Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Briefe.
rengehen dieselbe nicht leicht übergehest. Er hat geglaubt,
daß du vor diesem Besuch um so weniger erzittern wür-
dest, da du aus den cabbalistischen Briefen eines witzigen
Marquis, mit derer Durchlesung du einige Zeit her be-
schäftiget gewesen, eine richtigere Kenntniß der Geister
aller Arten geschöpfet hättest. Jch werde dich zu ihm
führen: folge mir! Jch läugne nicht, werthester Freund,
daß ich dieses unerwarteten Besuches gern überhoben ge-
wesen wäre.

Poeten sprechen zwar mit Geistern,
Trotz ausgelernten Hexenmeistern,
Vertraulich, kühn und ohne Scheu;
Jedoch, ich sag es frey,
Nur wann sie auf dem Pindus träumen,
Jn ihren Reimen.

Jch habe auch, die Wahrheit zu sagen, eben nicht viel
rühmliches von den Herren Gnomen gehört: sie sollen et-
was boshaft und überhaupt schlechte Christen seyn. Aber
ich war einmal in den Händen des Stärkern: ich muste
der Gewalt weichen, und folgte meinem Führer, wohin er
mich leitete.

Wie, wenn des Müllers brauner Stecken
Dem Esel, welcher ledig zeucht,
Von seiner Eselinn vielleicht,
Vielleicht von distelreichen Hecken
Gebietherisch verscheucht;
Das
O

Briefe.
rengehen dieſelbe nicht leicht uͤbergeheſt. Er hat geglaubt,
daß du vor dieſem Beſuch um ſo weniger erzittern wuͤr-
deſt, da du aus den cabbaliſtiſchen Briefen eines witzigen
Marquis, mit derer Durchleſung du einige Zeit her be-
ſchaͤftiget geweſen, eine richtigere Kenntniß der Geiſter
aller Arten geſchoͤpfet haͤtteſt. Jch werde dich zu ihm
fuͤhren: folge mir! Jch laͤugne nicht, wertheſter Freund,
daß ich dieſes unerwarteten Beſuches gern uͤberhoben ge-
weſen waͤre.

Poeten ſprechen zwar mit Geiſtern,
Trotz ausgelernten Hexenmeiſtern,
Vertraulich, kuͤhn und ohne Scheu;
Jedoch, ich ſag es frey,
Nur wann ſie auf dem Pindus traͤumen,
Jn ihren Reimen.

Jch habe auch, die Wahrheit zu ſagen, eben nicht viel
ruͤhmliches von den Herren Gnomen gehoͤrt: ſie ſollen et-
was boshaft und uͤberhaupt ſchlechte Chriſten ſeyn. Aber
ich war einmal in den Haͤnden des Staͤrkern: ich muſte
der Gewalt weichen, und folgte meinem Fuͤhrer, wohin er
mich leitete.

Wie, wenn des Muͤllers brauner Stecken
Dem Eſel, welcher ledig zeucht,
Von ſeiner Eſelinn vielleicht,
Vielleicht von diſtelreichen Hecken
Gebietheriſch verſcheucht;
Das
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="209"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Briefe.</hi></fw><lb/>
rengehen die&#x017F;elbe nicht leicht u&#x0364;bergehe&#x017F;t. Er hat geglaubt,<lb/>
daß du vor die&#x017F;em Be&#x017F;uch um &#x017F;o weniger erzittern wu&#x0364;r-<lb/>
de&#x017F;t, da du aus den cabbali&#x017F;ti&#x017F;chen Briefen eines witzigen<lb/>
Marquis, mit derer Durchle&#x017F;ung du einige Zeit her be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftiget gewe&#x017F;en, eine richtigere Kenntniß der Gei&#x017F;ter<lb/>
aller Arten ge&#x017F;cho&#x0364;pfet ha&#x0364;tte&#x017F;t. Jch werde dich zu ihm<lb/>
fu&#x0364;hren: folge mir! Jch la&#x0364;ugne nicht, werthe&#x017F;ter Freund,<lb/>
daß ich die&#x017F;es unerwarteten Be&#x017F;uches gern u&#x0364;berhoben ge-<lb/>
we&#x017F;en wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Poeten &#x017F;prechen zwar mit Gei&#x017F;tern,</l><lb/>
            <l>Trotz ausgelernten Hexenmei&#x017F;tern,</l><lb/>
            <l>Vertraulich, ku&#x0364;hn und ohne Scheu;</l><lb/>
            <l>Jedoch, ich &#x017F;ag es frey,</l><lb/>
            <l>Nur wann &#x017F;ie auf dem Pindus tra&#x0364;umen,</l><lb/>
            <l>Jn ihren Reimen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Jch habe auch, die Wahrheit zu &#x017F;agen, eben nicht viel<lb/>
ru&#x0364;hmliches von den Herren Gnomen geho&#x0364;rt: &#x017F;ie &#x017F;ollen et-<lb/>
was boshaft und u&#x0364;berhaupt &#x017F;chlechte Chri&#x017F;ten &#x017F;eyn. Aber<lb/>
ich war einmal in den Ha&#x0364;nden des Sta&#x0364;rkern: ich mu&#x017F;te<lb/>
der Gewalt weichen, und folgte meinem Fu&#x0364;hrer, wohin er<lb/>
mich leitete.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wie, wenn des Mu&#x0364;llers brauner Stecken</l><lb/>
            <l>Dem E&#x017F;el, welcher ledig zeucht,</l><lb/>
            <l>Von &#x017F;einer E&#x017F;elinn vielleicht,</l><lb/>
            <l>Vielleicht von di&#x017F;telreichen Hecken</l><lb/>
            <l>Gebietheri&#x017F;ch ver&#x017F;cheucht;</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">O</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0223] Briefe. rengehen dieſelbe nicht leicht uͤbergeheſt. Er hat geglaubt, daß du vor dieſem Beſuch um ſo weniger erzittern wuͤr- deſt, da du aus den cabbaliſtiſchen Briefen eines witzigen Marquis, mit derer Durchleſung du einige Zeit her be- ſchaͤftiget geweſen, eine richtigere Kenntniß der Geiſter aller Arten geſchoͤpfet haͤtteſt. Jch werde dich zu ihm fuͤhren: folge mir! Jch laͤugne nicht, wertheſter Freund, daß ich dieſes unerwarteten Beſuches gern uͤberhoben ge- weſen waͤre. Poeten ſprechen zwar mit Geiſtern, Trotz ausgelernten Hexenmeiſtern, Vertraulich, kuͤhn und ohne Scheu; Jedoch, ich ſag es frey, Nur wann ſie auf dem Pindus traͤumen, Jn ihren Reimen. Jch habe auch, die Wahrheit zu ſagen, eben nicht viel ruͤhmliches von den Herren Gnomen gehoͤrt: ſie ſollen et- was boshaft und uͤberhaupt ſchlechte Chriſten ſeyn. Aber ich war einmal in den Haͤnden des Staͤrkern: ich muſte der Gewalt weichen, und folgte meinem Fuͤhrer, wohin er mich leitete. Wie, wenn des Muͤllers brauner Stecken Dem Eſel, welcher ledig zeucht, Von ſeiner Eſelinn vielleicht, Vielleicht von diſtelreichen Hecken Gebietheriſch verſcheucht; Das O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/223
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/223>, abgerufen am 15.05.2024.