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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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[Abbildung] Fig. 1352. Fig. 1353. Fig. 1354.

Schädel verschiedener Beutelthiere. Fig. 1352. Der Beutelratze (Didelphys). Fig. 1353. Des Potoru
(Hypsiprimnus). Fig. 1354. Das Wombat (Phascolomys).

mit der Schläfengrube verbunden; der Unterkiefer hat eine eigenthüm-
liche Gestalt, indem sich sein Gelenkwinkel nach innen einbiegt und
einen mehr oder minder blattartigen Fortsatz bildet, welcher zuweilen
fast den ganzen Raum zwischen den beiden Aesten des Unterkiefers
einnimmt; die Beutelknochen sind bei allen Beutelthieren ohne Aus-
nahme und bei beiden Geschlechtern in vollkommen gleicher Größe ent-
wickelt; die Bildung der Extremitäten erscheint äußerst verschieden,
gewöhnlich findet man die Vorderfüße mit mehreren freien Zehen
versehen und mit langen Nagelkrallen bewaffnet, so daß sie zum Gehen,
so wie zum Ergreifen der Beute geschickt erscheinen; bei den Sprin-
genden sind sie gewöhnlich sehr kurz, verkümmert, aber nichts desto
weniger mit wohl ausgebildeten Schlüsselbeinen versehen. Sehr ver-
schiedenartig ist die Bildung der Hinterfüße. Bei den Einen sind die
Zehen frei, mit Krallennägeln versehen und der Fuß zum Laufen ge-
eignet; bei Anderen die mittleren Zehen mit einander verwachsen und
mit dem Mittelfuße enorm verlängert, so daß ein mächtiges Instru-
ment zum Sprunge geschaffen wird; bei noch Anderen endlich sind die
Hinterfüße vollkommene Hände, indem neben vier nageltragenden Ze-
hen ein absetzbarer nagelloser Daumen gebildet ist.

Das Gehirn zeigt bei den meisten Beutelthieren entweder gar
keine oder nur sehr wenige flache Windungen. Die äußere Ohrmu-
schel ist bei Allen wohl ausgebildet und bei vielen sogar von beträcht-
licher Größe. Den wesentlichsten auszeichnenden Charakter bietet die
Bildung der Geschlechtstheile dar; bei den Männchen liegen die Ho-
den in einem Sacke unter dem Bauche weit vor der Ruthe, die zum
Theil in einem langen scheidenartigen Canale versteckt ist; bei den
Weibchen führt die weibliche Geschlechtsöffnung, welche vollkommen von
dem After getrennt ist, in einen mehr oder minder langen Kanal, der
sich bald in zwei Röhren theilt, welche sich in Form einer Lyra nach


[Abbildung] Fig. 1352. Fig. 1353. Fig. 1354.

Schädel verſchiedener Beutelthiere. Fig. 1352. Der Beutelratze (Didelphys). Fig. 1353. Des Potoru
(Hypsiprimnus). Fig. 1354. Das Wombat (Phascolomys).

mit der Schläfengrube verbunden; der Unterkiefer hat eine eigenthüm-
liche Geſtalt, indem ſich ſein Gelenkwinkel nach innen einbiegt und
einen mehr oder minder blattartigen Fortſatz bildet, welcher zuweilen
faſt den ganzen Raum zwiſchen den beiden Aeſten des Unterkiefers
einnimmt; die Beutelknochen ſind bei allen Beutelthieren ohne Aus-
nahme und bei beiden Geſchlechtern in vollkommen gleicher Größe ent-
wickelt; die Bildung der Extremitäten erſcheint äußerſt verſchieden,
gewöhnlich findet man die Vorderfüße mit mehreren freien Zehen
verſehen und mit langen Nagelkrallen bewaffnet, ſo daß ſie zum Gehen,
ſo wie zum Ergreifen der Beute geſchickt erſcheinen; bei den Sprin-
genden ſind ſie gewöhnlich ſehr kurz, verkümmert, aber nichts deſto
weniger mit wohl ausgebildeten Schlüſſelbeinen verſehen. Sehr ver-
ſchiedenartig iſt die Bildung der Hinterfüße. Bei den Einen ſind die
Zehen frei, mit Krallennägeln verſehen und der Fuß zum Laufen ge-
eignet; bei Anderen die mittleren Zehen mit einander verwachſen und
mit dem Mittelfuße enorm verlängert, ſo daß ein mächtiges Inſtru-
ment zum Sprunge geſchaffen wird; bei noch Anderen endlich ſind die
Hinterfüße vollkommene Hände, indem neben vier nageltragenden Ze-
hen ein abſetzbarer nagelloſer Daumen gebildet iſt.

