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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Walze darstellt, bildet er im Gegentheile bei den Nagern eine Längs-
walze mit bogenförmiger Krümmung, welche hauptsächlich nur die er-
wähnte Bewegung von vorn nach hinten gestattet. Eine große Ver-
schiedenheit herrscht in der Bildung der Extremitäten, des Schwanzes,
der allgemeinen Körperbedeckungen und der Sinnesorgane. Man findet
fast stets vier oder fünf Zehen, alle mit Krallennägeln bewaffnet und
auf dieselbe Linie gestellt, niemals einen abziehbaren Daumen; dage-
gen ist die Länge und die verhältnißmäßige Entwicklung der Extremi-
täten und ihr Gebrauch so mannigfaltig, als es nur irgendwie vor-
kommen kann, da die Nager eben so wohl in Erdlöchern, welche sie sich
graben, wie in dem Wasser, auf der Erde laufend und springend, wie
auf Bäume kletternd sich bewegen. Die dichte Behaarung des Pelzes
zeigt alle Zwischenstufen von dem feinsten Wollhaare der Seidenmaus
bis zu den starken Stacheln des Stachelschweines. Die Vorderfüße zeich-
nen sich aus durch die meistens vollständige Entwicklung des Schlüssel-
beines, welches nur den laufenden Familien ganz fehlt, bei einigen ru-
dimentär bleibt, bei denjenigen aber, die sich der Vorderfüße auch zum
Halten des Futters und zum Klettern bedienen, ganz vollkommen aus-
gebildet ist. Die sämmtlichen Thiere leben fast ausschließlich von Pflan-
zennahrung; -- nur bei einigen zeigt die Existenz stumpfer Höcker auf
den ausnahmsweise zweiwurzeligen Backzähnen auf mehr gemischte Nah-
rung hin. Alle richten durch das Benagen festerer Pflanzenstoffe, durch
das Bohren von Gängen, so wie das fast allgemein in dieser Ordnung
vorkommende Sammeln von Vorräthen nicht unbedeutenden Schaden
an. Im Uebrigen sind es meist stupide und dumme Thiere, deren
Gehirn auch nur einen sehr geringen Grad von Ausbildung zeigt, in-
dem es gar keine Windungen, höchstens einige Längsfalten besitzt und
das kleine Gehirn fast gänzlich bloß läßt. Bei der großen Anzahl
von Uebergängen zwischen den einzelnen Formen und der geringen
Beständigkeit durchgreifender Charaktere trotz der großen Anzahl von
Gattungen und Arten darf es nicht verwundern, wenn die Begrän-
zung der Familien, so wie ihre Stellung zu einander die mannigfal-
tigsten Abänderungen erfahren hat. Wir nehmen folgende Fami-
lien an:


Vogt. Zoologische Briefe. II. 33

Walze darſtellt, bildet er im Gegentheile bei den Nagern eine Längs-
walze mit bogenförmiger Krümmung, welche hauptſächlich nur die er-
wähnte Bewegung von vorn nach hinten geſtattet. Eine große Ver-
ſchiedenheit herrſcht in der Bildung der Extremitäten, des Schwanzes,
der allgemeinen Körperbedeckungen und der Sinnesorgane. Man findet
faſt ſtets vier oder fünf Zehen, alle mit Krallennägeln bewaffnet und
auf dieſelbe Linie geſtellt, niemals einen abziehbaren Daumen; dage-
gen iſt die Länge und die verhältnißmäßige Entwicklung der Extremi-
täten und ihr Gebrauch ſo mannigfaltig, als es nur irgendwie vor-
kommen kann, da die Nager eben ſo wohl in Erdlöchern, welche ſie ſich
graben, wie in dem Waſſer, auf der Erde laufend und ſpringend, wie
auf Bäume kletternd ſich bewegen. Die dichte Behaarung des Pelzes
zeigt alle Zwiſchenſtufen von dem feinſten Wollhaare der Seidenmaus
bis zu den ſtarken Stacheln des Stachelſchweines. Die Vorderfüße zeich-
nen ſich aus durch die meiſtens vollſtändige Entwicklung des Schlüſſel-
beines, welches nur den laufenden Familien ganz fehlt, bei einigen ru-
dimentär bleibt, bei denjenigen aber, die ſich der Vorderfüße auch zum
Halten des Futters und zum Klettern bedienen, ganz vollkommen aus-
gebildet iſt. Die ſämmtlichen Thiere leben faſt ausſchließlich von Pflan-
zennahrung; — nur bei einigen zeigt die Exiſtenz ſtumpfer Höcker auf
den ausnahmsweiſe zweiwurzeligen Backzähnen auf mehr gemiſchte Nah-
rung hin. Alle richten durch das Benagen feſterer Pflanzenſtoffe, durch
das Bohren von Gängen, ſo wie das faſt allgemein in dieſer Ordnung
vorkommende Sammeln von Vorräthen nicht unbedeutenden Schaden
an. Im Uebrigen ſind es meiſt ſtupide und dumme Thiere, deren
Gehirn auch nur einen ſehr geringen Grad von Ausbildung zeigt, in-
dem es gar keine Windungen, höchſtens einige Längsfalten beſitzt und
das kleine Gehirn faſt gänzlich bloß läßt. Bei der großen Anzahl
von Uebergängen zwiſchen den einzelnen Formen und der geringen
Beſtändigkeit durchgreifender Charaktere trotz der großen Anzahl von
Gattungen und Arten darf es nicht verwundern, wenn die Begrän-
zung der Familien, ſo wie ihre Stellung zu einander die mannigfal-
tigſten Abänderungen erfahren hat. Wir nehmen folgende Fami-
lien an:


