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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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gewöhnliche Bekenntnisse mit vieler Freiheit wagen, ohne die
Zurückhaltung einer ersten Bekanntschaft zu überschreiten."

"Nicht gar zu lange waren wir allein geblieben, so fand
sich andre Gesellschaft ein. -- -- Die Gesellschaft war un-
gemein belebt, in größter Freiheit und Behaglichkeit; jeder
gab sich als das, was er sein konnte; es war kein Grund
noch Hoffnung des Gelingens, hier einen Schein zu heucheln;
die Unbefangenheit und gute Laune Rahels, ihr Geist der
Wahrheit und des Geltenlassens, walteten ungestört; -- --
alles ging leicht und harmlos dahin; jeder zu herbe Ernst
wurde von Witz und Scherz aufgefangen, die ihrerseits wieder,
bevor sie ausarten konnten, von Wahrheit und Verstand er-
griffen wurden, und so blieb alles belebt zugleich und ge-
mäßigt; ein wiederholter Anflug von Musik, wozu das offne
Fortepiano einlud, -- Rahel war sinnvolle Kennerin und in
früherer Zeit fertige Meisterin, -- vollendete das Ganze, und
man trennte sich noch bei guter Zeit, in erhöhter und klarer
Stimmung, die ich für mich allein dann unter dem reinen
Sternenhimmel noch eine Weile nachgenoß, indem ich ver-
gebens in meinen bisherigen Erinnerungen einen ähnlichen
Abend suchte."

"Wenige Tage nur ließ meine Ungeduld einem wieder-
holten Besuche vorangehen, und schon mit diesem wuchs das
Vertrauen so schnell, daß ich nun täglich zu kommen mich
berechtigt hielt. Ich war begierig, diese neuen Anschauungen
zu verfolgen, diesen eigenthümlichen Wahrheiten und groß-
artigen Aufschlüssen, welche sich mit jedem Schritte glänzender
vor mir ausbreiteten, noch näher zu treten, und diese neuen,

gewöhnliche Bekenntniſſe mit vieler Freiheit wagen, ohne die
Zurückhaltung einer erſten Bekanntſchaft zu überſchreiten.“

„Nicht gar zu lange waren wir allein geblieben, ſo fand
ſich andre Geſellſchaft ein. — — Die Geſellſchaft war un-
gemein belebt, in größter Freiheit und Behaglichkeit; jeder
gab ſich als das, was er ſein konnte; es war kein Grund
noch Hoffnung des Gelingens, hier einen Schein zu heucheln;
die Unbefangenheit und gute Laune Rahels, ihr Geiſt der
Wahrheit und des Geltenlaſſens, walteten ungeſtört; — —
alles ging leicht und harmlos dahin; jeder zu herbe Ernſt
wurde von Witz und Scherz aufgefangen, die ihrerſeits wieder,
bevor ſie ausarten konnten, von Wahrheit und Verſtand er-
griffen wurden, und ſo blieb alles belebt zugleich und ge-
mäßigt; ein wiederholter Anflug von Muſik, wozu das offne
Fortepiano einlud, — Rahel war ſinnvolle Kennerin und in
früherer Zeit fertige Meiſterin, — vollendete das Ganze, und
man trennte ſich noch bei guter Zeit, in erhöhter und klarer
Stimmung, die ich für mich allein dann unter dem reinen
Sternenhimmel noch eine Weile nachgenoß, indem ich ver-
gebens in meinen bisherigen Erinnerungen einen ähnlichen
Abend ſuchte.“

„Wenige Tage nur ließ meine Ungeduld einem wieder-
holten Beſuche vorangehen, und ſchon mit dieſem wuchs das
Vertrauen ſo ſchnell, daß ich nun täglich zu kommen mich
berechtigt hielt. Ich war begierig, dieſe neuen Anſchauungen
zu verfolgen, dieſen eigenthümlichen Wahrheiten und groß-
artigen Aufſchlüſſen, welche ſich mit jedem Schritte glänzender
vor mir ausbreiteten, noch näher zu treten, und dieſe neuen,

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[15/0029] gewöhnliche Bekenntniſſe mit vieler Freiheit wagen, ohne die Zurückhaltung einer erſten Bekanntſchaft zu überſchreiten.“ „Nicht gar zu lange waren wir allein geblieben, ſo fand ſich andre Geſellſchaft ein. — — Die Geſellſchaft war un- gemein belebt, in größter Freiheit und Behaglichkeit; jeder gab ſich als das, was er ſein konnte; es war kein Grund noch Hoffnung des Gelingens, hier einen Schein zu heucheln; die Unbefangenheit und gute Laune Rahels, ihr Geiſt der Wahrheit und des Geltenlaſſens, walteten ungeſtört; — — alles ging leicht und harmlos dahin; jeder zu herbe Ernſt wurde von Witz und Scherz aufgefangen, die ihrerſeits wieder, bevor ſie ausarten konnten, von Wahrheit und Verſtand er- griffen wurden, und ſo blieb alles belebt zugleich und ge- mäßigt; ein wiederholter Anflug von Muſik, wozu das offne Fortepiano einlud, — Rahel war ſinnvolle Kennerin und in früherer Zeit fertige Meiſterin, — vollendete das Ganze, und man trennte ſich noch bei guter Zeit, in erhöhter und klarer Stimmung, die ich für mich allein dann unter dem reinen Sternenhimmel noch eine Weile nachgenoß, indem ich ver- gebens in meinen bisherigen Erinnerungen einen ähnlichen Abend ſuchte.“ „Wenige Tage nur ließ meine Ungeduld einem wieder- holten Beſuche vorangehen, und ſchon mit dieſem wuchs das Vertrauen ſo ſchnell, daß ich nun täglich zu kommen mich berechtigt hielt. Ich war begierig, dieſe neuen Anſchauungen zu verfolgen, dieſen eigenthümlichen Wahrheiten und groß- artigen Aufſchlüſſen, welche ſich mit jedem Schritte glänzender vor mir ausbreiteten, noch näher zu treten, und dieſe neuen,

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/29>, abgerufen am 29.04.2024.