Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

erkenne ich dich, daß dich die G. entzückt. Wir sind umge-
kehrt, wie das andere Schund-Krop. (Gentz nannte sie Alle
kurzweg Schund, mir ist das nicht genug). Die Sauzähne
prahlen sich immer was vor mit ihrer Liebe und Sanftheit;
und eine Makrone, ein Hecht, ein Schlitten, ein Epaulet, ein
Vers, eine Loge, ein Kreuzer ist ihnen lieber als ihr Gegen-
stand, und ihre eigenen Herzen: und wir schimpfen und schim-
pfen, und sind gefangen. Du Esel nun ganz besonders. Durch
bloßes Zuhören und Zulachen, und durch die Stube, durch
Essen. Bequemlichkeit: und unbewußt, durch was das andere
Krop Liebe nennt. Veit rangirt sich ganz richtig. Das sind
ja alle unsichere Menschen, die sich eine Moral von außen,
und nach ihr, ein solches Schickt-sich schaffen; die mit von
uns seit zehn Jahren verlassenen Dingen sich balgen; und
denken nun haben sie etwas Würdiges, weil auch in Journa-
len davon geplaudert wird, und nennen unsere alten von uns
angeekelte (und wir wegen ihnen bitter verschrieen) Schau-
spieler Künstler, und saugen Ennui für Ergötzlichkeit ein. So
macht's jetzt hier das ganze Nest; was blaffte, als die noch
jung und reizend waren, die ich damals sah, und die jetzt
Runzeln in Seel' und Körper haben, aber geheimräthlich thun.
Der arme Veit, der sollte mit seinem bischen gerettetem Ver-
standesvermögen der Natur einen Prozeß machen, und sich
seine Sinne herausschaffen! anstatt die armen Kunden mit
Lapin'schen Anekdoten zu morden. Adieu, schreib mir! R.



erkenne ich dich, daß dich die G. entzückt. Wir ſind umge-
kehrt, wie das andere Schund-Krop. (Gentz nannte ſie Alle
kurzweg Schund, mir iſt das nicht genug). Die Sauzähne
prahlen ſich immer was vor mit ihrer Liebe und Sanftheit;
und eine Makrone, ein Hecht, ein Schlitten, ein Epaulet, ein
Vers, eine Loge, ein Kreuzer iſt ihnen lieber als ihr Gegen-
ſtand, und ihre eigenen Herzen: und wir ſchimpfen und ſchim-
pfen, und ſind gefangen. Du Eſel nun ganz beſonders. Durch
bloßes Zuhören und Zulachen, und durch die Stube, durch
Eſſen. Bequemlichkeit: und unbewußt, durch was das andere
Krop Liebe nennt. Veit rangirt ſich ganz richtig. Das ſind
ja alle unſichere Menſchen, die ſich eine Moral von außen,
und nach ihr, ein ſolches Schickt-ſich ſchaffen; die mit von
uns ſeit zehn Jahren verlaſſenen Dingen ſich balgen; und
denken nun haben ſie etwas Würdiges, weil auch in Journa-
len davon geplaudert wird, und nennen unſere alten von uns
angeekelte (und wir wegen ihnen bitter verſchrieen) Schau-
ſpieler Künſtler, und ſaugen Ennui für Ergötzlichkeit ein. So
macht’s jetzt hier das ganze Neſt; was blaffte, als die noch
jung und reizend waren, die ich damals ſah, und die jetzt
Runzeln in Seel’ und Körper haben, aber geheimräthlich thun.
