Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

alles dieses, wenn auch scheinbar willkürlich und gewalt¬
sam, gleich dem eines Landschaftsbildes, zusammenhält,
einen sichern und beruhigenden Abschluß. Hierin helfen
die Mitstudirenden ebenso, und in vielen Fällen mehr
noch, als die Lehrer, und der Blick auf deren Zahl
und Kraft ist dem Studenten nicht weniger belebend
und ermuthigend bei seinen Anläufen, als dem Solda¬
ten, der zum Sturme vorschreitet, das Anschauen der
Schaaren, die unter namhaften Führern zu gleichem
Werke vorangehen oder nachfolgen. Aber mir fehlte in
diesem Zeitraume durchaus jedes Vorbild, welchem ich
hätte nachstreben, das mir hätte ein Beispiel sein kön¬
nen. Die tiefe, erst heimliche, dann mehr und mehr
sich offenbarende Verstimmung und Unlust, welche die
Folge aller dieser Zustände war, wurde nur allzu schnell
ein mitwirkender Theil derselben, und half sie in dem
gegebenen Kreise noch mehr hervorbringen.

Ich sah Fichte'n bisweilen, ich sah Wolf, und hielt
mit Bernhardi und mit Wilhelm von Schütz fleißige
Gemeinschaft. Des letztern Trauerspiel, der Graf und
die Gräfin von Gleichen, mir vom Entstehen her durch
fortrückende Mittheilung schon vertraut, war jetzt im
Druck erschienen, und gab mir zu mancherlei, dem
Autor nicht willkommenen Aeußerungen Anlaß, die ich,
um sie gegen lebhaften Einspruch besser zu vertheidigen,
schriftlich zusammenfaßte, woraus die nachher in der
Jenaischen Litteraturzeitung abgedruckte Recension wurde,

alles dieſes, wenn auch ſcheinbar willkuͤrlich und gewalt¬
ſam, gleich dem eines Landſchaftsbildes, zuſammenhaͤlt,
einen ſichern und beruhigenden Abſchluß. Hierin helfen
die Mitſtudirenden ebenſo, und in vielen Faͤllen mehr
noch, als die Lehrer, und der Blick auf deren Zahl
und Kraft iſt dem Studenten nicht weniger belebend
und ermuthigend bei ſeinen Anlaͤufen, als dem Solda¬
ten, der zum Sturme vorſchreitet, das Anſchauen der
Schaaren, die unter namhaften Fuͤhrern zu gleichem
Werke vorangehen oder nachfolgen. Aber mir fehlte in
dieſem Zeitraume durchaus jedes Vorbild, welchem ich
haͤtte nachſtreben, das mir haͤtte ein Beiſpiel ſein koͤn¬
nen. Die tiefe, erſt heimliche, dann mehr und mehr
ſich offenbarende Verſtimmung und Unluſt, welche die
Folge aller dieſer Zuſtaͤnde war, wurde nur allzu ſchnell
ein mitwirkender Theil derſelben, und half ſie in dem
gegebenen Kreiſe noch mehr hervorbringen.

