Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

den beweglichen, auffassenden Geist; der nichts verschmäht, so
klein es sein mag, wenn es edle Beziehungen hat, und das
Gemüth es aufnehmen kann. Alles dies bewies mir deutlichst
die Rum-Geschichte, und daß nichts Gutes von mir, und spalte
es sich in die winzigsten Fädchen, bei Ihnen verloren geht.
Solche Freunde brauche ich, und liebe ich; bei meinem klei-
nen Seelenkram, und bei ihrem Großhandel! Schreiben Sie
mir ja immer, wie es Ihnen geht! Wie es mir geht, wissen
Sie ganz. Außer daß eine Gemüthsruhe und Klarheit sich
meiner bemächtigt, wie sonst wohl Mißstimmung, und Unver-
stand es thun; woran ich lange litt. Ich rechne jetzt noch
auf keine Zukunft; und danke allen Dämonen für den ge-
schenkten Augenblick! Glauben Sie ja nicht, daß äußere Er-
eignisse mich so glücklich lenken: im Gegentheil, hierin geht's
mir schlecht; ich verschone Sie mit dem Detail. Wissen Sie
nur, daß kein Souper mehr bei mir existirt: ich regrettire es
aber weniger, da Sie mir doch fehlen: und ich keinen Ange-
nehmen kenne. Ich bin spät im Abend meist bei Mad. F.,
nicht täglich; wo auch nur wenige, und für mich nicht ein
erträglicher Mensch, kommen. Ich war die ersten Wochen mit
Marwitz, jetzt bin ich allein, mit Büchern. Und ich schwöre
Ihnen, ich habe keinen Moment Zeit! In das liebe Thea-
ter gehe ich nicht. Sie wissen es! Iffland liegt brach, da
Sie fort sind, aber lauter Brennmaterialien sammlen sich für
ihn an. Eigentlich, existirt er nur für mich, wenn Sie von
ihm sprechen. Um aber nicht gar zu dumm, und menschen-
scheu, und ungeschickt zu werden, ging ich vorgestern auf einen
Polterabend -- solchem ich nie beigewohnt hatte. -- Ein gräf-

I. 35

den beweglichen, auffaſſenden Geiſt; der nichts verſchmäht, ſo
klein es ſein mag, wenn es edle Beziehungen hat, und das
Gemüth es aufnehmen kann. Alles dies bewies mir deutlichſt
die Rum-Geſchichte, und daß nichts Gutes von mir, und ſpalte
es ſich in die winzigſten Fädchen, bei Ihnen verloren geht.
Solche Freunde brauche ich, und liebe ich; bei meinem klei-
nen Seelenkram, und bei ihrem Großhandel! Schreiben Sie
mir ja immer, wie es Ihnen geht! Wie es mir geht, wiſſen
Sie ganz. Außer daß eine Gemüthsruhe und Klarheit ſich
meiner bemächtigt, wie ſonſt wohl Mißſtimmung, und Unver-
ſtand es thun; woran ich lange litt. Ich rechne jetzt noch
auf keine Zukunft; und danke allen Dämonen für den ge-
ſchenkten Augenblick! Glauben Sie ja nicht, daß äußere Er-
eigniſſe mich ſo glücklich lenken: im Gegentheil, hierin geht’s
mir ſchlecht; ich verſchone Sie mit dem Detail. Wiſſen Sie
nur, daß kein Souper mehr bei mir exiſtirt: ich regrettire es
aber weniger, da Sie mir doch fehlen: und ich keinen Ange-
nehmen kenne. Ich bin ſpät im Abend meiſt bei Mad. F.,
nicht täglich; wo auch nur wenige, und für mich nicht ein
erträglicher Menſch, kommen. Ich war die erſten Wochen mit
Marwitz, jetzt bin ich allein, mit Büchern. Und ich ſchwöre
Ihnen, ich habe keinen Moment Zeit! In das liebe Thea-
ter gehe ich nicht. Sie wiſſen es! Iffland liegt brach, da
Sie fort ſind, aber lauter Brennmaterialien ſammlen ſich für
ihn an. Eigentlich, exiſtirt er nur für mich, wenn Sie von
ihm ſprechen. Um aber nicht gar zu dumm, und menſchen-
ſcheu, und ungeſchickt zu werden, ging ich vorgeſtern auf einen
Polterabend — ſolchem ich nie beigewohnt hatte. — Ein gräf-

