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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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des lebenden Thieres meist sehr bedeutend von der allgemeinen Ge-
staltung des Schädels abweicht. Die allgemeine Verschmelzung sämmt-
licher harten Theile des Kopfes in eine einzige knorpelige Kapsel, das
gänzliche Fehlen jeder Spur von Knochengebilden, die sonst als Haut-
knochen, Deckplatten u. s. w. an dem Schädel der übrigen Fische sich
ausbilden, charakterisirt die Knorpelfische vorzugsweise. Hinsichtlich
der Ausbildung der Wirbelsäule herrscht eine große Verschiedenheit.
Bei den einen (Chimaera) findet sich noch eine ungetheilte Wir-
belsaite, deren Scheide sich nach oben in ein Rohr fortsetzt, welches
das Rückenmark umhüllt, bei anderen (Notidanus) zeigt diese Wirbel-
saite im Inneren Zwischenwände, welche den Wirbeln entsprechen; bei
den übrigen sind vollständige scheibenförmige Wirbelkörper vorhanden,
welche von beiden Seiten her becherförmig ausgehöhlt und meist nur
unvollständig netzartig verknöchert sind. Indeß läßt sich auch bei
denjenigen Arten, welche eine continuirliche Chorda besitzen, die Ab-
theilung der Wirbelkörper durch knorpelige Stücke erkennen, welche in
der Faserscheide der Chorda, sowie in dem Rohre, welches das Rücken-
mark umhüllt, abgelagert sind. Bei allen übrigen kommen besondere
obere und untere Wirbelbogen vor, zwischen welche oft noch Schalt-
stücke eingeschoben und deren Wurzeln in die Wirbelkörper gleichsam
eingebohrt sind.

Betrachten wir die äußeren Organe, welche mit dem Skelette
zusammenhängen, so zeigen sich stets die zwei paarigen Flossen,
von denen die vorderen indeß sehr verschiedene Stellungen behaupten.
Die Brustflossen hängen immer mit einem starken, knorpeligen Schul-
tergürtel zusammen, welcher entweder an der Hinterhauptsgegend
der Schädelkapsel oder an dem vorderen Theile der Halswirbelsäule
angeheftet ist und nach vorn und unten auf der Bauchfläche zusam-
mentretend, das Herz einschließt. Bei den Seekatzen und Haien ent-
spricht dieser Schultergürtel in Lagerung und Gestalt demjenigen der
gewöhnlichen Knochenfische und dann steht auch die gewöhnlich große
Brustflosse ruderförmig zu beiden Seiten des mehr cylindrischen Lei-
bes, den sie in der Ruhe umfaßt. Bei einer großen Familie, den
Rochen, aber sind die Schultergürtel der Brustflossen nicht nur bogen-
förmig nach unten geschlossen, so daß sie oben an dem Hinterhaupte
aufgehängt sind und auf der Bauchfläche das Herz umschließen, son-
dern sie schicken auch noch horizontale, säbelförmig gekrümmte Trage-
knochen nach vorn und hinten, die den Kopf und die Bauchhöhle
eingränzen, nach hinten an den Beckengürtel sich anlehnen, nach vorn

des lebenden Thieres meiſt ſehr bedeutend von der allgemeinen Ge-
ſtaltung des Schädels abweicht. Die allgemeine Verſchmelzung ſämmt-
licher harten Theile des Kopfes in eine einzige knorpelige Kapſel, das
gänzliche Fehlen jeder Spur von Knochengebilden, die ſonſt als Haut-
knochen, Deckplatten u. ſ. w. an dem Schädel der übrigen Fiſche ſich
ausbilden, charakteriſirt die Knorpelfiſche vorzugsweiſe. Hinſichtlich
der Ausbildung der Wirbelſäule herrſcht eine große Verſchiedenheit.
Bei den einen (Chimaera) findet ſich noch eine ungetheilte Wir-
belſaite, deren Scheide ſich nach oben in ein Rohr fortſetzt, welches
das Rückenmark umhüllt, bei anderen (Notidanus) zeigt dieſe Wirbel-
ſaite im Inneren Zwiſchenwände, welche den Wirbeln entſprechen; bei
den übrigen ſind vollſtändige ſcheibenförmige Wirbelkörper vorhanden,
welche von beiden Seiten her becherförmig ausgehöhlt und meiſt nur
unvollſtändig netzartig verknöchert ſind. Indeß läßt ſich auch bei
denjenigen Arten, welche eine continuirliche Chorda beſitzen, die Ab-
theilung der Wirbelkörper durch knorpelige Stücke erkennen, welche in
der Faſerſcheide der Chorda, ſowie in dem Rohre, welches das Rücken-
mark umhüllt, abgelagert ſind. Bei allen übrigen kommen beſondere
obere und untere Wirbelbogen vor, zwiſchen welche oft noch Schalt-
ſtücke eingeſchoben und deren Wurzeln in die Wirbelkörper gleichſam
eingebohrt ſind.