Vogt. Zoologiſche Briefe. II. 33
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[513/0519] Walze darſtellt, bildet er im Gegentheile bei den Nagern eine Längs- walze mit bogenförmiger Krümmung, welche hauptſächlich nur die er- wähnte Bewegung von vorn nach hinten geſtattet. Eine große Ver- ſchiedenheit herrſcht in der Bildung der Extremitäten, des Schwanzes, der allgemeinen Körperbedeckungen und der Sinnesorgane. Man findet faſt ſtets vier oder fünf Zehen, alle mit Krallennägeln bewaffnet und auf dieſelbe Linie geſtellt, niemals einen abziehbaren Daumen; dage- gen iſt die Länge und die verhältnißmäßige Entwicklung der Extremi- täten und ihr Gebrauch ſo mannigfaltig, als es nur irgendwie vor- kommen kann, da die Nager eben ſo wohl in Erdlöchern, welche ſie ſich graben, wie in dem Waſſer, auf der Erde laufend und ſpringend, wie auf Bäume kletternd ſich bewegen. Die dichte Behaarung des Pelzes zeigt alle Zwiſchenſtufen von dem feinſten Wollhaare der Seidenmaus bis zu den ſtarken Stacheln des Stachelſchweines. Die Vorderfüße zeich- nen ſich aus durch die meiſtens vollſtändige Entwicklung des Schlüſſel- beines, welches nur den laufenden Familien ganz fehlt, bei einigen ru- dimentär bleibt, bei denjenigen aber, die ſich der Vorderfüße auch zum Halten des Futters und zum Klettern bedienen, ganz vollkommen aus- gebildet iſt. Die ſämmtlichen Thiere leben faſt ausſchließlich von Pflan- zennahrung; — nur bei einigen zeigt die Exiſtenz ſtumpfer Höcker auf den ausnahmsweiſe zweiwurzeligen Backzähnen auf mehr gemiſchte Nah- rung hin. Alle richten durch das Benagen feſterer Pflanzenſtoffe, durch das Bohren von Gängen, ſo wie das faſt allgemein in dieſer Ordnung vorkommende Sammeln von Vorräthen nicht unbedeutenden Schaden an. Im Uebrigen ſind es meiſt ſtupide und dumme Thiere, deren Gehirn auch nur einen ſehr geringen Grad von Ausbildung zeigt, in- dem es gar keine Windungen, höchſtens einige Längsfalten beſitzt und das kleine Gehirn faſt gänzlich bloß läßt. Bei der großen Anzahl von Uebergängen zwiſchen den einzelnen Formen und der geringen Beſtändigkeit durchgreifender Charaktere trotz der großen Anzahl von Gattungen und Arten darf es nicht verwundern, wenn die Begrän- zung der Familien, ſo wie ihre Stellung zu einander die mannigfal- tigſten Abänderungen erfahren hat. Wir nehmen folgende Fami- lien an: Vogt. Zoologiſche Briefe. II. 33

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/519>, abgerufen am 28.04.2024.