Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

man einem Generalbaßisten zusieht. Dieser
hat nur allein die Noten des Basses vor sich
und muß nach gewissen über die Baßnoten ge-
setzten Ziffern ohne sich lange zu besinnen oder
aus dem Tacte zu kommen, so gleich den Di-
scant in der rechten Hand darzu greiffen, und
dieses noch darzu meistens in drey und vier-
stimmigen griffen. Hier giebet es in der That
eine besondere Belustigung ab, wenn man sich
vorstellet, daß die Sele eines Generalbaßisten
vom Anfange her so bestimmt sey, daß sie in
dieser Zeit eben von gewissen proportionirlich
gesetzten Fundamenttonen, bald eine Tertie,
bald eine Sexte oder Septime abzähle und zu
der erstern eine Quinte und Octav, zum an-
dern beyden aber eine Tertie zu greiffen sich
vornehme. Wiederum daß die Finger des Or-
ganisten in der lincken Hand, so geschaffen wä-
ren, daß sie eben ietzt einen Baß von denen
Noten abspielen, und einen Discant darzu grei-
fen müsten, welcher mit Ziffern oder andern
Zeichen ausgedruckt ist. Alle willkührlichen
Bewegungen bestätigen meinen Satz auf das
allergewisseste. Ja, ich getraue mir zu behau-
pten, daß aller Unterschied zwischen willkühr-
lichen und nothwendigen Bewegungen wegfal-
le, wenn man nicht zugeben will, daß die Se-
le eine Ursach derselben sey. Vielleicht hält
man es vor eine Kleinigkeit, diesen Satz zuzu-
geben, weil er so natürlich folget; allein ich
dächte diese Kleinigkeit wäre wohl noch von ei-

niger

man einem Generalbaßiſten zuſieht. Dieſer
hat nur allein die Noten des Baſſes vor ſich
und muß nach gewiſſen uͤber die Baßnoten ge-
ſetzten Ziffern ohne ſich lange zu beſinnen oder
aus dem Tacte zu kommen, ſo gleich den Di-
ſcant in der rechten Hand darzu greiffen, und
dieſes noch darzu meiſtens in drey und vier-
ſtimmigen griffen. Hier giebet es in der That
eine beſondere Beluſtigung ab, wenn man ſich
vorſtellet, daß die Sele eines Generalbaßiſten
vom Anfange her ſo beſtimmt ſey, daß ſie in
dieſer Zeit eben von gewiſſen proportionirlich
geſetzten Fundamenttonen, bald eine Tertie,
bald eine Sexte oder Septime abzaͤhle und zu
der erſtern eine Quinte und Octav, zum an-
dern beyden aber eine Tertie zu greiffen ſich
vornehme. Wiederum daß die Finger des Or-
ganiſten in der lincken Hand, ſo geſchaffen waͤ-
ren, daß ſie eben ietzt einen Baß von denen
Noten abſpielen, und einen Diſcant darzu grei-
fen muͤſten, welcher mit Ziffern oder andern
Zeichen ausgedruckt iſt. Alle willkuͤhrlichen
Bewegungen beſtaͤtigen meinen Satz auf das
allergewiſſeſte. Ja, ich getraue mir zu behau-
pten, daß aller Unterſchied zwiſchen willkuͤhr-
lichen und nothwendigen Bewegungen wegfal-
le, wenn man nicht zugeben will, daß die Se-
le eine Urſach derſelben ſey. Vielleicht haͤlt
man es vor eine Kleinigkeit, dieſen Satz zuzu-
geben, weil er ſo natuͤrlich folget; allein ich
daͤchte dieſe Kleinigkeit waͤre wohl noch von ei-

