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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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bildet, welche den Thieren die Möglichkeit gestattet, in der Luft nach
ihrem Raube umherzuflattern. In Uebereinstimmung mit dieser Flug-
bewegung sind auch die Brustmuskeln in ähnlicher Weise, wie bei den
Vögeln ausgebildet und das Brustbein mit einem mehr oder minder
vorspringenden Kamme versehen, an welchen sich diese Flugmuskeln
anheften. Die Bezahnung in dieser Ordnung ist sehr verschieden,
indem die Einen sich wesentlich von Insekten oder dem Blute größerer
Thiere, die Anderen aber von Früchten nähren. Wir unterscheiden
nach der Ausbildung der Flughäute zwei Unterordnungen.

Die Unterordnung der Fledermäuse (Chiroptera) zeichnet
sich durch die ungleiche Entwickelung ihrer Extremitäten aus. Die
Schlüsselbeine und Schulterblätter sind bedeutend groß und kräftig
entwickelt, der Oberarm nur kurz, der Unterarm schon bedeutend län-
ger und die beiden Knochen, die ihn bilden, vollkommen beweglich
und getrennt. Die Handwurzel besteht nur aus einigen kleinen
Knöchelchen, eben so die Mittelhand, auf welche dann die Finger fol-
gen; der Daumen ist nur klein, frei und sein Endglied mit einem
scharfen, krummen Nagel, mit einer Hakenkralle bewaffnet, an der sie
sich aufhängen können. Die Knochen der übrigen vier Finger sind
außerordentlich verlängert, dünn, das letzte Glied vollkommen nagel-
los; sie dienen zum Spannen der Flughaut, welche bei allen diesen
Thieren sehr dünn, fast durchsichtig und mit wenigen schwärzlichen
Haaren besetzt ist. Die Hinterfüße sind gewöhnlich sehr klein, aber
kräftig, wohl ausgebildet, fünfzehig und mit scharfen Hakenkrallen
bewaffnet, der Schwanz kurz und fehlt oft gänzlich. Bei der gering-
sten Ausdehnung ist die Flughaut an dem ganzen äußeren Rande der
Hinterbeine bis zu der Handwurzel, an der Seite des Leibes, an dem
inneren Rande des Armes und an den vier Fingern befestigt, oft
aber erstreckt sie sich noch vorn über das Ellenbogengelenk weg und
ist auch zwischen den beiden Hinterfüßen und dem Schwanze als so-
genannte Schenkelhaut ausgespannt, so daß in dieser Hinsicht die
vielfachsten Verschiedenheiten obwalten. Alle diese Thiere fliegen nur
in der Dämmerung und bei Nacht oder an dunkeln Orten umher.
Das Unstäte und Schwankende ihres flatternden Fluges ist hinlänglich
bekannt. Ihr Gefühl ist äußerst fein und namentlich in den oft sehr
sonderbar ausgebildeten Hautlappen der Ohren und Nase vorhan-
den. Sie weichen im Dunkeln, durch das Gefühl dieser Organe be-
nachrichtigt, selbst gespannten Faden und festeren Gegenständen aus,

bildet, welche den Thieren die Möglichkeit geſtattet, in der Luft nach
ihrem Raube umherzuflattern. In Uebereinſtimmung mit dieſer Flug-
bewegung ſind auch die Bruſtmuskeln in ähnlicher Weiſe, wie bei den
Vögeln ausgebildet und das Bruſtbein mit einem mehr oder minder
vorſpringenden Kamme verſehen, an welchen ſich dieſe Flugmuskeln
anheften. Die Bezahnung in dieſer Ordnung iſt ſehr verſchieden,
indem die Einen ſich weſentlich von Inſekten oder dem Blute größerer
Thiere, die Anderen aber von Früchten nähren. Wir unterſcheiden
nach der Ausbildung der Flughäute zwei Unterordnungen.