Der arme Veit, der ſollte mit ſeinem bischen gerettetem Ver-
ſtandesvermögen der Natur einen Prozeß machen, und ſich
ſeine Sinne herausſchaffen! anſtatt die armen Kunden mit
Lapin’ſchen Anekdoten zu morden. Adieu, ſchreib mir! R.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0403" n="389"/>
erkenne ich dich, daß dich die G. entzückt. Wir &#x017F;ind umge-<lb/>
kehrt, wie das andere Schund-Krop. (Gentz nannte &#x017F;ie Alle<lb/>
kurzweg <hi rendition="#g">Schund</hi>, mir i&#x017F;t das nicht genug). Die Sauzähne<lb/>
prahlen &#x017F;ich immer was vor mit ihrer Liebe und Sanftheit;<lb/>
und eine Makrone, ein Hecht, ein Schlitten, ein Epaulet, ein<lb/>
Vers, eine Loge, ein Kreuzer i&#x017F;t ihnen lieber als ihr Gegen-<lb/>
&#x017F;tand, und ihre eigenen Herzen: und wir &#x017F;chimpfen und &#x017F;chim-<lb/>
pfen, und &#x017F;ind gefangen. Du E&#x017F;el nun ganz be&#x017F;onders. Durch<lb/>
bloßes Zuhören und Zulachen, und durch die Stube, durch<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en. Bequemlichkeit: und unbewußt, durch was das andere<lb/>
Krop Liebe nennt. Veit rangirt &#x017F;ich ganz richtig. Das &#x017F;ind<lb/>
ja alle un&#x017F;ichere Men&#x017F;chen, die &#x017F;ich eine Moral von außen,<lb/>
und nach ihr, ein &#x017F;olches Schickt-&#x017F;ich &#x017F;chaffen; die mit von<lb/>
uns &#x017F;eit zehn Jahren verla&#x017F;&#x017F;enen Dingen &#x017F;ich balgen; und<lb/>
denken nun haben &#x017F;ie etwas Würdiges, weil auch in Journa-<lb/>
len <hi rendition="#g">da</hi>von geplaudert wird, und nennen un&#x017F;ere alten von uns<lb/>
angeekelte (und wir wegen ihnen bitter ver&#x017F;chrieen) Schau-<lb/>
&#x017F;pieler Kün&#x017F;tler, und &#x017F;augen Ennui für Ergötzlichkeit ein. So<lb/>
macht&#x2019;s jetzt hier das ganze Ne&#x017F;t; was blaffte, als die noch<lb/>
jung und reizend waren, die ich damals &#x017F;ah, und die jetzt<lb/>
Runzeln in Seel&#x2019; und Körper haben, aber geheimräthlich thun.<lb/>
Der arme Veit, der &#x017F;ollte mit &#x017F;einem bischen gerettetem Ver-<lb/>
&#x017F;tandesvermögen der Natur einen Prozeß machen, und &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;eine Sinne heraus&#x017F;chaffen! an&#x017F;tatt die armen Kunden mit<lb/><hi rendition="#aq">Lapin&#x2019;</hi>&#x017F;chen Anekdoten zu morden. Adieu, &#x017F;chreib mir! R.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0403] erkenne ich dich, daß dich die G. entzückt. Wir ſind umge- kehrt, wie das andere Schund-Krop. (Gentz nannte ſie Alle kurzweg Schund, mir iſt das nicht genug). Die Sauzähne prahlen ſich immer was vor mit ihrer Liebe und Sanftheit; und eine Makrone, ein Hecht, ein Schlitten, ein Epaulet, ein Vers, eine Loge, ein Kreuzer iſt ihnen lieber als ihr Gegen- ſtand, und ihre eigenen Herzen: und wir ſchimpfen und ſchim- pfen, und ſind gefangen. Du Eſel nun ganz beſonders. Durch bloßes Zuhören und Zulachen, und durch die Stube, durch Eſſen. Bequemlichkeit: und unbewußt, durch was das andere Krop Liebe nennt. Veit rangirt ſich ganz richtig. Das ſind ja alle unſichere Menſchen, die ſich eine Moral von außen, und nach ihr, ein ſolches Schickt-ſich ſchaffen; die mit von uns ſeit zehn Jahren verlaſſenen Dingen ſich balgen; und denken nun haben ſie etwas Würdiges, weil auch in Journa- len davon geplaudert wird, und nennen unſere alten von uns angeekelte (und wir wegen ihnen bitter verſchrieen) Schau- ſpieler Künſtler, und ſaugen Ennui für Ergötzlichkeit ein. So macht’s jetzt hier das ganze Neſt; was blaffte, als die noch jung und reizend waren, die ich damals ſah, und die jetzt Runzeln in Seel’ und Körper haben, aber geheimräthlich thun. Der arme Veit, der ſollte mit ſeinem bischen gerettetem Ver- ſtandesvermögen der Natur einen Prozeß machen, und ſich ſeine Sinne herausſchaffen! anſtatt die armen Kunden mit Lapin’ſchen Anekdoten zu morden. Adieu, ſchreib mir! R.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/403
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/403>, abgerufen am 26.04.2024.