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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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recht sehr gut amüsirte; endlich trieb ich ihn doch weg; und
beschied ihn spät mit der Guten zu mir zu kommen. Baron
Drieberg trat in die Stube; er war dreimal im Tag dage-
wesen, um mich zu sprechen, weil er durchaus, obgleich er gar
nicht zu mir kam, Briefe von mir nach Wien haben wollte.
Ich schalt ihn gradezu: er begab sich gleich, durchdrungen, der
Briefe: und ich Esel setzte mich hin, ihm einen nach Prag
zu schreiben: vier große gestörte Seiten! als der Brief fertig
war, und ich sieglen will, sagte er nein! dies koste hundert
Louisd'ors: ich lasse also meinen nur für meinen Freund Gentz
geschriebenen Brief offen in seinen Händen. Was schadet
mir ein junger Baron! -- Meine Nähterin beurtheilte ihn
und Bielfeld sehr gut. Ehrlich ist er. Ich trug ihm auf, den
Prinzen de Ligne zu grüßen: und da wurde er wie außer sich,
und wollte einen Brief! Ich -- that es: aber nicht als Esel.
Diesen alten Freund lieb' ich von Herzensgrunde, und will in
Relation mit ihm bleiben; für dich hauptsächlich; wenn du
mal nach Wien gehst: und so wollte ich mich bei ihm auf-
frischen. Ich konnte ihm, von Drieberg und Nettchen bela-
gert und gestört an meinem Tisch, doch einen sehr guten Brief
schreiben: von dem, als er fertig war, ich glaubte, es könne
keiner sein; es war aber einer; und ein rechter Schmeichelbrief.
Nämlich, er freut ihn gewiß. Und das Französisch! Drieberg,
ohne im geringsten etwas zu thun, als seinen Namen zu nen-
nen, sehr empfohlen. Meinen Freund habe ich auch für ihn
um seine besten Bekanntschaften gebeten; dabei ist er Baron,
hat Geld. So ist's. Die empfehle ich! -- Ich bin heute
munterer, weil ich auf zwei Stunden relache habe. Das ist

recht ſehr gut amüſirte; endlich trieb ich ihn doch weg; und
beſchied ihn ſpät mit der Guten zu mir zu kommen. Baron
Drieberg trat in die Stube; er war dreimal im Tag dage-
weſen, um mich zu ſprechen, weil er durchaus, obgleich er gar
nicht zu mir kam, Briefe von mir nach Wien haben wollte.
Ich ſchalt ihn gradezu: er begab ſich gleich, durchdrungen, der
Briefe: und ich Eſel ſetzte mich hin, ihm einen nach Prag
zu ſchreiben: vier große geſtörte Seiten! als der Brief fertig
war, und ich ſieglen will, ſagte er nein! dies koſte hundert
Louisd’ors: ich laſſe alſo meinen nur für meinen Freund Gentz
geſchriebenen Brief offen in ſeinen Händen. Was ſchadet
mir ein junger Baron! — Meine Nähterin beurtheilte ihn
und Bielfeld ſehr gut. Ehrlich iſt er. Ich trug ihm auf, den
Prinzen de Ligne zu grüßen: und da wurde er wie außer ſich,
und wollte einen Brief! Ich — that es: aber nicht als Eſel.
Dieſen alten Freund lieb’ ich von Herzensgrunde, und will in
Relation mit ihm bleiben; für dich hauptſächlich; wenn du
mal nach Wien gehſt: und ſo wollte ich mich bei ihm auf-
friſchen. Ich konnte ihm, von Drieberg und Nettchen bela-
gert und geſtört an meinem Tiſch, doch einen ſehr guten Brief
ſchreiben: von dem, als er fertig war, ich glaubte, es könne
keiner ſein; es war aber einer; und ein rechter Schmeichelbrief.
Nämlich, er freut ihn gewiß. Und das Franzöſiſch! Drieberg,
ohne im geringſten etwas zu thun, als ſeinen Namen zu nen-
nen, ſehr empfohlen. Meinen Freund habe ich auch für ihn
um ſeine beſten Bekanntſchaften gebeten; dabei iſt er Baron,
hat Geld. So iſt’s. Die empfehle ich! — Ich bin heute
munterer, weil ich auf zwei Stunden relâche habe. Das iſt

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[404/0418] recht ſehr gut amüſirte; endlich trieb ich ihn doch weg; und beſchied ihn ſpät mit der Guten zu mir zu kommen. Baron Drieberg trat in die Stube; er war dreimal im Tag dage- weſen, um mich zu ſprechen, weil er durchaus, obgleich er gar nicht zu mir kam, Briefe von mir nach Wien haben wollte. Ich ſchalt ihn gradezu: er begab ſich gleich, durchdrungen, der Briefe: und ich Eſel ſetzte mich hin, ihm einen nach Prag zu ſchreiben: vier große geſtörte Seiten! als der Brief fertig war, und ich ſieglen will, ſagte er nein! dies koſte hundert Louisd’ors: ich laſſe alſo meinen nur für meinen Freund Gentz geſchriebenen Brief offen in ſeinen Händen. Was ſchadet mir ein junger Baron! — Meine Nähterin beurtheilte ihn und Bielfeld ſehr gut. Ehrlich iſt er. Ich trug ihm auf, den Prinzen de Ligne zu grüßen: und da wurde er wie außer ſich, und wollte einen Brief! Ich — that es: aber nicht als Eſel. Dieſen alten Freund lieb’ ich von Herzensgrunde, und will in Relation mit ihm bleiben; für dich hauptſächlich; wenn du mal nach Wien gehſt: und ſo wollte ich mich bei ihm auf- friſchen. Ich konnte ihm, von Drieberg und Nettchen bela- gert und geſtört an meinem Tiſch, doch einen ſehr guten Brief ſchreiben: von dem, als er fertig war, ich glaubte, es könne keiner ſein; es war aber einer; und ein rechter Schmeichelbrief. Nämlich, er freut ihn gewiß. Und das Franzöſiſch! Drieberg, ohne im geringſten etwas zu thun, als ſeinen Namen zu nen- nen, ſehr empfohlen. Meinen Freund habe ich auch für ihn um ſeine beſten Bekanntſchaften gebeten; dabei iſt er Baron, hat Geld. So iſt’s. Die empfehle ich! — Ich bin heute munterer, weil ich auf zwei Stunden relâche habe. Das iſt

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/418>, abgerufen am 27.04.2024.