Das Gehirn zeigt bei den meiſten Beutelthieren entweder gar
keine oder nur ſehr wenige flache Windungen. Die äußere Ohrmu-
ſchel iſt bei Allen wohl ausgebildet und bei vielen ſogar von beträcht-
licher Größe. Den weſentlichſten auszeichnenden Charakter bietet die
Bildung der Geſchlechtstheile dar; bei den Männchen liegen die Ho-
den in einem Sacke unter dem Bauche weit vor der Ruthe, die zum
Theil in einem langen ſcheidenartigen Canale verſteckt iſt; bei den
Weibchen führt die weibliche Geſchlechtsöffnung, welche vollkommen von
dem After getrennt iſt, in einen mehr oder minder langen Kanal, der
ſich bald in zwei Röhren theilt, welche ſich in Form einer Lyra nach

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[438/0444] [Abbildung Fig. 1352. Fig. 1353. Fig. 1354. Schädel verſchiedener Beutelthiere. Fig. 1352. Der Beutelratze (Didelphys). Fig. 1353. Des Potoru (Hypsiprimnus). Fig. 1354. Das Wombat (Phascolomys).] mit der Schläfengrube verbunden; der Unterkiefer hat eine eigenthüm- liche Geſtalt, indem ſich ſein Gelenkwinkel nach innen einbiegt und einen mehr oder minder blattartigen Fortſatz bildet, welcher zuweilen faſt den ganzen Raum zwiſchen den beiden Aeſten des Unterkiefers einnimmt; die Beutelknochen ſind bei allen Beutelthieren ohne Aus- nahme und bei beiden Geſchlechtern in vollkommen gleicher Größe ent- wickelt; die Bildung der Extremitäten erſcheint äußerſt verſchieden, gewöhnlich findet man die Vorderfüße mit mehreren freien Zehen verſehen und mit langen Nagelkrallen bewaffnet, ſo daß ſie zum Gehen, ſo wie zum Ergreifen der Beute geſchickt erſcheinen; bei den Sprin- genden ſind ſie gewöhnlich ſehr kurz, verkümmert, aber nichts deſto weniger mit wohl ausgebildeten Schlüſſelbeinen verſehen. Sehr ver- ſchiedenartig iſt die Bildung der Hinterfüße. Bei den Einen ſind die Zehen frei, mit Krallennägeln verſehen und der Fuß zum Laufen ge- eignet; bei Anderen die mittleren Zehen mit einander verwachſen und mit dem Mittelfuße enorm verlängert, ſo daß ein mächtiges Inſtru- ment zum Sprunge geſchaffen wird; bei noch Anderen endlich ſind die Hinterfüße vollkommene Hände, indem neben vier nageltragenden Ze- hen ein abſetzbarer nagelloſer Daumen gebildet iſt. Das Gehirn zeigt bei den meiſten Beutelthieren entweder gar keine oder nur ſehr wenige flache Windungen. Die äußere Ohrmu- ſchel iſt bei Allen wohl ausgebildet und bei vielen ſogar von beträcht- licher Größe. Den weſentlichſten auszeichnenden Charakter bietet die Bildung der Geſchlechtstheile dar; bei den Männchen liegen die Ho- den in einem Sacke unter dem Bauche weit vor der Ruthe, die zum Theil in einem langen ſcheidenartigen Canale verſteckt iſt; bei den Weibchen führt die weibliche Geſchlechtsöffnung, welche vollkommen von dem After getrennt iſt, in einen mehr oder minder langen Kanal, der ſich bald in zwei Röhren theilt, welche ſich in Form einer Lyra nach

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/444>, abgerufen am 26.04.2024.