niger
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="96"/>
man einem Generalbaßi&#x017F;ten zu&#x017F;ieht. Die&#x017F;er<lb/>
hat nur allein die Noten des Ba&#x017F;&#x017F;es vor &#x017F;ich<lb/>
und muß nach gewi&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber die Baßnoten ge-<lb/>
&#x017F;etzten Ziffern ohne &#x017F;ich lange zu be&#x017F;innen oder<lb/>
aus dem Tacte zu kommen, &#x017F;o gleich den Di-<lb/>
&#x017F;cant in der rechten Hand darzu greiffen, und<lb/>
die&#x017F;es noch darzu mei&#x017F;tens in drey und vier-<lb/>
&#x017F;timmigen griffen. Hier giebet es in der That<lb/>
eine be&#x017F;ondere Belu&#x017F;tigung ab, wenn man &#x017F;ich<lb/>
vor&#x017F;tellet, daß die Sele eines Generalbaßi&#x017F;ten<lb/>
vom Anfange her &#x017F;o be&#x017F;timmt &#x017F;ey, daß &#x017F;ie in<lb/>
die&#x017F;er Zeit eben von gewi&#x017F;&#x017F;en proportionirlich<lb/>
ge&#x017F;etzten Fundamenttonen, bald eine Tertie,<lb/>
bald eine Sexte oder Septime abza&#x0364;hle und zu<lb/>
der er&#x017F;tern eine Quinte und Octav, zum an-<lb/>
dern beyden aber eine Tertie zu greiffen &#x017F;ich<lb/>
vornehme. Wiederum daß die Finger des Or-<lb/>
gani&#x017F;ten in der lincken Hand, &#x017F;o ge&#x017F;chaffen wa&#x0364;-<lb/>
ren, daß &#x017F;ie eben ietzt einen Baß von denen<lb/>
Noten ab&#x017F;pielen, und einen Di&#x017F;cant darzu grei-<lb/>
fen mu&#x0364;&#x017F;ten, welcher mit Ziffern oder andern<lb/>
Zeichen ausgedruckt i&#x017F;t. Alle willku&#x0364;hrlichen<lb/>
Bewegungen be&#x017F;ta&#x0364;tigen meinen Satz auf das<lb/>
allergewi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te. Ja, ich getraue mir zu behau-<lb/>
pten, daß aller Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen willku&#x0364;hr-<lb/>
lichen und nothwendigen Bewegungen wegfal-<lb/>
le, wenn man nicht zugeben will, daß die Se-<lb/>
le eine Ur&#x017F;ach der&#x017F;elben &#x017F;ey. Vielleicht ha&#x0364;lt<lb/>
man es vor eine Kleinigkeit, die&#x017F;en Satz zuzu-<lb/>
geben, weil er &#x017F;o natu&#x0364;rlich folget; allein ich<lb/>
da&#x0364;chte die&#x017F;e Kleinigkeit wa&#x0364;re wohl noch von ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">niger</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0126] man einem Generalbaßiſten zuſieht. Dieſer hat nur allein die Noten des Baſſes vor ſich und muß nach gewiſſen uͤber die Baßnoten ge- ſetzten Ziffern ohne ſich lange zu beſinnen oder aus dem Tacte zu kommen, ſo gleich den Di- ſcant in der rechten Hand darzu greiffen, und dieſes noch darzu meiſtens in drey und vier- ſtimmigen griffen. Hier giebet es in der That eine beſondere Beluſtigung ab, wenn man ſich vorſtellet, daß die Sele eines Generalbaßiſten vom Anfange her ſo beſtimmt ſey, daß ſie in dieſer Zeit eben von gewiſſen proportionirlich geſetzten Fundamenttonen, bald eine Tertie, bald eine Sexte oder Septime abzaͤhle und zu der erſtern eine Quinte und Octav, zum an- dern beyden aber eine Tertie zu greiffen ſich vornehme. Wiederum daß die Finger des Or- ganiſten in der lincken Hand, ſo geſchaffen waͤ- ren, daß ſie eben ietzt einen Baß von denen Noten abſpielen, und einen Diſcant darzu grei- fen muͤſten, welcher mit Ziffern oder andern Zeichen ausgedruckt iſt. Alle willkuͤhrlichen Bewegungen beſtaͤtigen meinen Satz auf das allergewiſſeſte. Ja, ich getraue mir zu behau- pten, daß aller Unterſchied zwiſchen willkuͤhr- lichen und nothwendigen Bewegungen wegfal- le, wenn man nicht zugeben will, daß die Se- le eine Urſach derſelben ſey. Vielleicht haͤlt man es vor eine Kleinigkeit, dieſen Satz zuzu- geben, weil er ſo natuͤrlich folget; allein ich daͤchte dieſe Kleinigkeit waͤre wohl noch von ei- niger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/126
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/126>, abgerufen am 28.04.2024.