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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Lyrische Gedichte
Horaz trinkt Chier-Wein und jauchzt bey seinem
Weine:
Sein ewiger Gesang ertönt in Tiburs Hayne
Nur an der weisen Wollust Brust.
Der Wollust weihe deine Leyer!
Bloß diese Mutter wahrer Lust
Beseelt ein Lied mit ächtem Reiz und Feuer.
Die wache Sorge mag an schlechten Seelen nagen!
Dem Thoren fehlt es nie an selbstgemachten Plagen:
Jhn quält ein Tand, ein dunkler Traum.
Der Weise kann das Glück betrügen:
Auch wahres Uebel fühlt er kaum;
Und macht sichs leicht und macht es zu Vergnügen.
Mit mancher Bluhme lacht die rauhe Bahn des Le-
bens:
Auf! pflückt sie! säumt ihr euch? sie welkt und war ver-
gebens,
Und ihr' und eure Zeit verläuft.
O Thorheit! daß mit faulen Händen
Jhr nach erwünschten Freuden greift,
Die doch so schnell die leichten Flügel wenden!
Seyd
Lyriſche Gedichte
Horaz trinkt Chier-Wein und jauchzt bey ſeinem
Weine:
Sein ewiger Geſang ertoͤnt in Tiburs Hayne
Nur an der weiſen Wolluſt Bruſt.
Der Wolluſt weihe deine Leyer!
Bloß dieſe Mutter wahrer Luſt
Beſeelt ein Lied mit aͤchtem Reiz und Feuer.
Die wache Sorge mag an ſchlechten Seelen nagen!
Dem Thoren fehlt es nie an ſelbſtgemachten Plagen:
Jhn quaͤlt ein Tand, ein dunkler Traum.
Der Weiſe kann das Gluͤck betruͤgen:
Auch wahres Uebel fuͤhlt er kaum;
Und macht ſichs leicht und macht es zu Vergnuͤgen.
Mit mancher Bluhme lacht die rauhe Bahn des Le-
bens:
Auf! pfluͤckt ſie! ſaͤumt ihr euch? ſie welkt und war ver-
gebens,
Und ihr’ und eure Zeit verlaͤuft.
O Thorheit! daß mit faulen Haͤnden
Jhr nach erwuͤnſchten Freuden greift,
Die doch ſo ſchnell die leichten Fluͤgel wenden!
Seyd
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[114/0128] Lyriſche Gedichte Horaz trinkt Chier-Wein und jauchzt bey ſeinem Weine: Sein ewiger Geſang ertoͤnt in Tiburs Hayne Nur an der weiſen Wolluſt Bruſt. Der Wolluſt weihe deine Leyer! Bloß dieſe Mutter wahrer Luſt Beſeelt ein Lied mit aͤchtem Reiz und Feuer. Die wache Sorge mag an ſchlechten Seelen nagen! Dem Thoren fehlt es nie an ſelbſtgemachten Plagen: Jhn quaͤlt ein Tand, ein dunkler Traum. Der Weiſe kann das Gluͤck betruͤgen: Auch wahres Uebel fuͤhlt er kaum; Und macht ſichs leicht und macht es zu Vergnuͤgen. Mit mancher Bluhme lacht die rauhe Bahn des Le- bens: Auf! pfluͤckt ſie! ſaͤumt ihr euch? ſie welkt und war ver- gebens, Und ihr’ und eure Zeit verlaͤuft. O Thorheit! daß mit faulen Haͤnden Jhr nach erwuͤnſchten Freuden greift, Die doch ſo ſchnell die leichten Fluͤgel wenden! Seyd

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/128>, abgerufen am 14.05.2024.