Ich ſah Fichte'n bisweilen, ich ſah Wolf, und hielt
mit Bernhardi und mit Wilhelm von Schuͤtz fleißige
Gemeinſchaft. Des letztern Trauerſpiel, der Graf und
die Graͤfin von Gleichen, mir vom Entſtehen her durch
fortruͤckende Mittheilung ſchon vertraut, war jetzt im
Druck erſchienen, und gab mir zu mancherlei, dem
Autor nicht willkommenen Aeußerungen Anlaß, die ich,
um ſie gegen lebhaften Einſpruch beſſer zu vertheidigen,
ſchriftlich zuſammenfaßte, woraus die nachher in der
Jenaiſchen Litteraturzeitung abgedruckte Recenſion wurde,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="54"/>
alles die&#x017F;es, wenn auch &#x017F;cheinbar willku&#x0364;rlich und gewalt¬<lb/>
&#x017F;am, gleich dem eines Land&#x017F;chaftsbildes, zu&#x017F;ammenha&#x0364;lt,<lb/>
einen &#x017F;ichern und beruhigenden Ab&#x017F;chluß. Hierin helfen<lb/>
die Mit&#x017F;tudirenden eben&#x017F;o, und in vielen Fa&#x0364;llen mehr<lb/>
noch, als die Lehrer, und der Blick auf deren Zahl<lb/>
und Kraft i&#x017F;t dem Studenten nicht weniger belebend<lb/>
und ermuthigend bei &#x017F;einen Anla&#x0364;ufen, als dem Solda¬<lb/>
ten, der zum Sturme vor&#x017F;chreitet, das An&#x017F;chauen der<lb/>
Schaaren, die unter namhaften Fu&#x0364;hrern zu gleichem<lb/>
Werke vorangehen oder nachfolgen. Aber mir fehlte in<lb/>
die&#x017F;em Zeitraume durchaus jedes Vorbild, welchem ich<lb/>
ha&#x0364;tte nach&#x017F;treben, das mir ha&#x0364;tte ein Bei&#x017F;piel &#x017F;ein ko&#x0364;<lb/>
nen. Die tiefe, er&#x017F;t heimliche, dann mehr und mehr<lb/>
&#x017F;ich offenbarende Ver&#x017F;timmung und Unlu&#x017F;t, welche die<lb/>
Folge aller die&#x017F;er Zu&#x017F;ta&#x0364;nde war, wurde nur allzu &#x017F;chnell<lb/>
ein mitwirkender Theil der&#x017F;elben, und half &#x017F;ie in dem<lb/>
gegebenen Krei&#x017F;e noch mehr hervorbringen.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;ah Fichte'n bisweilen, ich &#x017F;ah Wolf, und hielt<lb/>
mit Bernhardi und mit Wilhelm von Schu&#x0364;tz fleißige<lb/>
Gemein&#x017F;chaft. Des letztern Trauer&#x017F;piel, der Graf und<lb/>
die Gra&#x0364;fin von Gleichen, mir vom Ent&#x017F;tehen her durch<lb/>
fortru&#x0364;ckende Mittheilung &#x017F;chon vertraut, war jetzt im<lb/>
Druck er&#x017F;chienen, und gab mir zu mancherlei, dem<lb/>
Autor nicht willkommenen Aeußerungen Anlaß, die ich,<lb/>
um &#x017F;ie gegen lebhaften Ein&#x017F;pruch be&#x017F;&#x017F;er zu vertheidigen,<lb/>
&#x017F;chriftlich zu&#x017F;ammenfaßte, woraus die nachher in der<lb/>
Jenai&#x017F;chen Litteraturzeitung abgedruckte Recen&#x017F;ion wurde,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0066] alles dieſes, wenn auch ſcheinbar willkuͤrlich und gewalt¬ ſam, gleich dem eines Landſchaftsbildes, zuſammenhaͤlt, einen ſichern und beruhigenden Abſchluß. Hierin helfen die Mitſtudirenden ebenſo, und in vielen Faͤllen mehr noch, als die Lehrer, und der Blick auf deren Zahl und Kraft iſt dem Studenten nicht weniger belebend und ermuthigend bei ſeinen Anlaͤufen, als dem Solda¬ ten, der zum Sturme vorſchreitet, das Anſchauen der Schaaren, die unter namhaften Fuͤhrern zu gleichem Werke vorangehen oder nachfolgen. Aber mir fehlte in dieſem Zeitraume durchaus jedes Vorbild, welchem ich haͤtte nachſtreben, das mir haͤtte ein Beiſpiel ſein koͤn¬ nen. Die tiefe, erſt heimliche, dann mehr und mehr ſich offenbarende Verſtimmung und Unluſt, welche die Folge aller dieſer Zuſtaͤnde war, wurde nur allzu ſchnell ein mitwirkender Theil derſelben, und half ſie in dem gegebenen Kreiſe noch mehr hervorbringen. Ich ſah Fichte'n bisweilen, ich ſah Wolf, und hielt mit Bernhardi und mit Wilhelm von Schuͤtz fleißige Gemeinſchaft. Des letztern Trauerſpiel, der Graf und die Graͤfin von Gleichen, mir vom Entſtehen her durch fortruͤckende Mittheilung ſchon vertraut, war jetzt im Druck erſchienen, und gab mir zu mancherlei, dem Autor nicht willkommenen Aeußerungen Anlaß, die ich, um ſie gegen lebhaften Einſpruch beſſer zu vertheidigen, ſchriftlich zuſammenfaßte, woraus die nachher in der Jenaiſchen Litteraturzeitung abgedruckte Recenſion wurde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/66
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/66>, abgerufen am 30.04.2024.