I. 35
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0559" n="545"/>
den beweglichen, auffa&#x017F;&#x017F;enden Gei&#x017F;t; der nichts ver&#x017F;chmäht, &#x017F;o<lb/>
klein es &#x017F;ein mag, wenn es edle Beziehungen hat, und das<lb/>
Gemüth es aufnehmen kann. Alles dies bewies mir deutlich&#x017F;t<lb/>
die Rum-Ge&#x017F;chichte, und daß nichts Gutes von mir, und &#x017F;palte<lb/>
es &#x017F;ich in die winzig&#x017F;ten Fädchen, bei Ihnen verloren geht.<lb/>
Solche Freunde brauche ich, und liebe ich; bei meinem klei-<lb/>
nen Seelenkram, und bei ihrem Großhandel! Schreiben Sie<lb/>
mir ja immer, wie es Ihnen geht! Wie es mir geht, wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie ganz. Außer daß eine Gemüthsruhe und Klarheit &#x017F;ich<lb/>
meiner bemächtigt, wie &#x017F;on&#x017F;t wohl Miß&#x017F;timmung, und Unver-<lb/>
&#x017F;tand es thun; woran ich lange litt. Ich rechne jetzt noch<lb/>
auf keine Zukunft; und danke allen Dämonen für den ge-<lb/>
&#x017F;chenkten Augenblick! Glauben Sie ja nicht, daß äußere Er-<lb/>
eigni&#x017F;&#x017F;e mich &#x017F;o glücklich lenken: im Gegentheil, hierin geht&#x2019;s<lb/>
mir &#x017F;chlecht; ich ver&#x017F;chone Sie mit dem Detail. Wi&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
nur, daß kein Souper mehr bei mir exi&#x017F;tirt: ich regrettire es<lb/>
aber weniger, da Sie mir doch fehlen: und ich keinen Ange-<lb/>
nehmen kenne. Ich bin &#x017F;pät im Abend mei&#x017F;t bei Mad. F.,<lb/>
nicht täglich; wo auch nur wenige, und für mich nicht <hi rendition="#g">ein</hi><lb/>
erträglicher Men&#x017F;ch, kommen. Ich war die er&#x017F;ten Wochen mit<lb/>
Marwitz, jetzt bin ich allein, mit Büchern. Und ich &#x017F;chwöre<lb/>
Ihnen, ich habe <hi rendition="#g">keinen Moment</hi> Zeit! In das liebe Thea-<lb/>
ter gehe ich nicht. Sie wi&#x017F;&#x017F;en es! Iffland liegt brach, da<lb/>
Sie fort &#x017F;ind, aber lauter Brennmaterialien &#x017F;ammlen &#x017F;ich für<lb/>
ihn an. <hi rendition="#g">Eigentlich</hi>, exi&#x017F;tirt er nur für mich, wenn Sie von<lb/>
ihm &#x017F;prechen. Um aber nicht gar zu dumm, und men&#x017F;chen-<lb/>
&#x017F;cheu, und unge&#x017F;chickt zu werden, ging ich vorge&#x017F;tern auf einen<lb/>
Polterabend &#x2014; &#x017F;olchem ich nie beigewohnt hatte. &#x2014; Ein gräf-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> 35</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[545/0559] den beweglichen, auffaſſenden Geiſt; der nichts verſchmäht, ſo klein es ſein mag, wenn es edle Beziehungen hat, und das Gemüth es aufnehmen kann. Alles dies bewies mir deutlichſt die Rum-Geſchichte, und daß nichts Gutes von mir, und ſpalte es ſich in die winzigſten Fädchen, bei Ihnen verloren geht. Solche Freunde brauche ich, und liebe ich; bei meinem klei- nen Seelenkram, und bei ihrem Großhandel! Schreiben Sie mir ja immer, wie es Ihnen geht! Wie es mir geht, wiſſen Sie ganz. Außer daß eine Gemüthsruhe und Klarheit ſich meiner bemächtigt, wie ſonſt wohl Mißſtimmung, und Unver- ſtand es thun; woran ich lange litt. Ich rechne jetzt noch auf keine Zukunft; und danke allen Dämonen für den ge- ſchenkten Augenblick! Glauben Sie ja nicht, daß äußere Er- eigniſſe mich ſo glücklich lenken: im Gegentheil, hierin geht’s mir ſchlecht; ich verſchone Sie mit dem Detail. Wiſſen Sie nur, daß kein Souper mehr bei mir exiſtirt: ich regrettire es aber weniger, da Sie mir doch fehlen: und ich keinen Ange- nehmen kenne. Ich bin ſpät im Abend meiſt bei Mad. F., nicht täglich; wo auch nur wenige, und für mich nicht ein erträglicher Menſch, kommen. Ich war die erſten Wochen mit Marwitz, jetzt bin ich allein, mit Büchern. Und ich ſchwöre Ihnen, ich habe keinen Moment Zeit! In das liebe Thea- ter gehe ich nicht. Sie wiſſen es! Iffland liegt brach, da Sie fort ſind, aber lauter Brennmaterialien ſammlen ſich für ihn an. Eigentlich, exiſtirt er nur für mich, wenn Sie von ihm ſprechen. Um aber nicht gar zu dumm, und menſchen- ſcheu, und ungeſchickt zu werden, ging ich vorgeſtern auf einen Polterabend — ſolchem ich nie beigewohnt hatte. — Ein gräf- I. 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/559
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/559>, abgerufen am 29.04.2024.