Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er in jedem Geschäft mit fester Bestimmtheit nur
auf die Sache ging, dem redlichen Zwecke nie andere als
redliche Mittel wählte, und daß er die künstlichen Ge¬
webe diplomatischer Feinheiten sehr wohl kannte, doch
weder brauchte noch fürchtete. Von selbstsüchtigen An¬
trieben, von eigenem Ehrgeiz und Vortheil findet sich
in seiner zwiefachen Dienstlaufbahn wohl sicherlich keine
Spur!

Persönliche Verhandlungen pflegte er nicht ohne
Lebhaftigkeit, aber stets in versöhnlicher Gesinnung zu
führen. Die Klarheit seiner Ansichten gewann leicht
Eingang, und seine Gründe beredeten nicht, sondern
überzeugten. Von seinen Gehülfen, wie er seine Räthe
und Untergebenen nannte, forderte er viel; aber das
Geleistete würdigte er dankbar, und freute sich jedes
Lobes, das er ertheilen konnte. Er wußte zu befehlen;
ließ aber zugleich die zartesten Rücksichten der Billigkeit
und Schonung walten. In seinen eigenen schriftlichen
Arbeiten leistete er alles selbst, was er von Anderen
forderte; sie vereinigten die gründlichste Darlegung der
Sache und die angemessenste Ausdrucksweise. Sein
Takt für Schicklichkeit, Präcision und Anmuth in jeder
Art von Abfassung war bewundernswürdig, und die
schwierigsten und bedenklichsten Aufsätze gingen klar und
gediegen aus seiner Redaktion hervor.

Der ästhetische Sinn, dessen er von früher Jugend
her theilhaftig war, und den seine ganze Geistes- und

daß er in jedem Geſchaͤft mit feſter Beſtimmtheit nur
auf die Sache ging, dem redlichen Zwecke nie andere als
redliche Mittel waͤhlte, und daß er die kuͤnſtlichen Ge¬
webe diplomatiſcher Feinheiten ſehr wohl kannte, doch
weder brauchte noch fuͤrchtete. Von ſelbſtſuͤchtigen An¬
trieben, von eigenem Ehrgeiz und Vortheil findet ſich
in ſeiner zwiefachen Dienſtlaufbahn wohl ſicherlich keine
Spur!

Perſoͤnliche Verhandlungen pflegte er nicht ohne
Lebhaftigkeit, aber ſtets in verſoͤhnlicher Geſinnung zu
fuͤhren. Die Klarheit ſeiner Anſichten gewann leicht
Eingang, und ſeine Gruͤnde beredeten nicht, ſondern
uͤberzeugten. Von ſeinen Gehuͤlfen, wie er ſeine Raͤthe
und Untergebenen nannte, forderte er viel; aber das
Geleiſtete wuͤrdigte er dankbar, und freute ſich jedes
Lobes, das er ertheilen konnte. Er wußte zu befehlen;
ließ aber zugleich die zarteſten Ruͤckſichten der Billigkeit
und Schonung walten. In ſeinen eigenen ſchriftlichen
Arbeiten leiſtete er alles ſelbſt, was er von Anderen
forderte; ſie vereinigten die gruͤndlichſte Darlegung der
Sache und die angemeſſenſte Ausdrucksweiſe. Sein
Takt fuͤr Schicklichkeit, Praͤciſion und Anmuth in jeder
Art von Abfaſſung war bewundernswuͤrdig, und die
ſchwierigſten und bedenklichſten Aufſaͤtze gingen klar und
gediegen aus ſeiner Redaktion hervor.

