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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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nunft dringt, nimmt nicht nur die Schwäche,
auch der kräftige Sinn freundlicher auf, vorzüg¬
lich wenn es in das Leben der Handlung über¬
gehn soll.

Verbannen wir daher vom Denken alles
Bildliche, doch zum thätigen Wirken mögen
immer Dichtung und Künste uns lieblich be¬
geistern.

Der mosaisch-christliche Theismus sei und
bleibe die Grundlage unserer neuen, und den¬
noch aus dem tiefen Alterthume empfangenen
Religion. Wir glauben an eine Gottheit, un¬
begreiflich den Formen, in welchen uns dermalen
unsere Natur zu erkennen gestattet. Außer dem
Raume, außer der Zeit, unendlich, ewig, all¬
mächtig bezeichnen wir diese Gottheit, nichts
Höheres wissen wir zu nennen, wenn wir uns
auch in tiefer Anbetung bescheiden, was wir
nennen nicht zu verstehn, und ein eitles Stre¬
ben, das unsere Kräfte übersteigt, sein Wesen
näher zu fassen, aufgeben.

Keine Ehrengebäude dieser erhabenen Vermu¬
thung! Unwürdig stellt sie die Materie dar. Könn¬
ten höhere Wesen ihm Tempel weihn aus Erdster¬
nen, Altäre darin aus Feuersternen, es priese

nunft dringt, nimmt nicht nur die Schwaͤche,
auch der kraͤftige Sinn freundlicher auf, vorzuͤg¬
lich wenn es in das Leben der Handlung uͤber¬
gehn ſoll.

Verbannen wir daher vom Denken alles
Bildliche, doch zum thaͤtigen Wirken moͤgen
immer Dichtung und Kuͤnſte uns lieblich be¬
geiſtern.

Der moſaiſch-chriſtliche Theismus ſei und
bleibe die Grundlage unſerer neuen, und den¬
noch aus dem tiefen Alterthume empfangenen
Religion. Wir glauben an eine Gottheit, un¬
begreiflich den Formen, in welchen uns dermalen
unſere Natur zu erkennen geſtattet. Außer dem
Raume, außer der Zeit, unendlich, ewig, all¬
maͤchtig bezeichnen wir dieſe Gottheit, nichts
Hoͤheres wiſſen wir zu nennen, wenn wir uns
auch in tiefer Anbetung beſcheiden, was wir
nennen nicht zu verſtehn, und ein eitles Stre¬
ben, das unſere Kraͤfte uͤberſteigt, ſein Weſen
naͤher zu faſſen, aufgeben.

Keine Ehrengebaͤude dieſer erhabenen Vermu¬
thung! Unwuͤrdig ſtellt ſie die Materie dar. Koͤnn¬
ten hoͤhere Weſen ihm Tempel weihn aus Erdſter¬
nen, Altaͤre darin aus Feuerſternen, es prieſe

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[56/0068] nunft dringt, nimmt nicht nur die Schwaͤche, auch der kraͤftige Sinn freundlicher auf, vorzuͤg¬ lich wenn es in das Leben der Handlung uͤber¬ gehn ſoll. Verbannen wir daher vom Denken alles Bildliche, doch zum thaͤtigen Wirken moͤgen immer Dichtung und Kuͤnſte uns lieblich be¬ geiſtern. Der moſaiſch-chriſtliche Theismus ſei und bleibe die Grundlage unſerer neuen, und den¬ noch aus dem tiefen Alterthume empfangenen Religion. Wir glauben an eine Gottheit, un¬ begreiflich den Formen, in welchen uns dermalen unſere Natur zu erkennen geſtattet. Außer dem Raume, außer der Zeit, unendlich, ewig, all¬ maͤchtig bezeichnen wir dieſe Gottheit, nichts Hoͤheres wiſſen wir zu nennen, wenn wir uns auch in tiefer Anbetung beſcheiden, was wir nennen nicht zu verſtehn, und ein eitles Stre¬ ben, das unſere Kraͤfte uͤberſteigt, ſein Weſen naͤher zu faſſen, aufgeben. Keine Ehrengebaͤude dieſer erhabenen Vermu¬ thung! Unwuͤrdig ſtellt ſie die Materie dar. Koͤnn¬ ten hoͤhere Weſen ihm Tempel weihn aus Erdſter¬ nen, Altaͤre darin aus Feuerſternen, es prieſe

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/68>, abgerufen am 26.04.2024.