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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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ein, und als ich ihm sagte, ich hätte viel bessere noch in Töp-
litz erhalten, mußt' ich den großen Briefklump durchsuchen,
und wir lasen auch die, wovon ihm nicht eine Wendung,
keine Naivetät, keine derbe Innerlichkeit, wie auch nicht das
Milde des Ganzen, aus anstehender Stärke gebildet, entging.
Als er ausgelesen hatte, sagte er mit dem freundlichsten We-
sen, die Augen noch auf den wieder eingesteckten Brief gewen-
det: "Ich wollte, er wäre hier!" -- Das glaube ich, ich auch!
-- "Ich bin ihm recht gut!" -- Sie glauben nicht, wie mich
das entzückte! Nichts freut mein Herz so sehr, als wenn sich
meine Freunde anerkennen; und ich kann triumphirend sitzen
und denken, du bist die Erste, du hast den entdeckt; und nun
müssen sie ihn lieben! Oft hab' ich Heterogenscheinendes ver-
einigt; oft aber, wollten die besten Seiten an den Menschen
nicht zu einander passen, und roher unüberlegter Tadel drängte
sich an die Stelle des alles befördernden Wohlwollens, trotz
meinem besten Bereiten; daher fühl' ich mit lebendiger Freude
wenn es mir gelingt, meine Lieben in Liebe für einander zu
entzünden, und wenn sie meiner beistimmen und huldigen
müssen. Ich kam mit dem, was ich für das Schmeichlendste
halten mußte, zuerst heraus: nun hören Sie auch, welche
Thorheit mir am meisten in Ihrem Brief schmeichelte und
gefiel. Daß Sie keinen Rum trinken, und noch an
meinen Ausspruch denken! So bin ich: nicht besser. Aber Ihr
eitles, weiches, liebes Herz wird das verstehen. Ich hatte auch
ohne diesen Ihren letzten Brief nicht vergessen, und oft genug
Andern wiederholt, wie eine einzige Bemerkung, über dies Ge-
tränk beim Thee, Eingang fand in Ihrer regen Seele, durch

den

ein, und als ich ihm ſagte, ich hätte viel beſſere noch in Töp-
litz erhalten, mußt’ ich den großen Briefklump durchſuchen,
und wir laſen auch die, wovon ihm nicht eine Wendung,
keine Naivetät, keine derbe Innerlichkeit, wie auch nicht das
Milde des Ganzen, aus anſtehender Stärke gebildet, entging.
Als er ausgeleſen hatte, ſagte er mit dem freundlichſten We-
ſen, die Augen noch auf den wieder eingeſteckten Brief gewen-
det: „Ich wollte, er wäre hier!“ — Das glaube ich, ich auch!
— „Ich bin ihm recht gut!“ — Sie glauben nicht, wie mich
das entzückte! Nichts freut mein Herz ſo ſehr, als wenn ſich
meine Freunde anerkennen; und ich kann triumphirend ſitzen
und denken, du biſt die Erſte, du haſt den entdeckt; und nun
müſſen ſie ihn lieben! Oft hab’ ich Heterogenſcheinendes ver-
einigt; oft aber, wollten die beſten Seiten an den Menſchen
nicht zu einander paſſen, und roher unüberlegter Tadel drängte
ſich an die Stelle des alles befördernden Wohlwollens, trotz
meinem beſten Bereiten; daher fühl’ ich mit lebendiger Freude
wenn es mir gelingt, meine Lieben in Liebe für einander zu
entzünden, und wenn ſie meiner beiſtimmen und huldigen
müſſen. Ich kam mit dem, was ich für das Schmeichlendſte
halten mußte, zuerſt heraus: nun hören Sie auch, welche
Thorheit mir am meiſten in Ihrem Brief ſchmeichelte und
gefiel. Daß Sie keinen Rum trinken, und noch an
meinen Ausſpruch denken! So bin ich: nicht beſſer. Aber Ihr
eitles, weiches, liebes Herz wird das verſtehen. Ich hatte auch
ohne dieſen Ihren letzten Brief nicht vergeſſen, und oft genug
Andern wiederholt, wie eine einzige Bemerkung, über dies Ge-
tränk beim Thee, Eingang fand in Ihrer regen Seele, durch

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[544/0558] ein, und als ich ihm ſagte, ich hätte viel beſſere noch in Töp- litz erhalten, mußt’ ich den großen Briefklump durchſuchen, und wir laſen auch die, wovon ihm nicht eine Wendung, keine Naivetät, keine derbe Innerlichkeit, wie auch nicht das Milde des Ganzen, aus anſtehender Stärke gebildet, entging. Als er ausgeleſen hatte, ſagte er mit dem freundlichſten We- ſen, die Augen noch auf den wieder eingeſteckten Brief gewen- det: „Ich wollte, er wäre hier!“ — Das glaube ich, ich auch! — „Ich bin ihm recht gut!“ — Sie glauben nicht, wie mich das entzückte! Nichts freut mein Herz ſo ſehr, als wenn ſich meine Freunde anerkennen; und ich kann triumphirend ſitzen und denken, du biſt die Erſte, du haſt den entdeckt; und nun müſſen ſie ihn lieben! Oft hab’ ich Heterogenſcheinendes ver- einigt; oft aber, wollten die beſten Seiten an den Menſchen nicht zu einander paſſen, und roher unüberlegter Tadel drängte ſich an die Stelle des alles befördernden Wohlwollens, trotz meinem beſten Bereiten; daher fühl’ ich mit lebendiger Freude wenn es mir gelingt, meine Lieben in Liebe für einander zu entzünden, und wenn ſie meiner beiſtimmen und huldigen müſſen. Ich kam mit dem, was ich für das Schmeichlendſte halten mußte, zuerſt heraus: nun hören Sie auch, welche Thorheit mir am meiſten in Ihrem Brief ſchmeichelte und gefiel. Daß Sie keinen Rum trinken, und noch an meinen Ausſpruch denken! So bin ich: nicht beſſer. Aber Ihr eitles, weiches, liebes Herz wird das verſtehen. Ich hatte auch ohne dieſen Ihren letzten Brief nicht vergeſſen, und oft genug Andern wiederholt, wie eine einzige Bemerkung, über dies Ge- tränk beim Thee, Eingang fand in Ihrer regen Seele, durch den

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/558>, abgerufen am 26.04.2024.