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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Briefe.
Das träge Thier alsdann, beschwert mit neuen Säcken,
Die Ohren hangen läßt, und melancholisch schleicht:
Mit gleicher traurigen Geberde
Gieng ich im Jnnersten der Erde,
Wo durch die unerhellte Nacht
Mein Alter mich zum Gnomen führte.
Er schien mir, wie ich ihn gedacht,
Klein, häßlich, erdenbleich und stolz auf seinen Schacht.
Die Höhle, seine Wohnung, zierte
Was Tellus kostbars zeugt, der Geiz mit Angst bewacht,
Und Narren unerträglich macht.
Ein grosser Affe warf beym Eingang mich mit Kothe:
Jch stutzt' und wich zurück; doch als der Gnom' ihm
drohte,
Dann ihm zween derbe Streiche gab,
So ließ er zornig von mir ab,
Und hatte Lust mich anzuspeyen,
Wandt endlich sich hinweg, und zeigte mir den Steis.
Mit Lachen sprach der Geist zu seines Lieblings Preis:
Es ist mein Hofpoet; man muß ihm was verzeihen.
Er spaßt stets aufgeweckt und fein.
Jch geb ihm Brod, mit Schäckereyen
Mich, eh ich schlafe, zu erfreuen:
Denn seine Scherze schläfern ein.
Seyd ihr Poeten sonst was nütze?
Wenn ihr nicht Possen macht, so bleibt bey eurer Pfütze,
Bey Hypokrenen, ohne Wein!
Dieser
Briefe.
Das traͤge Thier alsdann, beſchwert mit neuen Saͤcken,
Die Ohren hangen laͤßt, und melancholiſch ſchleicht:
Mit gleicher traurigen Geberde
Gieng ich im Jnnerſten der Erde,
Wo durch die unerhellte Nacht
Mein Alter mich zum Gnomen fuͤhrte.
Er ſchien mir, wie ich ihn gedacht,
Klein, haͤßlich, erdenbleich und ſtolz auf ſeinen Schacht.
Die Hoͤhle, ſeine Wohnung, zierte
Was Tellus koſtbars zeugt, der Geiz mit Angſt bewacht,
Und Narren unertraͤglich macht.
Ein groſſer Affe warf beym Eingang mich mit Kothe:
Jch ſtutzt’ und wich zuruͤck; doch als der Gnom’ ihm
drohte,
Dann ihm zween derbe Streiche gab,
So ließ er zornig von mir ab,
Und hatte Luſt mich anzuſpeyen,
Wandt endlich ſich hinweg, und zeigte mir den Steis.
Mit Lachen ſprach der Geiſt zu ſeines Lieblings Preis:
Es iſt mein Hofpoet; man muß ihm was verzeihen.
Er ſpaßt ſtets aufgeweckt und fein.
Jch geb ihm Brod, mit Schaͤckereyen
Mich, eh ich ſchlafe, zu erfreuen:
Denn ſeine Scherze ſchlaͤfern ein.
Seyd ihr Poeten ſonſt was nuͤtze?
Wenn ihr nicht Poſſen macht, ſo bleibt bey eurer Pfuͤtze,
Bey Hypokrenen, ohne Wein!
Dieſer
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[210/0224] Briefe. Das traͤge Thier alsdann, beſchwert mit neuen Saͤcken, Die Ohren hangen laͤßt, und melancholiſch ſchleicht: Mit gleicher traurigen Geberde Gieng ich im Jnnerſten der Erde, Wo durch die unerhellte Nacht Mein Alter mich zum Gnomen fuͤhrte. Er ſchien mir, wie ich ihn gedacht, Klein, haͤßlich, erdenbleich und ſtolz auf ſeinen Schacht. Die Hoͤhle, ſeine Wohnung, zierte Was Tellus koſtbars zeugt, der Geiz mit Angſt bewacht, Und Narren unertraͤglich macht. Ein groſſer Affe warf beym Eingang mich mit Kothe: Jch ſtutzt’ und wich zuruͤck; doch als der Gnom’ ihm drohte, Dann ihm zween derbe Streiche gab, So ließ er zornig von mir ab, Und hatte Luſt mich anzuſpeyen, Wandt endlich ſich hinweg, und zeigte mir den Steis. Mit Lachen ſprach der Geiſt zu ſeines Lieblings Preis: Es iſt mein Hofpoet; man muß ihm was verzeihen. Er ſpaßt ſtets aufgeweckt und fein. Jch geb ihm Brod, mit Schaͤckereyen Mich, eh ich ſchlafe, zu erfreuen: Denn ſeine Scherze ſchlaͤfern ein. Seyd ihr Poeten ſonſt was nuͤtze? Wenn ihr nicht Poſſen macht, ſo bleibt bey eurer Pfuͤtze, Bey Hypokrenen, ohne Wein! Dieſer

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/224>, abgerufen am 15.05.2024.