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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Sieg des Liebesgottes


Viertes Buch.
Es war der Liebesgott Selinden nachgeflogen,
Und hatte jeden Blick mit stummem Ernst erwogen:
Sein scharfes Auge sah die große Wahrheit ein,
Selinde würde nicht unüberwindlich seyn.
Sie soll, vermaß er sich, doch endlich unterliegen;
Und kann der Weise nicht ihr weiblich Herz besiegen,
So siege Selimor und ohne Hinderniß!
Nur er ist ihrer werth, ihm ist ihr Herz gewiß.
Der Gott versuchte nun, zu glücklichem Bestreben
Des müden Stutzers Muth aufs neue zu beleben.
Dir ist Selinde hold, blies Amor ihm ins Ohr;
Du aber wagest nichts, o nicht mehr Selimor!
Du zauderst, bis vielleicht dich ein Pedant verdrungen,
Nachdem so mancher Sieg dir in Paris gelungen,
Wo manche Gräfin von * *, die Venus ihrer Stadt,
Selbst eine * Paris einst dich angebetet hat.
Nun übe, was du weist, was Frankreich dich gelehret!
Verschmäht Selinde dich, so seh ich dich entehret.
Auf! schleiche dich mit ihr ins nahe Gartenhaus!
Was kluge Liebe wünscht, führ' edle Kühnheit aus.
Er
* S. Canevas l de l' histoire de la Paris ou de l' Hotel
du Roule.
1750.
Sieg des Liebesgottes


Viertes Buch.
Es war der Liebesgott Selinden nachgeflogen,
Und hatte jeden Blick mit ſtummem Ernſt erwogen:
Sein ſcharfes Auge ſah die große Wahrheit ein,
Selinde wuͤrde nicht unuͤberwindlich ſeyn.
Sie ſoll, vermaß er ſich, doch endlich unterliegen;
Und kann der Weiſe nicht ihr weiblich Herz beſiegen,
So ſiege Selimor und ohne Hinderniß!
Nur er iſt ihrer werth, ihm iſt ihr Herz gewiß.
Der Gott verſuchte nun, zu gluͤcklichem Beſtreben
Des muͤden Stutzers Muth aufs neue zu beleben.
Dir iſt Selinde hold, blies Amor ihm ins Ohr;
Du aber wageſt nichts, o nicht mehr Selimor!
Du zauderſt, bis vielleicht dich ein Pedant verdrungen,
Nachdem ſo mancher Sieg dir in Paris gelungen,
Wo manche Graͤfin von * *, die Venus ihrer Stadt,
Selbſt eine * Paris einſt dich angebetet hat.
Nun uͤbe, was du weiſt, was Frankreich dich gelehret!
Verſchmaͤht Selinde dich, ſo ſeh ich dich entehret.
Auf! ſchleiche dich mit ihr ins nahe Gartenhaus!
Was kluge Liebe wuͤnſcht, fuͤhr’ edle Kuͤhnheit aus.
Er
* S. Canevas l de l’ hiſtoire de la Paris ou de l’ Hôtel
du Roule.
1750.
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[190/0204] Sieg des Liebesgottes Viertes Buch. Es war der Liebesgott Selinden nachgeflogen, Und hatte jeden Blick mit ſtummem Ernſt erwogen: Sein ſcharfes Auge ſah die große Wahrheit ein, Selinde wuͤrde nicht unuͤberwindlich ſeyn. Sie ſoll, vermaß er ſich, doch endlich unterliegen; Und kann der Weiſe nicht ihr weiblich Herz beſiegen, So ſiege Selimor und ohne Hinderniß! Nur er iſt ihrer werth, ihm iſt ihr Herz gewiß. Der Gott verſuchte nun, zu gluͤcklichem Beſtreben Des muͤden Stutzers Muth aufs neue zu beleben. Dir iſt Selinde hold, blies Amor ihm ins Ohr; Du aber wageſt nichts, o nicht mehr Selimor! Du zauderſt, bis vielleicht dich ein Pedant verdrungen, Nachdem ſo mancher Sieg dir in Paris gelungen, Wo manche Graͤfin von * *, die Venus ihrer Stadt, Selbſt eine * Paris einſt dich angebetet hat. Nun uͤbe, was du weiſt, was Frankreich dich gelehret! Verſchmaͤht Selinde dich, ſo ſeh ich dich entehret. Auf! ſchleiche dich mit ihr ins nahe Gartenhaus! Was kluge Liebe wuͤnſcht, fuͤhr’ edle Kuͤhnheit aus. Er * S. Canevas l de l’ hiſtoire de la Paris ou de l’ Hôtel du Roule. 1750.

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/204>, abgerufen am 15.05.2024.