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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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zeit im Gefolge, traf ihn die Melodie. Die
Saiten einer Zephirharmonika strömten sie nie¬
der, dort in Sizilien hatte sie ihn einst zu einem
verklärteren Dasein emporgetragen. Was hieß
das? Was sollte Guido denken?

Er konnte nicht mehr fliehn, wandte sich um,
nach der Seite des Klanges horchend. Süß lis¬
pelten die Zweige der blüthenduftenden Linde,
im stärker wehenden, warmen Abendwind. Hö¬
her schwebte der klare Mond, heller gossen sich
seine Strahlen auf die Wipfel nieder, Guido
sah etwas über diesen Wipfeln, sanftleuchtend und
rosig schimmern, und wandelte bebend den Pfad
dorthin. Die schwarze Maske trat ihm entgegen,
nahm ihn bei der Hand, führte ihn durch eine
dunkle Krümmung, wo er aus den Blick ver¬
lor, was er eben gesehen hatte, doch immer
noch, die Melodie vernahm. Kein Wort konnte
die Lippe stammeln. Bald endete das Dickigt
vor einem freien mondbeglänzten Hügel, und
völlig sichtbar in der ereilten Nähe, winkte das
hohe Instrument, dem ähnlich, das Guido auf
dem heimathlichen Eiland entzückte. Die Hebe
rührte nun ihre Saiten nicht mehr, stieg herab,
ach! wie einst Ini im Abendschein. Guido sank

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zeit im Gefolge, traf ihn die Melodie. Die
Saiten einer Zephirharmonika ſtroͤmten ſie nie¬
der, dort in Sizilien hatte ſie ihn einſt zu einem
verklaͤrteren Daſein emporgetragen. Was hieß
das? Was ſollte Guido denken?

Er konnte nicht mehr fliehn, wandte ſich um,
nach der Seite des Klanges horchend. Suͤß lis¬
pelten die Zweige der bluͤthenduftenden Linde,
im ſtaͤrker wehenden, warmen Abendwind. Hoͤ¬
her ſchwebte der klare Mond, heller goſſen ſich
ſeine Strahlen auf die Wipfel nieder, Guido
ſah etwas uͤber dieſen Wipfeln, ſanftleuchtend und
roſig ſchimmern, und wandelte bebend den Pfad
dorthin. Die ſchwarze Maske trat ihm entgegen,
nahm ihn bei der Hand, fuͤhrte ihn durch eine
dunkle Kruͤmmung, wo er aus den Blick ver¬
lor, was er eben geſehen hatte, doch immer
noch, die Melodie vernahm. Kein Wort konnte
die Lippe ſtammeln. Bald endete das Dickigt
vor einem freien mondbeglaͤnzten Huͤgel, und
voͤllig ſichtbar in der ereilten Naͤhe, winkte das
hohe Inſtrument, dem aͤhnlich, das Guido auf
dem heimathlichen Eiland entzuͤckte. Die Hebe
ruͤhrte nun ihre Saiten nicht mehr, ſtieg herab,
ach! wie einſt Ini im Abendſchein. Guido ſank

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[227/0239] zeit im Gefolge, traf ihn die Melodie. Die Saiten einer Zephirharmonika ſtroͤmten ſie nie¬ der, dort in Sizilien hatte ſie ihn einſt zu einem verklaͤrteren Daſein emporgetragen. Was hieß das? Was ſollte Guido denken? Er konnte nicht mehr fliehn, wandte ſich um, nach der Seite des Klanges horchend. Suͤß lis¬ pelten die Zweige der bluͤthenduftenden Linde, im ſtaͤrker wehenden, warmen Abendwind. Hoͤ¬ her ſchwebte der klare Mond, heller goſſen ſich ſeine Strahlen auf die Wipfel nieder, Guido ſah etwas uͤber dieſen Wipfeln, ſanftleuchtend und roſig ſchimmern, und wandelte bebend den Pfad dorthin. Die ſchwarze Maske trat ihm entgegen, nahm ihn bei der Hand, fuͤhrte ihn durch eine dunkle Kruͤmmung, wo er aus den Blick ver¬ lor, was er eben geſehen hatte, doch immer noch, die Melodie vernahm. Kein Wort konnte die Lippe ſtammeln. Bald endete das Dickigt vor einem freien mondbeglaͤnzten Huͤgel, und voͤllig ſichtbar in der ereilten Naͤhe, winkte das hohe Inſtrument, dem aͤhnlich, das Guido auf dem heimathlichen Eiland entzuͤckte. Die Hebe ruͤhrte nun ihre Saiten nicht mehr, ſtieg herab, ach! wie einſt Ini im Abendſchein. Guido ſank P 2

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/239>, abgerufen am 27.04.2024.