Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweytes Buch.
So wüthen auch die zügellosen Triebe,
Die uns Natur mitleidig eingesenkt.
Sie brechen los; und Recht und Menschenliebe,
Was heilig ist, wird unbereüt gekränkt.
Nicht ungestraft! der Frevelthaten Menge
Bestraft in uns ein Richter voller Strenge.
Die Furien, in deren blutgen Händen,
Stets fürchterlich, die Dornen-Peitsche braust,
Verfolgen ihn, wann zwischen Marmor-Wänden
Der Lüste Sklav erraubtes Gut verschmaust.
Sein Aug entschläft: sein wachendes Gewissen
Stört seinen Schlaf mit gelber Nattern Bissen.
Unselig Glück! o ungeliebtes Leben!
Dergleichen Qual bezahlt kein Schatz der Welt.
Der Weise muß nach ächtern Freuden streben,
Die Klugheit würzt und Reue nicht vergällt.
Bin ich gesund an Leib und an Gemüthe;
So dank ich froh des Himmels milder Güte.
Wie thörigt ist, sich vieles nöthig machen,
Da die Natur nur weniges verlangt?
Jch werde satt und kann mit Freunden lachen,
Obgleich mein Tisch nicht fürstenmäßig prangt.
Muß edler Wein, den Blut und Seele fühlen,
Den eklen Durst allein aus Golde kühlen?
Gold
E 3
Zweytes Buch.
So wuͤthen auch die zuͤgelloſen Triebe,
Die uns Natur mitleidig eingeſenkt.
Sie brechen los; und Recht und Menſchenliebe,
Was heilig iſt, wird unbereuͤt gekraͤnkt.
Nicht ungeſtraft! der Frevelthaten Menge
Beſtraft in uns ein Richter voller Strenge.
Die Furien, in deren blutgen Haͤnden,
Stets fuͤrchterlich, die Dornen-Peitſche brauſt,
Verfolgen ihn, wann zwiſchen Marmor-Waͤnden
Der Luͤſte Sklav erraubtes Gut verſchmauſt.
Sein Aug entſchlaͤft: ſein wachendes Gewiſſen
Stoͤrt ſeinen Schlaf mit gelber Nattern Biſſen.
Unſelig Gluͤck! o ungeliebtes Leben!
Dergleichen Qual bezahlt kein Schatz der Welt.
Der Weiſe muß nach aͤchtern Freuden ſtreben,
Die Klugheit wuͤrzt und Reue nicht vergaͤllt.
Bin ich geſund an Leib und an Gemuͤthe;
So dank ich froh des Himmels milder Guͤte.
Wie thoͤrigt iſt, ſich vieles noͤthig machen,
Da die Natur nur weniges verlangt?
Jch werde ſatt und kann mit Freunden lachen,
Obgleich mein Tiſch nicht fuͤrſtenmaͤßig prangt.
Muß edler Wein, den Blut und Seele fuͤhlen,
Den eklen Durſt allein aus Golde kuͤhlen?
Gold
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0083" n="69"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="8">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>o wu&#x0364;then auch die zu&#x0364;gello&#x017F;en Triebe,</l><lb/>
              <l>Die uns Natur mitleidig einge&#x017F;enkt.</l><lb/>
              <l>Sie brechen los; und Recht und Men&#x017F;chenliebe,</l><lb/>
              <l>Was heilig i&#x017F;t, wird unbereu&#x0364;t gekra&#x0364;nkt.</l><lb/>
              <l>Nicht unge&#x017F;traft! der Frevelthaten Menge</l><lb/>
              <l>Be&#x017F;traft in uns ein Richter voller Strenge.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Furien, in deren blutgen Ha&#x0364;nden,</l><lb/>
              <l>Stets fu&#x0364;rchterlich, die Dornen-Peit&#x017F;che brau&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Verfolgen ihn, wann zwi&#x017F;chen Marmor-Wa&#x0364;nden</l><lb/>
              <l>Der Lu&#x0364;&#x017F;te Sklav erraubtes Gut ver&#x017F;chmau&#x017F;t.</l><lb/>
              <l>Sein Aug ent&#x017F;chla&#x0364;ft: &#x017F;ein wachendes Gewi&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Sto&#x0364;rt &#x017F;einen Schlaf mit gelber Nattern Bi&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l><hi rendition="#in">U</hi>n&#x017F;elig Glu&#x0364;ck! o ungeliebtes Leben!</l><lb/>
              <l>Dergleichen Qual bezahlt kein Schatz der Welt.</l><lb/>
              <l>Der Wei&#x017F;e muß nach a&#x0364;chtern Freuden &#x017F;treben,</l><lb/>
              <l>Die Klugheit wu&#x0364;rzt und Reue nicht verga&#x0364;llt.</l><lb/>
              <l>Bin ich ge&#x017F;und an Leib und an Gemu&#x0364;the;</l><lb/>
              <l>So dank ich froh des Himmels milder Gu&#x0364;te.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ie tho&#x0364;rigt i&#x017F;t, &#x017F;ich vieles no&#x0364;thig machen,</l><lb/>
              <l>Da die Natur nur weniges verlangt?</l><lb/>
              <l>Jch werde &#x017F;att und kann mit Freunden lachen,</l><lb/>
              <l>Obgleich mein Ti&#x017F;ch nicht fu&#x0364;r&#x017F;tenma&#x0364;ßig prangt.</l><lb/>
              <l>Muß edler Wein, den Blut und Seele fu&#x0364;hlen,</l><lb/>
              <l>Den eklen Dur&#x017F;t allein aus Golde ku&#x0364;hlen?</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Gold</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0083] Zweytes Buch. So wuͤthen auch die zuͤgelloſen Triebe, Die uns Natur mitleidig eingeſenkt. Sie brechen los; und Recht und Menſchenliebe, Was heilig iſt, wird unbereuͤt gekraͤnkt. Nicht ungeſtraft! der Frevelthaten Menge Beſtraft in uns ein Richter voller Strenge. Die Furien, in deren blutgen Haͤnden, Stets fuͤrchterlich, die Dornen-Peitſche brauſt, Verfolgen ihn, wann zwiſchen Marmor-Waͤnden Der Luͤſte Sklav erraubtes Gut verſchmauſt. Sein Aug entſchlaͤft: ſein wachendes Gewiſſen Stoͤrt ſeinen Schlaf mit gelber Nattern Biſſen. Unſelig Gluͤck! o ungeliebtes Leben! Dergleichen Qual bezahlt kein Schatz der Welt. Der Weiſe muß nach aͤchtern Freuden ſtreben, Die Klugheit wuͤrzt und Reue nicht vergaͤllt. Bin ich geſund an Leib und an Gemuͤthe; So dank ich froh des Himmels milder Guͤte. Wie thoͤrigt iſt, ſich vieles noͤthig machen, Da die Natur nur weniges verlangt? Jch werde ſatt und kann mit Freunden lachen, Obgleich mein Tiſch nicht fuͤrſtenmaͤßig prangt. Muß edler Wein, den Blut und Seele fuͤhlen, Den eklen Durſt allein aus Golde kuͤhlen? Gold E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/83
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/83>, abgerufen am 15.05.2024.