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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Briefe.
Und überlaß den Geiz der Kindheit grauer Jahre,
Dem Stolz der Ehre Sommer-Traum.
Die Sorgen stören ihn mit schreckenden Gestalten:
Durch Niederträchtigkeit wird, was ihn reizt, erlangt,
Durch Niederträchtigkeit erhalten;
Und schmilzt, wie Frühlings-Reif, der an der Son-
ne prangt.
Der große Liebling großer Fürsten
Mag unerquickt nach Ruhe dürsten:
Sie flieht ihn schüchtern überall.
Jn iedem dunkeln Laut, in Blicken und Geberden
Zeigt bange Furcht ihm seinen Fall:
Der Sklave fürchtet, frey zu werden!

Freund! von des Jrrthums Brust entwöhnt,
Laß dich kein Puppenspiel von güldner Freyheit schei-
den;
Und brich die Rosen aller Freuden,
Die keine Reu umdornt, kein spätes Ach! umtönt.
Der weisen Wollust sey dein Garten eingeweihet,
Die, von der Weisheit Hand gekrönt,
Mit ernster Tugend nie entzweihet,
Die ernste Tugend selbst mit wahrer Lust versöhnt.
Seh ich unter grünen Lauben,
Bey dem Gotte froher Trauben,
Und beym Saitenspiel der Musen,
An des besten Mädchens Busen,
Dich, vom sichern Busch verdeckt,
Unter

Briefe.
Und uͤberlaß den Geiz der Kindheit grauer Jahre,
Dem Stolz der Ehre Sommer-Traum.
Die Sorgen ſtoͤren ihn mit ſchreckenden Geſtalten:
Durch Niedertraͤchtigkeit wird, was ihn reizt, erlangt,
Durch Niedertraͤchtigkeit erhalten;
Und ſchmilzt, wie Fruͤhlings-Reif, der an der Son-
ne prangt.
Der große Liebling großer Fuͤrſten
Mag unerquickt nach Ruhe duͤrſten:
Sie flieht ihn ſchuͤchtern uͤberall.
Jn iedem dunkeln Laut, in Blicken und Geberden
Zeigt bange Furcht ihm ſeinen Fall:
Der Sklave fuͤrchtet, frey zu werden!

Freund! von des Jrrthums Bruſt entwoͤhnt,
Laß dich kein Puppenſpiel von guͤldner Freyheit ſchei-
den;
Und brich die Roſen aller Freuden,
Die keine Reu umdornt, kein ſpaͤtes Ach! umtoͤnt.
Der weiſen Wolluſt ſey dein Garten eingeweihet,
Die, von der Weisheit Hand gekroͤnt,
Mit ernſter Tugend nie entzweihet,
Die ernſte Tugend ſelbſt mit wahrer Luſt verſoͤhnt.
Seh ich unter gruͤnen Lauben,
Bey dem Gotte froher Trauben,
Und beym Saitenſpiel der Muſen,
An des beſten Maͤdchens Buſen,
Dich, vom ſichern Buſch verdeckt,
Unter
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[232/0246] Briefe. Und uͤberlaß den Geiz der Kindheit grauer Jahre, Dem Stolz der Ehre Sommer-Traum. Die Sorgen ſtoͤren ihn mit ſchreckenden Geſtalten: Durch Niedertraͤchtigkeit wird, was ihn reizt, erlangt, Durch Niedertraͤchtigkeit erhalten; Und ſchmilzt, wie Fruͤhlings-Reif, der an der Son- ne prangt. Der große Liebling großer Fuͤrſten Mag unerquickt nach Ruhe duͤrſten: Sie flieht ihn ſchuͤchtern uͤberall. Jn iedem dunkeln Laut, in Blicken und Geberden Zeigt bange Furcht ihm ſeinen Fall: Der Sklave fuͤrchtet, frey zu werden! Freund! von des Jrrthums Bruſt entwoͤhnt, Laß dich kein Puppenſpiel von guͤldner Freyheit ſchei- den; Und brich die Roſen aller Freuden, Die keine Reu umdornt, kein ſpaͤtes Ach! umtoͤnt. Der weiſen Wolluſt ſey dein Garten eingeweihet, Die, von der Weisheit Hand gekroͤnt, Mit ernſter Tugend nie entzweihet, Die ernſte Tugend ſelbſt mit wahrer Luſt verſoͤhnt. Seh ich unter gruͤnen Lauben, Bey dem Gotte froher Trauben, Und beym Saitenſpiel der Muſen, An des beſten Maͤdchens Buſen, Dich, vom ſichern Buſch verdeckt, Unter

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/246>, abgerufen am 15.05.2024.