Der aͤſthetiſche Sinn, deſſen er von fruͤher Jugend
her theilhaftig war, und den ſeine ganze Geiſtes- und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0393" n="379"/>
daß er in jedem Ge&#x017F;cha&#x0364;ft mit fe&#x017F;ter Be&#x017F;timmtheit nur<lb/>
auf die Sache ging, dem redlichen Zwecke nie andere als<lb/>
redliche Mittel wa&#x0364;hlte, und daß er die ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Ge¬<lb/>
webe diplomati&#x017F;cher Feinheiten &#x017F;ehr wohl kannte, doch<lb/>
weder brauchte noch fu&#x0364;rchtete. Von &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;u&#x0364;chtigen An¬<lb/>
trieben, von eigenem Ehrgeiz und Vortheil findet &#x017F;ich<lb/>
in &#x017F;einer zwiefachen Dien&#x017F;tlaufbahn wohl &#x017F;icherlich keine<lb/>
Spur!</p><lb/>
          <p>Per&#x017F;o&#x0364;nliche Verhandlungen pflegte er nicht ohne<lb/>
Lebhaftigkeit, aber &#x017F;tets in ver&#x017F;o&#x0364;hnlicher Ge&#x017F;innung zu<lb/>
fu&#x0364;hren. Die Klarheit &#x017F;einer An&#x017F;ichten gewann leicht<lb/>
Eingang, und &#x017F;eine Gru&#x0364;nde beredeten nicht, &#x017F;ondern<lb/>
u&#x0364;berzeugten. Von &#x017F;einen Gehu&#x0364;lfen, wie er &#x017F;eine Ra&#x0364;the<lb/>
und Untergebenen nannte, forderte er viel; aber das<lb/>
Gelei&#x017F;tete wu&#x0364;rdigte er dankbar, und freute &#x017F;ich jedes<lb/>
Lobes, das er ertheilen konnte. Er wußte zu befehlen;<lb/>
ließ aber zugleich die zarte&#x017F;ten Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten der Billigkeit<lb/>
und Schonung walten. In &#x017F;einen eigenen &#x017F;chriftlichen<lb/>
Arbeiten lei&#x017F;tete er alles &#x017F;elb&#x017F;t, was er von Anderen<lb/>
forderte; &#x017F;ie vereinigten die gru&#x0364;ndlich&#x017F;te Darlegung der<lb/>
Sache und die angeme&#x017F;&#x017F;en&#x017F;te Ausdruckswei&#x017F;e. Sein<lb/>
Takt fu&#x0364;r Schicklichkeit, Pra&#x0364;ci&#x017F;ion und Anmuth in jeder<lb/>
Art von Abfa&#x017F;&#x017F;ung war bewundernswu&#x0364;rdig, und die<lb/>
&#x017F;chwierig&#x017F;ten und bedenklich&#x017F;ten Auf&#x017F;a&#x0364;tze gingen klar und<lb/>
gediegen aus &#x017F;einer Redaktion hervor.</p><lb/>
          <p>Der a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;che Sinn, de&#x017F;&#x017F;en er von fru&#x0364;her Jugend<lb/>
her theilhaftig war, und den &#x017F;eine ganze Gei&#x017F;tes- und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0393] daß er in jedem Geſchaͤft mit feſter Beſtimmtheit nur auf die Sache ging, dem redlichen Zwecke nie andere als redliche Mittel waͤhlte, und daß er die kuͤnſtlichen Ge¬ webe diplomatiſcher Feinheiten ſehr wohl kannte, doch weder brauchte noch fuͤrchtete. Von ſelbſtſuͤchtigen An¬ trieben, von eigenem Ehrgeiz und Vortheil findet ſich in ſeiner zwiefachen Dienſtlaufbahn wohl ſicherlich keine Spur! Perſoͤnliche Verhandlungen pflegte er nicht ohne Lebhaftigkeit, aber ſtets in verſoͤhnlicher Geſinnung zu fuͤhren. Die Klarheit ſeiner Anſichten gewann leicht Eingang, und ſeine Gruͤnde beredeten nicht, ſondern uͤberzeugten. Von ſeinen Gehuͤlfen, wie er ſeine Raͤthe und Untergebenen nannte, forderte er viel; aber das Geleiſtete wuͤrdigte er dankbar, und freute ſich jedes Lobes, das er ertheilen konnte. Er wußte zu befehlen; ließ aber zugleich die zarteſten Ruͤckſichten der Billigkeit und Schonung walten. In ſeinen eigenen ſchriftlichen Arbeiten leiſtete er alles ſelbſt, was er von Anderen forderte; ſie vereinigten die gruͤndlichſte Darlegung der Sache und die angemeſſenſte Ausdrucksweiſe. Sein Takt fuͤr Schicklichkeit, Praͤciſion und Anmuth in jeder Art von Abfaſſung war bewundernswuͤrdig, und die ſchwierigſten und bedenklichſten Aufſaͤtze gingen klar und gediegen aus ſeiner Redaktion hervor. Der aͤſthetiſche Sinn, deſſen er von fruͤher Jugend her theilhaftig war, und den ſeine ganze Geiſtes- und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/393
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/393>, abgerufen am 29.04.2024.