Zustandes, von dem, was Reil das Gemeingefühl nannte, ableiten. “Der junge Vogel”, sagt dieser Schriftsteller c), “der auch ohne seine Mutter erzogen wird, fühlt „die Kraft seiner Brustmuskeln und die Bestim- „mung seiner Flügel, und versucht zu fliegen, „das Kalb zu stoſsen.” Aber das Gefühl der Kraft eines Muskels enthält nicht den Grund der zweckmäſsigen Anwendung desselben. Dieser liegt allerdings in dem Gefühl der Bestimmung des
Mus-
c) Abhandl. über das Gemeingefühl. S. 174. In De la Roche’s Zergliederung der Verrichtungen des Ner- vensystems. Uebers. von Merzdorf. Th. 2.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0446"n="434"/>
genieſsen. Der Schmetterling bedient sich seiner<lb/>
Flügel, seiner Füſse und seines Rüssels gleich,<lb/>
nachdem er seine Hülle abgestreift hat und diese<lb/>
Theile sich entfaltet haben, mit der nehmlichen<lb/>
Leichtigkeit wie in der Folge. Alle willkührliche<lb/>
Bewegungen setzen schon Instinkt voraus. Die<lb/>
Seele giebt zu diesen den Befehl; doch ohne den<lb/>
Instinkt würden ihre Befehle nicht ausgeführt<lb/>
werden. Sie handelt nach Ueberlegung; sie wählt<lb/>
ihre Mittel, verwirft die unpassenden und ver-<lb/>
bessert die unvollkommenen. Ueberlegen, Wäh-<lb/>
len, Verwerfen und Verbessern ist ihr aber nur<lb/>
bey Gegenständen der äuſsern Sinne möglich. Sie<lb/>
kennt nicht die Nerven, worauf sie zu wirken<lb/>
hat, um gewisse Bewegungen hervorzubringen.<lb/>
Der Instinkt läſst sich auch keinesweges von dem<lb/>
Gefühl des körperlichen Zustandes, von dem,<lb/>
was <hirendition="#k">Reil</hi> das Gemeingefühl nannte, ableiten.<lb/>“Der junge Vogel”, sagt dieser Schriftsteller <noteplace="foot"n="c)">Abhandl. über das Gemeingefühl. S. 174. In <hirendition="#k">De la<lb/>
Roche</hi>’s Zergliederung der Verrichtungen des Ner-<lb/>
vensystems. Uebers. von <hirendition="#k">Merzdorf</hi>. Th. 2.</note>,<lb/>“der auch ohne seine Mutter erzogen wird, fühlt<lb/>„die Kraft seiner Brustmuskeln und die Bestim-<lb/>„mung seiner Flügel, und versucht zu fliegen,<lb/>„das Kalb zu stoſsen.” Aber das Gefühl der<lb/>
Kraft eines Muskels enthält nicht den Grund der<lb/>
zweckmäſsigen Anwendung desselben. Dieser liegt<lb/>
allerdings in dem Gefühl der Bestimmung des<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Mus-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[434/0446]
genieſsen. Der Schmetterling bedient sich seiner
Flügel, seiner Füſse und seines Rüssels gleich,
nachdem er seine Hülle abgestreift hat und diese
Theile sich entfaltet haben, mit der nehmlichen
Leichtigkeit wie in der Folge. Alle willkührliche
Bewegungen setzen schon Instinkt voraus. Die
Seele giebt zu diesen den Befehl; doch ohne den
Instinkt würden ihre Befehle nicht ausgeführt
werden. Sie handelt nach Ueberlegung; sie wählt
ihre Mittel, verwirft die unpassenden und ver-
bessert die unvollkommenen. Ueberlegen, Wäh-
len, Verwerfen und Verbessern ist ihr aber nur
bey Gegenständen der äuſsern Sinne möglich. Sie
kennt nicht die Nerven, worauf sie zu wirken
hat, um gewisse Bewegungen hervorzubringen.
Der Instinkt läſst sich auch keinesweges von dem
Gefühl des körperlichen Zustandes, von dem,
was Reil das Gemeingefühl nannte, ableiten.
“Der junge Vogel”, sagt dieser Schriftsteller c),
“der auch ohne seine Mutter erzogen wird, fühlt
„die Kraft seiner Brustmuskeln und die Bestim-
„mung seiner Flügel, und versucht zu fliegen,
„das Kalb zu stoſsen.” Aber das Gefühl der
Kraft eines Muskels enthält nicht den Grund der
zweckmäſsigen Anwendung desselben. Dieser liegt
allerdings in dem Gefühl der Bestimmung des
Mus-
c) Abhandl. über das Gemeingefühl. S. 174. In De la
Roche’s Zergliederung der Verrichtungen des Ner-
vensystems. Uebers. von Merzdorf. Th. 2.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/446>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.