mich nicht gut verstellen; und eine größere Avanie kenne ich nicht.
An Gustav von Brinckmann, in Berlin.
Freienwalde, den 25. Juli 1794.
Denselben Tag, wo ich den großen Brief von Ihnen be- kam, erhielt ich auch einen von der Freundin, den ich Ihnen, sobald ich Sie sehe, zeigen werde. Ich warnte sie, sich nur in irgend etwas einzulassen, und besonders, sich nicht irre ma- chen zu lassen; fand sie aber fester, gefaßter, gescheidter, und vernünftiger, als je, und auch, als ich je glaubte, daß sie sein könne; sie nahm alles vom ersten Augenblick an wie wir -- das werden Sie aus ihrem Brief sehen -- nur schmerzte sie Johanna noch ein wenig, und das kann ich nicht mal für Schwäche rechnen -- denn -- glauben Sie mir einmal auf parole d'honneur d'une femme veridique! -- es schmerzt uns mehr, eine Frau aufzugeben, als einen Mann. Den glauben wir nie sicher zu haben -- wenn wir ihn auch mehr lieben -- dem sagen und zeigen wir nie so alles -- wenn er auch mehr über uns schaltet -- und am Ende -- . . ist Zu- trauen, und das Rechnen auf einen Menschen, doch das Meiste, was wir geben können. Es vergißt sich alles -- wenn auch erst wieder in einem neuen Engagement --, aber ein verän- derter Freund, ein nie verstandenes und doch oft angenom- menes Zutrauen kann nie wieder in uns aufgenommen wer- den, und bleibt uns sehr empfindlich, und wenn man's auch viel vergißt, so oft man dran denkt, thut's leid, und man denkt "schade!", wenn's weiter nichts ist. -- --
mich nicht gut verſtellen; und eine größere Avanie kenne ich nicht.
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Freienwalde, den 25. Juli 1794.
Denſelben Tag, wo ich den großen Brief von Ihnen be- kam, erhielt ich auch einen von der Freundin, den ich Ihnen, ſobald ich Sie ſehe, zeigen werde. Ich warnte ſie, ſich nur in irgend etwas einzulaſſen, und beſonders, ſich nicht irre ma- chen zu laſſen; fand ſie aber feſter, gefaßter, geſcheidter, und vernünftiger, als je, und auch, als ich je glaubte, daß ſie ſein könne; ſie nahm alles vom erſten Augenblick an wie wir — das werden Sie aus ihrem Brief ſehen — nur ſchmerzte ſie Johanna noch ein wenig, und das kann ich nicht mal für Schwäche rechnen — denn — glauben Sie mir einmal auf parole d’honneur d’une femme véridique! — es ſchmerzt uns mehr, eine Frau aufzugeben, als einen Mann. Den glauben wir nie ſicher zu haben — wenn wir ihn auch mehr lieben — dem ſagen und zeigen wir nie ſo alles — wenn er auch mehr über uns ſchaltet — und am Ende — . . iſt Zu- trauen, und das Rechnen auf einen Menſchen, doch das Meiſte, was wir geben können. Es vergißt ſich alles — wenn auch erſt wieder in einem neuen Engagement —, aber ein verän- derter Freund, ein nie verſtandenes und doch oft angenom- menes Zutrauen kann nie wieder in uns aufgenommen wer- den, und bleibt uns ſehr empfindlich, und wenn man’s auch viel vergißt, ſo oft man dran denkt, thut’s leid, und man denkt „ſchade!“, wenn’s weiter nichts iſt. — —
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mich nicht gut verſtellen; und eine größere Avanie kenne
ich nicht.
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Freienwalde, den 25. Juli 1794.
Denſelben Tag, wo ich den großen Brief von Ihnen be-
kam, erhielt ich auch einen von der Freundin, den ich Ihnen,
ſobald ich Sie ſehe, zeigen werde. Ich warnte ſie, ſich nur
in irgend etwas einzulaſſen, und beſonders, ſich nicht irre ma-
chen zu laſſen; fand ſie aber feſter, gefaßter, geſcheidter, und
vernünftiger, als je, und auch, als ich je glaubte, daß ſie
ſein könne; ſie nahm alles vom erſten Augenblick an wie
wir — das werden Sie aus ihrem Brief ſehen — nur ſchmerzte
ſie Johanna noch ein wenig, und das kann ich nicht mal für
Schwäche rechnen — denn — glauben Sie mir einmal auf
parole d’honneur d’une femme véridique! — es ſchmerzt uns
mehr, eine Frau aufzugeben, als einen Mann. Den glauben
wir nie ſicher zu haben — wenn wir ihn auch mehr lieben —
dem ſagen und zeigen wir nie ſo alles — wenn er auch
mehr über uns ſchaltet — und am Ende — . . iſt Zu-
trauen, und das Rechnen auf einen Menſchen, doch das Meiſte,
was wir geben können. Es vergißt ſich alles — wenn auch
erſt wieder in einem neuen Engagement —, aber ein verän-
derter Freund, ein nie verſtandenes und doch oft angenom-
menes Zutrauen kann nie wieder in uns aufgenommen wer-
den, und bleibt uns ſehr empfindlich, und wenn man’s auch
viel vergißt, ſo oft man dran denkt, thut’s leid, und man
denkt „ſchade!“, wenn’s weiter nichts iſt. — —
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/93>, abgerufen am 11.12.2024.
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