Betrachten wir die äußeren Organe, welche mit dem Skelette
zuſammenhängen, ſo zeigen ſich ſtets die zwei paarigen Floſſen,
von denen die vorderen indeß ſehr verſchiedene Stellungen behaupten.
Die Bruſtfloſſen hängen immer mit einem ſtarken, knorpeligen Schul-
tergürtel zuſammen, welcher entweder an der Hinterhauptsgegend
der Schädelkapſel oder an dem vorderen Theile der Halswirbelſäule
angeheftet iſt und nach vorn und unten auf der Bauchfläche zuſam-
mentretend, das Herz einſchließt. Bei den Seekatzen und Haien ent-
ſpricht dieſer Schultergürtel in Lagerung und Geſtalt demjenigen der
gewöhnlichen Knochenfiſche und dann ſteht auch die gewöhnlich große
Bruſtfloſſe ruderförmig zu beiden Seiten des mehr cylindriſchen Lei-
bes, den ſie in der Ruhe umfaßt. Bei einer großen Familie, den
Rochen, aber ſind die Schultergürtel der Bruſtfloſſen nicht nur bogen-
förmig nach unten geſchloſſen, ſo daß ſie oben an dem Hinterhaupte
aufgehängt ſind und auf der Bauchfläche das Herz umſchließen, ſon-
dern ſie ſchicken auch noch horizontale, ſäbelförmig gekrümmte Trage-
knochen nach vorn und hinten, die den Kopf und die Bauchhöhle
eingränzen, nach hinten an den Beckengürtel ſich anlehnen, nach vorn

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[109/0115] des lebenden Thieres meiſt ſehr bedeutend von der allgemeinen Ge- ſtaltung des Schädels abweicht. Die allgemeine Verſchmelzung ſämmt- licher harten Theile des Kopfes in eine einzige knorpelige Kapſel, das gänzliche Fehlen jeder Spur von Knochengebilden, die ſonſt als Haut- knochen, Deckplatten u. ſ. w. an dem Schädel der übrigen Fiſche ſich ausbilden, charakteriſirt die Knorpelfiſche vorzugsweiſe. Hinſichtlich der Ausbildung der Wirbelſäule herrſcht eine große Verſchiedenheit. Bei den einen (Chimaera) findet ſich noch eine ungetheilte Wir- belſaite, deren Scheide ſich nach oben in ein Rohr fortſetzt, welches das Rückenmark umhüllt, bei anderen (Notidanus) zeigt dieſe Wirbel- ſaite im Inneren Zwiſchenwände, welche den Wirbeln entſprechen; bei den übrigen ſind vollſtändige ſcheibenförmige Wirbelkörper vorhanden, welche von beiden Seiten her becherförmig ausgehöhlt und meiſt nur unvollſtändig netzartig verknöchert ſind. Indeß läßt ſich auch bei denjenigen Arten, welche eine continuirliche Chorda beſitzen, die Ab- theilung der Wirbelkörper durch knorpelige Stücke erkennen, welche in der Faſerſcheide der Chorda, ſowie in dem Rohre, welches das Rücken- mark umhüllt, abgelagert ſind. Bei allen übrigen kommen beſondere obere und untere Wirbelbogen vor, zwiſchen welche oft noch Schalt- ſtücke eingeſchoben und deren Wurzeln in die Wirbelkörper gleichſam eingebohrt ſind. Betrachten wir die äußeren Organe, welche mit dem Skelette zuſammenhängen, ſo zeigen ſich ſtets die zwei paarigen Floſſen, von denen die vorderen indeß ſehr verſchiedene Stellungen behaupten. Die Bruſtfloſſen hängen immer mit einem ſtarken, knorpeligen Schul- tergürtel zuſammen, welcher entweder an der Hinterhauptsgegend der Schädelkapſel oder an dem vorderen Theile der Halswirbelſäule angeheftet iſt und nach vorn und unten auf der Bauchfläche zuſam- mentretend, das Herz einſchließt. Bei den Seekatzen und Haien ent- ſpricht dieſer Schultergürtel in Lagerung und Geſtalt demjenigen der gewöhnlichen Knochenfiſche und dann ſteht auch die gewöhnlich große Bruſtfloſſe ruderförmig zu beiden Seiten des mehr cylindriſchen Lei- bes, den ſie in der Ruhe umfaßt. Bei einer großen Familie, den Rochen, aber ſind die Schultergürtel der Bruſtfloſſen nicht nur bogen- förmig nach unten geſchloſſen, ſo daß ſie oben an dem Hinterhaupte aufgehängt ſind und auf der Bauchfläche das Herz umſchließen, ſon- dern ſie ſchicken auch noch horizontale, ſäbelförmig gekrümmte Trage- knochen nach vorn und hinten, die den Kopf und die Bauchhöhle eingränzen, nach hinten an den Beckengürtel ſich anlehnen, nach vorn

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/115>, abgerufen am 26.04.2024.