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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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wie von Eisen eingegossen, so daß auch der Stärkste gleich
fühlte, an dem von ihr Ausgesprochenen nicht so leicht etwas
umbiegen oder abbrechen zu können. Eine wohlthätige Wärme
menschlicher Güte und Theilnahme ließ hinwieder auch den
Geringsten gern an dieser Gegenwart sich erfreuen. Doch
kam dies alles nur wie schnelle Sonnenblicke hervor, zum völ-
ligen Entfalten und Verweilen war diesmal kein Raum.
Kleine Neckereien mit Graf Lippe, der kürzlich bei ihr nicht
war angenommen worden, und deßhalb böse thun wollte, er-
schöpften sich bald; der ganze Besuch war überhaupt nur kurz-
und ich wüßte mich eigentlich keines bestimmten Wortes zu
erinnern, in welchem etwas ausgeprägt Geistreiches, Paradoxes
oder Schlagendes sich zur Bewahrung dargeboten hätte, aber
die unwiderstehliche Einwirkung des ganzen Wesens empfand
ich tief, und blieb davon so erfüllt, daß ich nach der baldigen
Entfernung des merkwürdigen Besuchs einzig von ihm reden
und ihm nachsinnen mußte, Man scherzte darüber, und weil
der Scherz fast verdrießlich wurde, so trotzt' ich ihm desto eif-
riger durch Niederschreiben eines Gedichts, das den empfange-
nen Eindruck begeistert schildern wollte, und das ich die Drei-
stigkeit hatte, eben weil man sie mir bezweifelte, am andern
Tage vrrsiegelt abzuschicken, ohne daß ich weiterhin etwas
von der Sache gehört, oder ihr nachgefragt hätte, Rahel
Levin selbst wiederzusehen, war mir darauf Jahre lang nicht
beschieden. Ihr Namen aber blieb mir als ein ungeschwäch-
ter Zauber in der Seele, nur ahndete ich auf keine Weise,
daß mit jenem frühen Begegnen und jenen vorlauten Zeilen
ein erster Ring gefügt worden, an welchem viele folgende sich

wie von Eiſen eingegoſſen, ſo daß auch der Stärkſte gleich
fühlte, an dem von ihr Ausgeſprochenen nicht ſo leicht etwas
umbiegen oder abbrechen zu können. Eine wohlthätige Wärme
menſchlicher Güte und Theilnahme ließ hinwieder auch den
Geringſten gern an dieſer Gegenwart ſich erfreuen. Doch
kam dies alles nur wie ſchnelle Sonnenblicke hervor, zum völ-
ligen Entfalten und Verweilen war diesmal kein Raum.
Kleine Neckereien mit Graf Lippe, der kürzlich bei ihr nicht
war angenommen worden, und deßhalb böſe thun wollte, er-
ſchöpften ſich bald; der ganze Beſuch war überhaupt nur kurz-
und ich wüßte mich eigentlich keines beſtimmten Wortes zu
erinnern, in welchem etwas ausgeprägt Geiſtreiches, Paradoxes
oder Schlagendes ſich zur Bewahrung dargeboten hätte, aber
die unwiderſtehliche Einwirkung des ganzen Weſens empfand
ich tief, und blieb davon ſo erfüllt, daß ich nach der baldigen
Entfernung des merkwürdigen Beſuchs einzig von ihm reden
und ihm nachſinnen mußte, Man ſcherzte darüber, und weil
der Scherz faſt verdrießlich wurde, ſo trotzt’ ich ihm deſto eif-
riger durch Niederſchreiben eines Gedichts, das den empfange-
nen Eindruck begeiſtert ſchildern wollte, und das ich die Drei-
ſtigkeit hatte, eben weil man ſie mir bezweifelte, am andern
Tage vrrſiegelt abzuſchicken, ohne daß ich weiterhin etwas
von der Sache gehört, oder ihr nachgefragt hätte, Rahel
Levin ſelbſt wiederzuſehen, war mir darauf Jahre lang nicht
beſchieden. Ihr Namen aber blieb mir als ein ungeſchwäch-
ter Zauber in der Seele, nur ahndete ich auf keine Weiſe,
daß mit jenem frühen Begegnen und jenen vorlauten Zeilen
ein erſter Ring gefügt worden, an welchem viele folgende ſich

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[6/0020] wie von Eiſen eingegoſſen, ſo daß auch der Stärkſte gleich fühlte, an dem von ihr Ausgeſprochenen nicht ſo leicht etwas umbiegen oder abbrechen zu können. Eine wohlthätige Wärme menſchlicher Güte und Theilnahme ließ hinwieder auch den Geringſten gern an dieſer Gegenwart ſich erfreuen. Doch kam dies alles nur wie ſchnelle Sonnenblicke hervor, zum völ- ligen Entfalten und Verweilen war diesmal kein Raum. Kleine Neckereien mit Graf Lippe, der kürzlich bei ihr nicht war angenommen worden, und deßhalb böſe thun wollte, er- ſchöpften ſich bald; der ganze Beſuch war überhaupt nur kurz- und ich wüßte mich eigentlich keines beſtimmten Wortes zu erinnern, in welchem etwas ausgeprägt Geiſtreiches, Paradoxes oder Schlagendes ſich zur Bewahrung dargeboten hätte, aber die unwiderſtehliche Einwirkung des ganzen Weſens empfand ich tief, und blieb davon ſo erfüllt, daß ich nach der baldigen Entfernung des merkwürdigen Beſuchs einzig von ihm reden und ihm nachſinnen mußte, Man ſcherzte darüber, und weil der Scherz faſt verdrießlich wurde, ſo trotzt’ ich ihm deſto eif- riger durch Niederſchreiben eines Gedichts, das den empfange- nen Eindruck begeiſtert ſchildern wollte, und das ich die Drei- ſtigkeit hatte, eben weil man ſie mir bezweifelte, am andern Tage vrrſiegelt abzuſchicken, ohne daß ich weiterhin etwas von der Sache gehört, oder ihr nachgefragt hätte, Rahel Levin ſelbſt wiederzuſehen, war mir darauf Jahre lang nicht beſchieden. Ihr Namen aber blieb mir als ein ungeſchwäch- ter Zauber in der Seele, nur ahndete ich auf keine Weiſe, daß mit jenem frühen Begegnen und jenen vorlauten Zeilen ein erſter Ring gefügt worden, an welchem viele folgende ſich

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/20>, abgerufen am 13.10.2024.