Die Unterordnung der Fledermäuſe (Chiroptera) zeichnet
ſich durch die ungleiche Entwickelung ihrer Extremitäten aus. Die
Schlüſſelbeine und Schulterblätter ſind bedeutend groß und kräftig
entwickelt, der Oberarm nur kurz, der Unterarm ſchon bedeutend län-
ger und die beiden Knochen, die ihn bilden, vollkommen beweglich
und getrennt. Die Handwurzel beſteht nur aus einigen kleinen
Knöchelchen, eben ſo die Mittelhand, auf welche dann die Finger fol-
gen; der Daumen iſt nur klein, frei und ſein Endglied mit einem
ſcharfen, krummen Nagel, mit einer Hakenkralle bewaffnet, an der ſie
ſich aufhängen können. Die Knochen der übrigen vier Finger ſind
außerordentlich verlängert, dünn, das letzte Glied vollkommen nagel-
los; ſie dienen zum Spannen der Flughaut, welche bei allen dieſen
Thieren ſehr dünn, faſt durchſichtig und mit wenigen ſchwärzlichen
Haaren beſetzt iſt. Die Hinterfüße ſind gewöhnlich ſehr klein, aber
kräftig, wohl ausgebildet, fünfzehig und mit ſcharfen Hakenkrallen
bewaffnet, der Schwanz kurz und fehlt oft gänzlich. Bei der gering-
ſten Ausdehnung iſt die Flughaut an dem ganzen äußeren Rande der
Hinterbeine bis zu der Handwurzel, an der Seite des Leibes, an dem
inneren Rande des Armes und an den vier Fingern befeſtigt, oft
aber erſtreckt ſie ſich noch vorn über das Ellenbogengelenk weg und
iſt auch zwiſchen den beiden Hinterfüßen und dem Schwanze als ſo-
genannte Schenkelhaut ausgeſpannt, ſo daß in dieſer Hinſicht die
vielfachſten Verſchiedenheiten obwalten. Alle dieſe Thiere fliegen nur
in der Dämmerung und bei Nacht oder an dunkeln Orten umher.
Das Unſtäte und Schwankende ihres flatternden Fluges iſt hinlänglich
bekannt. Ihr Gefühl iſt äußerſt fein und namentlich in den oft ſehr
ſonderbar ausgebildeten Hautlappen der Ohren und Naſe vorhan-
den. Sie weichen im Dunkeln, durch das Gefühl dieſer Organe be-
nachrichtigt, ſelbſt geſpannten Faden und feſteren Gegenſtänden aus,

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[507/0513] bildet, welche den Thieren die Möglichkeit geſtattet, in der Luft nach ihrem Raube umherzuflattern. In Uebereinſtimmung mit dieſer Flug- bewegung ſind auch die Bruſtmuskeln in ähnlicher Weiſe, wie bei den Vögeln ausgebildet und das Bruſtbein mit einem mehr oder minder vorſpringenden Kamme verſehen, an welchen ſich dieſe Flugmuskeln anheften. Die Bezahnung in dieſer Ordnung iſt ſehr verſchieden, indem die Einen ſich weſentlich von Inſekten oder dem Blute größerer Thiere, die Anderen aber von Früchten nähren. Wir unterſcheiden nach der Ausbildung der Flughäute zwei Unterordnungen. Die Unterordnung der Fledermäuſe (Chiroptera) zeichnet ſich durch die ungleiche Entwickelung ihrer Extremitäten aus. Die Schlüſſelbeine und Schulterblätter ſind bedeutend groß und kräftig entwickelt, der Oberarm nur kurz, der Unterarm ſchon bedeutend län- ger und die beiden Knochen, die ihn bilden, vollkommen beweglich und getrennt. Die Handwurzel beſteht nur aus einigen kleinen Knöchelchen, eben ſo die Mittelhand, auf welche dann die Finger fol- gen; der Daumen iſt nur klein, frei und ſein Endglied mit einem ſcharfen, krummen Nagel, mit einer Hakenkralle bewaffnet, an der ſie ſich aufhängen können. Die Knochen der übrigen vier Finger ſind außerordentlich verlängert, dünn, das letzte Glied vollkommen nagel- los; ſie dienen zum Spannen der Flughaut, welche bei allen dieſen Thieren ſehr dünn, faſt durchſichtig und mit wenigen ſchwärzlichen Haaren beſetzt iſt. Die Hinterfüße ſind gewöhnlich ſehr klein, aber kräftig, wohl ausgebildet, fünfzehig und mit ſcharfen Hakenkrallen bewaffnet, der Schwanz kurz und fehlt oft gänzlich. Bei der gering- ſten Ausdehnung iſt die Flughaut an dem ganzen äußeren Rande der Hinterbeine bis zu der Handwurzel, an der Seite des Leibes, an dem inneren Rande des Armes und an den vier Fingern befeſtigt, oft aber erſtreckt ſie ſich noch vorn über das Ellenbogengelenk weg und iſt auch zwiſchen den beiden Hinterfüßen und dem Schwanze als ſo- genannte Schenkelhaut ausgeſpannt, ſo daß in dieſer Hinſicht die vielfachſten Verſchiedenheiten obwalten. Alle dieſe Thiere fliegen nur in der Dämmerung und bei Nacht oder an dunkeln Orten umher. Das Unſtäte und Schwankende ihres flatternden Fluges iſt hinlänglich bekannt. Ihr Gefühl iſt äußerſt fein und namentlich in den oft ſehr ſonderbar ausgebildeten Hautlappen der Ohren und Naſe vorhan- den. Sie weichen im Dunkeln, durch das Gefühl dieſer Organe be- nachrichtigt, ſelbſt geſpannten Faden und feſteren Gegenſtänden aus,

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/513>, abgerufen am 14.05.2024.